Privat- und Firmenpleiten in der Region "Zu viele junge Menschen überschuldet"

BONN · Pro Monat melden in Deutschland derzeit rund 2000 Firmen und etwa 7000 Verbraucher Insolvenz an. Zwar hat die gute Konjunktur auch in Köln, Bonn und Region zu einem deutlichen Rückgang an Firmenpleiten geführt.

 Pro Monat melden in Deutschland derzeit rund 2000 Firmen und etwa 7000 Verbraucher Insolvenz an.

Pro Monat melden in Deutschland derzeit rund 2000 Firmen und etwa 7000 Verbraucher Insolvenz an.

Foto: Symbolfoto: dpa

Doch bei den Privatinsolvenzen sind die Zahlen immer noch zu hoch, sagt Dirk Obermüller, Insolvenzexperte bei der Bonner Kanzlei DHPG. "Es ist immer wieder erschreckend, wie viele junge Leute in ein solches Verfahren gehen", berichtet Obermüller, der nach eigenen Angaben "mehrere hundert" Privatinsolvenzen verwaltet. "Hauptursachen sind unverändert Krankheit, Arbeitslosigkeit und Scheidung", erläutert Obermüller. Junge Menschen, die meist noch keine 30 Jahre alt seien, treibe vor allem falsches Konsumverhalten in den Ruin.

Teure Unterhaltungselektronik und ein Auto auf Pump seien spätestens dann nicht mehr finanzierbar, wenn auch die Jobperspektive fehlt, weil der Betroffene keine Ausbildung hat. Bei jungen Frauen führe Schwangerschaft mit Trennung vom Partner häufig in die Schuldenfalle. "Die Insolvenz stranguliert zugleich eine persönliche Entwicklung, und das merkt man auch", bedauert Obermüller. Insgesamt steuerten Menschen mit Migrationshintergrund deutlich häufiger in eine Privatinsolvenz.

Die Reform des Insolvenzrechtes mit der Möglichkeit für Verbraucher, sich von ihren Restschulden schon nach drei Jahren statt üblicherweise sechs Jahren befreien zu lassen, spiele in der Praxis keine Rolle, kritisiert Obermüller. Die Betroffenen müssen dazu 35 Prozent ihrer Schulden zahlen und die Verfahrenskosten tragen.

"Unternehmer gehen viel zu spät zum Insolvenzrichter"

Er habe noch keinen Fall gehabt, in dem ein Schuldner dazu in der Lage gewesen wäre. "Wer das leisten kann, geht erst gar nicht ins Insolvenzverfahren." Es gebe zwar gute Gründe, die Zeit bis zur Restschuldbefreiung zu verkürzen, die etwa in Großbritannien bei nur einem Jahr liege, doch die deutsche Regelung, so Obermüller, "ist völlig unrealistisch".

Der Bonner Rechtsanwalt plädiert dafür, Werbung für den Konsum auf Pump stärker zu reglementieren und Bonitätsprüfungen verbindlicher zu machen.

Wegen der anhaltend guten Konjunktur gehen immer weniger Firmen in Deutschland pleite. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen war im ersten Halbjahr 2015 so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren. Nach Angaben der Düsseldorfer Wirtschaftsauskunftei Creditreform gingen mit 11.100 rund acht Prozent weniger Unternehmen in die Insolvenz als in der Vorjahreszeit. Die Zahl der durch Insolvenzen verursachten Arbeitsplatzverluste sank sogar um 13,5 Prozent auf rund 77.000. Auch in der Region Köln/Bonn war die Zahl der Firmenpleiten zuletzt stark rückläufig gewesen.

Das ändere nichts daran, dass beim weit überwiegenden Teil der Insolvenzen oft nicht einmal die Kosten der Verfahren gedeckt seien, sagt Obermüller. "Nach wie vor gehen die Unternehmer viel zu spät zum Insolvenzrichter." In nur etwa vier bis fünf Prozent der Fälle könne das Unternehmen etwa in Eigenverwaltung erfolgreich saniert werden. In der Regel seien das größere Unternehmen ab etwa 100 Mitarbeitern.

Wettbewerb um Aufträge zur Insolvenzverwaltung

"Dort, wo rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt wird und das Geschäftsmodell prinzipiell funktioniert, bestehen gute Aussichten auf Rettung", betont Obermüller. Als Beispiel aus der Region nennt er die Deutsche Mechatronics in Mechernich mit 400 Mitarbeitern und rund 40 Millionen Euro Umsatz, die im Planverfahren und mit dem Einstieg eines chinesischen Investors habe saniert werden können.

Unter den Kanzleien gebe es inzwischen einen regelrechten Wettbewerb um Aufträge zur Insolvenzverwaltung, berichtet Obermüller. "Sanierung ist ein Geschäftsbereich, der sich lohnt." DHPG beschäftigt in der Sparte allein in Bonn 60 Mitarbeiter, weitere 20 Kollegen arbeiten von Trier aus an Insolvenzfällen.

Längst sei es auch nicht mehr bloß so, dass der Insolvenzverwalter einfach vom zuständigen Amtsgericht bestellt werde. "Bei größeren Verfahren kommen früh Berater ins Unternehmen, die einen vorläufigen Insolvenzplan für eine Sanierung in Eigenverwaltung erstellen und gemeinsam mit Gläubigern und Geschäftsleitung dem Gericht einen Sachwalter vorschlagen."

Größter Standort von DHPG ist Bonn mit rund 200 Mitarbeitern

Die Bonner DHPG ist mit knapp 500 Mitarbeitern an zehn Standorten eine der größten Kanzleien für Rechtsberatung, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung im Rheinland und dem Rhein-Main-Gebiet. Neben der Zentrale in Bonn unterhält DHPG Büros in Köln, Euskirchen, Bergisch Gladbach, Gummersbach, Bornheim (mit Rechenzentrum), Frankfurt, Wiesbaden, Trier und Berlin. International vernetzt ist DHPG über das Kanzleinetzwerk Nexia mit mehr als 24.000 Mitarbeitern in über 600 Büros aus über 100 Ländern.

Größter Standort von DHPG ist Bonn mit rund 200 Mitarbeitern. Die Zentrale ist an der Marie-Kahle-Allee hinter der Museumsmeile in einem Neubau angesiedelt, der auch DHPG-Gesellschaftern gehört. "Wir gehen davon aus, dass wir hier für die nächsten 15 Jahre gut aufgestellt sind", sagt Dirk Obermüller, bei DHPG Mitglied der dreiköpfigen Gesamtleitung, deren Sprecher Norbert Neu ist.

DHPG erwirtschaftete im vergangenen Jahr laut Obermüller rund 40 Millionen Euro Umsatz, über fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Dieses Wachstum soll auch anhalten. DHPG unterstützt mittelständische Unternehmen auch mit IT-Beratung, Sicherheitsberatung und -prüfung in Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Wichtige Sparte ist auch Sanierung und Insolvenzverwaltung.

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