Ehrenrettung für die Vandalen Bonner Historiker räumt mit Vorurteilen auf

BONN · Konrad Vössing, Professor für Alte Geschichte an der Bonner Universität, bricht eine Lanze für einen Germanenstamm, der nicht gerade über das beste Image verfügt. Die Vandalen, Namensgeber für blinde Zerstörungswut, hatten jahrhundertelang keinen Fürsprecher - mit Vössings Buch "Das Königreich der Vandalen" hat sich dies nun geändert.

Rund 1500 Jahre alt: Das Mosaik "Vandalischer Reiter", hier zu sehen im Jahre 2009 bei einer Vandalen-Ausstellung in Karlsruhe.

Rund 1500 Jahre alt: Das Mosaik "Vandalischer Reiter", hier zu sehen im Jahre 2009 bei einer Vandalen-Ausstellung in Karlsruhe.

Foto: dpa

So detailliert, systematisch und fundiert wie dies angesichts der Quellenlage möglich ist, schildert der Historiker, wie sich ein kleiner germanischer Stamm im 5. Jahrhundert nach Christus auf den Weg nach Nordafrika macht und dort auf ehemals römischem Boden ein Königreich mit einem Herrscher namens Geiserich errichtet.

Im Jahr 429 überquert der König mit seinem gesamten Stamm die Straße von Gibraltar, mit 80 000 Menschen, "Alte, Junge und Kinder, Sklaven oder Herren", darunter circa 10000 Soldaten. Er startet in Afrika einen Eroberungszug, den sogenannten "Vandalensturm".

Selbst die schwer befestigte Stadt Karthago, deren Mauern erst gut zehn Jahre zuvor restauriert wurden, fällt am 19. Oktober 439. "Für Geiserich und die Vandalen wurde das Jahr 439 (...) zum ersten Jahr einer neuen Zeitrechnung und eines eigenen Reichsverständnisses", schreibt Vössing. "Jetzt begann tatsächlich ein neuer Abschnitt der Vandalengeschichte, ja man hat zu Recht von einer Art Staatsgründung gesprochen."

Die Vandalen fassen im heutigen Tunesien Fuß, sie nutzen die Infrastruktur und lassen die Landbevölkerung für sich arbeiten. Immer wieder müssen Geiserichs Soldaten jedoch gegen die Römer kämpfen, die ihr Territorium nicht aufgeben wollen.

455 holt Geiserich zum Gegenschlag aus. Die Stadt Rom ist damals nur schwach besetzt, ein Angriff gelingt. Die 14 Tage dauernde Plünderung der Stadt bezeichnet Vössing als "wohlgeordnet", mit Zerstörung um der Zerstörung willen habe sie nichts zu tun gehabt. Geiserich sei es nicht nur um Beute, sondern um die Verfügungsgewalt über das römische Kaisertum gegangen. Einen ihm genehmen Kaiser konnte der Vandalen-König zwar nicht installieren, aber geschwächt hat er Rom sehr wohl.

Streitigkeiten um die Thronfolge und Spannungen zwischen Vandalen und ihren Untertanen läuten den Untergang des Vandalenreiches ein. Der entscheidende Schlag sei aber aus Konstantinopel gekommen, so Vössing. Jäh endet das Königreich der Vandalen unter seinem letzten König Gelimer mit einem vernichtenden byzantinischen Angriff im Jahr 533. Professor Vössing erklärt, wieso ausgerechnet der Germanenstamm der Vandalen zum Synonym für zerstörungswütige Kulturbanausen wurde.

In der Folge des Hundertjährigen Krieges (1337 bis 1453), als eine Vorform des französischen Nationalbewusstseins entstanden sei, seien den Römern noch die Nordbarbaren generell entgegengesetzt worden, die Rede war vom "Furor Teutonicus". Erst in den innenpolitischen Auseinandersetzungen der französischen Revolution wurde erstmals der Begriff "Vandalismus" benutzt. Henri Baptiste Grégoire, der Bischof von Blois, habe damit die eigenen revolutionären Vorstellungen von denen der jakobinischen Eiferer, vor allem von der Kunstzerstörung der Sansculotten, abgrenzen wollen.

Die Vandalen und nicht etwa die Goten habe es getroffen, weil erstere im 6. Jahrhundert vollständig untergingen. "Nach den Goten aber war seit der Renaissance ein das Mittelalter prägender Baustil genannt, der - auch wenn er ursprünglich negativ (“barbarisch„) gemeint war - doch sehr bald entschärft, ja zum positiven Signum einer ganzen Epoche wurde."

Historiker versuchen, die Geschehnisse der Vergangenheit möglichst realistisch zu rekonstruieren, Einflussnahme auf die Gegenwart liegt ihnen in der Regel fern. Bei Konrad Vössing ist das nicht anders. "Den Vandalismusbegriff wegen seiner fehlenden historischen Begründung bekämpfen zu wollen, wäre eine seltsam unhistorische Idee", schreibt er im letzten Kapitel seines auch für Laien lesenswerten Buches.

Info

Konrad Vössing: Das Königreich der Vandalen - Geiserichs Herrschaft und das Imperium Romanum. Philipp- von-Zabern-Verlag, 208 S., 24,95 Euro

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