Kritik von Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges "Whatsapp kannibalisiert die Telekom"

Bonn · Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges kritisiert, dass Internetfirmen absahnen, während die Telekommunikationskonzerne leer ausgehen. Unterdessen sucht die Politik nach Spielregeln für das Internet

Die klassischen Telekommunikationskonzerne, wie die Deutsche Telekom, kritisieren, dass sich Investitionen in die Netze nicht mehr lohnen.

Die klassischen Telekommunikationskonzerne, wie die Deutsche Telekom, kritisieren, dass sich Investitionen in die Netze nicht mehr lohnen.

Foto: dpa

SMS sind von gestern, Whatsapp liegt im Trend: In der Welt der Internet- und Telekommunikationskonzerne verteilen sich die Machtverhältnisse neu. Der rasante technische Fortschritt hat neue Geschäftsmodelle hervorgebracht. Firmen wie Facebook und Whatsapp, Amazon, Musik- und Videostreamingdiensten glänzen mit hohen Wachstumszahlen.

Traditionelle Telekommunikationskonzerne wie die Deutsche Telekom fühlen sich durch die regulatorischen Gesetze zu stark gegängelt und sagen, dass sich Investitionen in die Netze nicht genug lohnen. Sie vermissen die gleichen Spielregeln für alle Anbieter, denn das Unternehmen muss sich viele seiner Preise vorab genehmigen lassen.

Um der Frage auf den Grund zu gehen, ob die Rahmenbedingungen des Marktes, die im Wesentlichen aus den neunziger Jahren stammen, als der Telekommunikationsmarkt für den Wettbewerb geöffnet wurde, noch für die Unternehmenswelt des Jahres 2015 geeignet sind, hat die Bundesnetzagentur gestern eine Konferenz in Bonn veranstaltet.

"Das Verhältnis ist aus den Fugen geraten"

"Alle Unternehmen haben einen Anspruch auf einen verlässlichen und widerspruchsfreien Rechtsrahmen, damit langfristige Investitionsentscheidungen eine stabile Basis haben", sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Wichtiges Schlagwort in der Debatte: OTT-Anbieter. Das steht in diesem Fall für Over-the-top-Inhalte, also kostenlose Angebote über das offene Internet ohne Beteiligung der klassischen Telekommunikationsformen, wie Google, Facebook oder Youtube sie machen. "Das Verhältnis ist aus den Fugen geraten", sagte Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges. Firmen wie Whatsapp und Skype kannibalisierten die Angebote der Telekom.

Gleichzeitig hätten sie aber viel weniger Auflagen zu erfüllen: "Whatsapp muss keinen Notruf unterhalten." Dieses Ungleichgewicht mache es der Telekom schwer, die Kapitalkosten der Investitionen in das Netz wieder hereinzuholen. Sobald die Telekom eine Innovation verwirklicht habe, werde darüber diskutiert, dass das Angebot auch den Konkurrenten zur Verfügung gestellt werden müsse.

Ganz klar argumentiert auch Thorsten Dirks, Vorstandsvorsitzender der Telefónica Deutschland Holding: "Wir brauchen eine neue Ordnungspolitik - und wir brauchen sie schnell." Es könne nicht darauf gewartet werden, dass die europäischen Rahmenbedingungen für den Telekommunikationssektor überarbeitet würden.

Rolle der Regulierung solle überprüft werden

Facebook-Europapolitik-Chef Richard Allan setzt hingegen auf Europa. Er sieht eine Gefahr in unterschiedlichen nationalen Regeln. Wenn einzelne EU-Länder weiter selbst die Aktivitäten von Facebook überprüfen wollten, würde sich das negativ auf neue Angebote auswirken. Allan ist der Ansicht, dass die Zugangsbarrieren für neue Anbieter auf dem Markt eher geringer geworden sind.

Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hält es für eine wichtige Aufgabe der Politik, die Rolle der Regulierung zu überprüfen: "Ist Regulierung wirklich das beste Instrument für Innovationen?" Darüber müsse diskutiert werden. Dabei sieht er durchaus Defizite auf der eigenen Seite: "Geschwindigkeit und Qualität der politischen Entscheidungsprozesse halten mit den Veränderungen nicht Schritt. Im Telekommunikationsrat der EU würden häufig nur vorbereitete Papiere verlesen, es käme nicht zu einer inhaltlichen Diskussion: "Wir können uns aber nicht mehr 28 unterschiedliche Datenschutzgesetze leisten." Es könne nur noch europäische Lösungen geben.

Er halte die deutschen Entscheidungsprozesse für viel zu kompliziert. Häufig seien vier Bundesministerien beteiligt. Deshalb werde geprüft, ob eine "Digitalagentur" als zentrale Aufsichtsbehörde sinnvoll sei. Andernfalls müsste wenigstens das Profil bestehender Einrichtungen wie der Bundesnetzagentur geschärft werden.

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