Biodiversität Bonner Netzwerk BION lädt zur internationalen Fachtagung

Bonn · Das Artensterben ist eines der zentralen ökologischen Themen des 21. Jahrhunderts. Ziel ist es, gesellschaftlichen Fortschritt mit der Erhaltung der Biodiversität in Einklang zu bringen.

 Experten zum Thema Biodiversität: Maximilian Weigend (links) und Wilhelm Barthlott hielten Vorträge.

Experten zum Thema Biodiversität: Maximilian Weigend (links) und Wilhelm Barthlott hielten Vorträge.

Foto: THOMAS KÖLSCH

Zu diesem Zweck hat das Bonner Netzwerk BION, das 47 mit Biodiversität befasste Institutionen aus dem Großraum Bonn unter einem Dach vereint, in der vergangenen Woche erstmals zu einer Fachtagung eingeladen, bei der über 300 Experten aus 39 Ländern ihre Erkenntnisse und Sorgen austauschen konnten.

Im Vorfeld stellten die beiden Professoren Wilhelm Barthlott und Maximilian Weigend, der frühere und der gegenwärtige Direktor des Botanischen Gartens Bonn, die Thematik in Vorträgen vor und zeigten die Schwierigkeiten, aber auch den Nutzen bei der Vermessung der Arten auf.

Barthlott, der sowohl den wasserabweisenden Lotus- als auch den verwandten, für die Anwendung auf Schiffsrümpfen in Erwägung gezogenen Salvinia-Effekt entdeckt hat, skizzierte eindrücklich, was Biodiversität bedeutet und warum die Menschheit sie erhalten muss.

"Als ich noch ein Kind war, habe ich einmal einen Mondhornkäfer gefunden, ihn bestaunt - und ihn dann aufgespießt und in eine Sammlung gesteckt. Erst Jahre später habe ich herausgefunden, um was für ein Tier es sich handelt. Seitdem habe ich nie wieder einen solchen Käfer in der Natur entdecken können", erzählte er.

Diese Anekdote beschreibe gleich zwei Problemfelder: Viele Tiere und Pflanzen warten in zahllosen Sammlungen noch darauf bestimmt und benannt zu werden, während seltene Arten durch die Unvorsichtigkeit und Unwissenheit des Menschen kontinuierlich gefährdet sind.

Tatsächlich, so rechnet Barthlott aus, seien etwa 80 Prozent der Arten noch unbekannt - rund 1,8 Millionen habe man inzwischen katalogisiert, etwa zehn Millionen soll es grob geschätzt geben. Noch. Denn diese Zahl sinkt jährlich.

Dabei lässt sich aus der Natur so viel lernen. Etwa wie man wasserabweisende Oberflächen schafft. Oder neue Medikamente. "57 Prozent der Top 150 verschreibungspflichtigen Medikamente in den USA, die in den letzten 20 Jahren entwickelt wurden, sind Naturprodukte", sagte Barthlott.

Und der Blickwinkel der Wissenschaft auf neue Anwendungsmöglichkeiten verändert sich dauernd. "Vor 20 Jahren hätte ich auf die Frage, wozu wir Lotusblumen brauchen, noch einen esoterischen Schleiertanz aufgeführt", scherzte Barthlott. Von der Produktivität und Stabilität, die Biodiversität Ökosystemen gewährt, gar nicht erst zu reden.

Der Schutz der Arten ist also essenziell - doch während sich in Deutschland in dieser Hinsicht einiges getan hat, bedürfen andere Regionen der Aufmerksamkeit. Vor allem jene, in denen Ressourcen rar sind.

"Ein Magerrasen ist zum Beispiel unglaublich artenreich, eine gedüngte Fettwiese dagegen nicht", erklärte Barthlott, der mit Blick auf endemische Pflanzen (also solche, die nur in einem ganz bestimmten Gebiet vorkommen), noch ein Beispiel gab: "In der Lüneburger Heide gibt es etwa 200 Blütenpflanzen, von denen keine endemisch ist. Am Kap der Guten Hoffnung sind es 2600, von denen 70 Prozent nur hier vorkommen. Wenn da was passiert, geht so unglaublich viel genetisches Material verloren..."

Ähnlich ist die Situation im Westen Lateinamerikas, wie Barthlotts Kollege Weigend in einem Diavortrag aufzeigte. Doch gerade dort findet statt, wovor sich die Botaniker mit Blick auf Südafrika fürchten.

"200 Hektar Nebelwald in Chile verfügten 1998 über mehr als 1000 verschiedene Arten, die meisten von ihnen endemisch. Aber von diesen Flächen sind heute nur noch etwa 50 Hektar übrig - der Rest ist in Kaffeeplantagen umgewandelt worden." Von Biodiversität keine Rede.

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