Vier Telekom-Mitarbeiterinnen ziehen Zwischenbilanz Trainingslager für Managerinnen

BONN · Die Besetzung deutscher Aufsichtsräte ist oft noch Sache von angestammten Netzwerken: Ältere Herren mit ähnlicher Herkunft, die ähnlich denken und sich gegenseitig mit weiteren Posten versorgen, besetzen die Stühle des Arbeitgeberlagers. Das soll sich in Zukunft ändern: Ab 2016 gilt per Gesetz für große Konzerne die Regel, dass 30 Prozent der Posten in Aufsichtsräten mit Frauen besetzt sein sollen.

 Zwischenbilanz: Antje Hundhausen, Dagmar Pithan, Vorstandsmitglied Claudia Nemat, Judit Andrasi und Melanie Güse.

Zwischenbilanz: Antje Hundhausen, Dagmar Pithan, Vorstandsmitglied Claudia Nemat, Judit Andrasi und Melanie Güse.

Foto: Nicolas Ottersbach

Schon 2010 hat sich die Deutsche Telekom selbst eine interne Frauenquote verordnet: Ende 2015 sollen 30 Prozent aller Führungspositionen weiblich besetzt sein. Damit für Aufsichtsratsposten genügend weibliche Kandidatinnen bereit stehen, hat die Telekom zu einer neuen Methode gegriffen:

Sie führt derzeit für 29 Führungskräfte in Zusammenarbeit mit der European School of Management and Technology eine umfangreiche Schulung durch, als erstes großes Unternehmen überhaupt. 250 Aufsichtsratsposten sind allein konzernintern pro Jahr bei der Telekom zu vergeben.

Zu den Teilnehmerinnen der Schulung aus ganz Europa, die sich von Dezember vergangenen Jahres bis Juli regelmäßig neben dem Hauptjob treffen, gehören Antje Hundhausen, Melanie Güse und Judit Andrasi aus dem Bonner Telekom-Hauptquartier. Sie sind bereits erfahrene Führungskräfte, können sich aber vorstellen, in Zukunft noch mehr Verantwortung zu übernehmen.

Melanie Güse ist seit sieben Jahren bei der Telekom, anfangs bei T-Mobile im Strategiebereich. Zuvor war sie fünfeinhalb Jahre bei einer Unternehmensberatung. Seit zwei Jahren leitet sie bei der Telekom den Bereich Customer Intelligence Europa. Ihr Team analysiert Kundendaten. Die Mitarbeiter sitzen in Deutschland und acht anderen Ländern. "Der Austausch mit den anderen Frauen ist sehr spannend", sagt sie über die Schulung.

Durch die Treffen entwickele sich tolles Netzwerk. Sie arbeite oft in reinen Männerteams. "Und ich finde schon, dass in dieser reinen Frauenrunde ein anderes Klima herrscht", sagt die 40-Jährige. "In Männergruppen weiß man meist sofort, wer der Chef ist. Das ist hier anders", so die Betriebswirtin. Es herrsche eine sehr konstruktive Atmosphäre, bei der alle Teilnehmerinnen auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Und noch etwas sei kennzeichnend: "Es wird deutlich mehr gelacht."

Ein Aufsichtsratsmandat zusätzlich zur normalen Haupttätigkeit zu übernehmen, sei natürlich mehr Arbeit, ist sich Antje Hundhausen bewusst. Je länger das Programm dauere, desto genauer wisse man das. "Aber ich würde es sofort machen."

Seit 14 Jahren ist Hundhausen bei der Telekom. Seit Mitte 2007 leitet die Diplom-Betriebswirtin den Markenbereich 3D Brand Experience. Sie kümmert sich bei Messen um die Frage, wie die Marke dargestellt wird. Daneben ist sie für das Kunstmanagement und den Aufbau der Art Collection Telekom zuständig. Sie hat Musikwissenschaften und Kunstgeschichte studiert, ist ins Hotelfach gewechselt und hat ein Betriebswirtschaftsstudium drangehängt.

Als ehemaliger Technikkonzern sei die Telekom manchmal noch eine Männerdomäne: "Ich habe auch schon in mittelständischen Unternehmen gearbeitet, die wirkten oft weiblicher. Da war es als Frau einfacher." Sie treffe bei der Telekom immer noch auf Männer, die es nicht verstehen, dass sie ein Kind habe und trotzdem Vollzeit in einer Führungsposition arbeite. Zunächst sei sie der Frauenquote gegenüber durchaus ambivalent gewesen. Doch sei sie der Auffassung: "Die Quote hat geholfen, alte tradierte Denkmuster aufzubrechen", sagt die 49-Jährige.

Führungstätigkeit und Familie unter einen Hut zu bekommen, klappe mittlerweile sehr gut. Natürlich sei es mehr Organisationsarbeit: "Ich bin froh, dass ich einen Ehemann habe, der mich unterstützt und einen Chef, der Leistungen an Ergebnissen festmacht und nicht an der Dauer der Anwesenheit." Sie könne Frauen nur empfehlen, nicht auf Kinder zu verzichten: "Es kommt nicht nur auf die berufliche Karriere, sondern auf die gesamte Lebenskarriere an. Es ist eine große Bereicherung, ein Kind zu haben."

Judit Andrasi ist Ungarin und hat auch in ihrem Heimatland studiert. Seit fünf Jahren ist sie bei der Telekom verantwortlich für die Strategie der zwölf europäischen Tochtergesellschaften. Es geht um langfristige Planung und Wettbewerbsanalysen. Die 38-Jährige hat sechs Jahre in Ungarn und Montenegro für Tochtergesellschaften der Telekom gearbeitet. Außerdem war sie für Unternehmensberatungen in München und Wien tätig. "Ich bin oft schon umgezogen und habe die Länder gewechselt. Ich habe Spaß an neuen Herausforderungen", sagt Andrasi. An der Schulung reize sie, die sozialen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können: "Die emotionale Kompetenz einer Führungskraft wird immer wichtiger." Dabei gehe es darum, dass man sich im Gespräch auch zurücknehme und den Mitarbeitern zuhöre. Denn in der täglichen Arbeit gelte es, das Gegenüber im Blick zu behalten: "Man muss sicherstellen, dass man nicht nur Hinweise gibt, sondern dass die Botschaft beim anderen auch ankommt."

Dagmar Pithan aus dem Personalressort der Telekom hat das Programm zusammen mit Sabine Bothe auf die Beine gestellt. "Es ist eine Mischung aus Fallstudien, Mentoring, Coaching und fachlichen Fragestellungen." Inklusive Abschlussprüfung in Form eines Onlinetestes: "Die Simulation einer Aufsichtsratssitzung steht noch an", so Pithan. Die Schulungsrunde steht unter genauer Beobachtung: "Viele Männer haben gefragt, warum wir die Schulung zunächst nur für Frauen öffnen, daher wird der nächste Durchlauf auf jeden Fall gemischt sein."

Auch wenn die reine Frauenrunde reizvoll erschien, so gilt das doch nicht für den Arbeitsalltag: "Die besten Ergebnisse erreicht man in gemischten Teams, weil unterschiedliche Erfahrungen zusammenkommen", sagt Güse. Dass man bei einem Aufsichtsratsposten einen klaren Blick und Durchsetzungskraft haben müsse, sei offenkundig. Ein harmoniesüchtiger Mensch passe da nicht rein, ist Hundhausen überzeugt. Das schreckt sie nicht: "Wer mit vier Geschwistern groß wird, ist Auseinandersetzungen gewöhnt."

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