Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) Wenn sich Verträge heimlich verdoppeln

BONN · Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), zusätzliche Kreditgebühren der Banken für unzulässig zu erklären, sorgte 2014 bei der Bonner Verbraucherzentrale für einen Ansturm.

 Die Verbraucherzentrale bestätigt, dass am Telefon abgeschlossene Absprachen immer häufiger nicht eingehalten werden. Sie rät deshalb, Abmachungen schriftlich festzugalten.

Die Verbraucherzentrale bestätigt, dass am Telefon abgeschlossene Absprachen immer häufiger nicht eingehalten werden. Sie rät deshalb, Abmachungen schriftlich festzugalten.

Foto: dpa

Mehr als 300 Menschen meldeten sich binnen zwölf Wochen. "So viele, dass wir sie gar nicht alle beraten konnten und stattdessen vorgefertigte Formulare verteilten", sagt Susanne Bauer-Jautz, Leiterin der Bonner Verbraucherzentrale. Dadurch wurde der Themenbereich Finanzen zum häufigsten Verbraucherproblem des vergangenen Jahres.

Es ging nicht um kleine Beträge, sondern meist drei- bis vierstellige. Nachdem der BGH im Mai festgelegt hatte, dass Kreditgebühren nicht erhoben werden dürfen, folgte im Oktober die Verjährungsfrist von zehn Jahren. "Deshalb kamen so viele Verbraucher auf einmal zu uns, weil die Frist zum Jahresende verstrich", so Bauer-Jautz.

Einige warten noch immer auf ihr Geld, was sie allerdings nachvollziehen kann. Sie schätzt, dass bei den Banken bundesweit Hunderttausende Forderungsbriefe eingegangen seien, die nun abgearbeitet werden müssen.

Der Fall eines älteren Herrn, der einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen wollte, blieb ihr besonders im Gedächtnis. Statt der gewünschten zwei Verträge hatte er nämlich plötzlich vier, weil die alten nicht, wie vom Berater im Geschäft besprochen, gekündigt worden waren.

"Dem Mann fiel das aber erst ein Jahr später auf, somit gab es rechtlich keinerlei Ansprüche auf eine Rückzahlung", erzählt Bauer-Jautz. Der Mobilfunkanbieter erklärte sich allerdings dazu bereit, die überflüssigen Verträge aufzulösen und aus Kulanz 90 Euro Entschädigung zu zahlen.

"Dass die mündlichen Absprachen am Telefon und in den Mobilfunk-Shops oft nicht eingehalten werden, passiert in den vergangenen Jahren immer häufiger", sagt Bauer-Jautz. Sie rät deshalb, Abmachungen schriftlich festzuhalten oder zumindest mit Datum und Zeiten selbst zu notieren. Auch der regelmäßige Blick auf das eigene Konto sei wichtig, um zu hohe Abbuchungen direkt reklamieren zu können.

Mit einer Abzocke wollte die Europa Inkasso GmbH bei vermeintlichen Schuldnern Geld eintreiben. "Die Situation war für die betroffenen Bonner besonders bedrohlich", sagt Susanne Bauer-Jautz. Die Briefe kamen in gelben oder grün-blauen Umschlägen, die man sonst nur von Behörden kennt.

Mit Worten wie "Zwangsvollstreckung" und der Ankündigung einer Pfändung, die notfalls auch ein Außenmitarbeiter vor Ort übernehmen würde, sollten die Bürger zur Zahlung von 119 Euro gebracht werden. Der Grund dafür war ein Anrufblocker, der angeblich bestellt und nicht bezahlt worden war. Als die Verbraucherzentrale genauer hinsah, entdeckte sie Mahnbriefe mit identischem Datum und eine bulgarische Steuernummer.

Sich Hilfe zu suchen, wenn man in die Abofalle einer Dating-Seite im Internet getappt war, kostete die Verbraucher viel Überwindung. "Das ist ein unangenehmes Thema, bei dem man lieber bezahlt, als sich zu wehren", sagt Bauer-Jautz. Wie sich herausstellte, wurden die Kunden nicht richtig über das automatisch anstehende, teure Abonnement informiert.

Bei dubiosen Schlüsseldiensten, die die Notsituation der Betroffenen ausnutzten und anstatt der üblichen 50 bis 100 Euro teilweise das Sechsfache verlangten, kooperierte die Verbraucherzentrale mit der Polizei. Empfohlen wurde unter anderem Anzeige zu erstatten, falls der Türöffner auf die Barzahlung an der Haustür bestehe.

Während die Anfragen bei der Verbraucherzentrale stiegen, kamen weniger Menschen zur Energieberatung. "Wenn die Energiepreise sinken, sind die Verbraucher nicht mehr so aufmerksam", erklärt Energieberater Stephan Herpertz. Hinzu kämen die Unsicherheiten bei Investitionen. Beispielsweise wegen brennbarer Dämmung. "Da wartet man lieber ab, bis es neue Erkenntnisse darüber gibt", so Herpertz.

15.988 Anfragen im Jahr

Im Jahr 2014 gab es insgesamt 15 988 Anfragen bei der Verbraucherzentrale Bonn, 1142 davon entfielen auf die Energieberatung. Bei Veranstaltungen wie Schulbesuchen wurden 3895 Kontakte gezählt. Die häufigsten Verbraucherprobleme waren mit Finanzen (23 Prozent), Telefon und Internet (22 Prozent), Dienstleistungen (13 Prozent), Energie (12 Prozent) und Konsumgüter (10 Prozent).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort