Langsamer Wachstum der E-Autos Mit Strom und Handbremse

KÖLN/BONN · Es gibt etwas umsonst, und dennoch bilden sich keine Schlangen. Besitzer von Elektroautos müssen den Strom, den sie aus über 160 Ladepunkten der Stadtwerke an 100 Ladestationen in Köln saugen, nicht bezahlen. Doch gerade einmal gut 700 Ladevorgänge gibt es an den Säulen der Rheinenergie pro Monat, so ein Unternehmens-Sprecher.

An RWE-Säulen ist der Strom kostenpflichtig. Zum Nulltarif laden Autofahrer dagegen bei den Stationen der Stadtwerke Bonn.

An RWE-Säulen ist der Strom kostenpflichtig. Zum Nulltarif laden Autofahrer dagegen bei den Stationen der Stadtwerke Bonn.

Foto: dpa

Im Schnitt sind das etwas mehr als vier Ladevorgänge pro Säule im Monat. Dabei gibt es in Köln vergleichsweise viele Autos, die allein mit Strom fahren. 715 dieser sogenannten batterie-elektrischen Pkw hat das Kraftfahrtbundesamt Anfang des Jahres gezählt. Mehr gibt es nur in Stuttgart mit über 1000, in München (912) und Berlin (849). Das größere Hamburg mit 673 E-Autos wird von Köln locker auf die Plätze verwiesen, Düsseldorf rangiert mit 135 sogar unter ferner liefen.

Mit 61 Elektro-Pkw macht Bonn auf den ersten Blick überhaupt keine gute Figur. Doch die Einschätzung des Experten ist eine andere: "So viel?", fragt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Dass Aachen trotz weniger Einwohner auf immerhin 146 zugelassene E-Mobile kommt, erklärt er ganz einfach mit der technischen Ausrichtung der Universität: "Dort sind wahrscheinlich mehr Testfahrzeuge zugelassen - ich schätze mal etwa 50." Zahlenmäßig gebe es zwar große Unterschiede zwischen einzelnen Städten, doch näher betrachtet, stünden alle etwa "gleich schlecht" da. Denn dort, wo die Zahlen höher seien, seien meist Autohersteller oder andere Einrichtungen, die gefördert würden, für die meisten Zulassungen verantwortlich.

Wer in Bonn elektrisch fährt, kann wie in Köln an den drei Ladesäulen der Stadtwerke mit jeweils zwei Ladepunkten kostenlos tanken. "Wir planen voraussichtlich bis Ende des Jahres drei weitere Ladesäulen", erklärt Unternehmenssprecher Werner Schui. Zudem weist er darauf hin, dass die Anschaffung von Elektroautos mit 500 Euro von den Stadtwerken bezuschusst werde, E-Roller mit 250 Euro und E-Bikes mit 100 Euro.

Zur Auslastung der Tanksäulen kann Schui keine konkreten Zahlen nennen: "Sie werden regelmäßig genutzt." Auch RWE bietet in Bonn eine Lademöglichkeit für Elektroautos. RWE erklärt jedoch auf Anfrage, dass der Strom nicht umsonst sei: "Auf 100 Kilometer kann man im Schnitt mit fünf Euro rechnen", erklärt RWE-Sprecherin Julika Gang. Dudenhöffer erklärt, dass weder in Köln noch in Bonn das Potenzial für E-Mobilität ausgeschöpft sei. Er hat ermittelt, dass rund 15 bis 20 Prozent der Autos in den Städten mit entsprechender Förderung und Infrastruktur in Form von Ladesäulen elektrisch fahren könnten. Laut Kraftfahrtbundesamt gibt es in Köln mehr als 450.000 zugelassene Autos, in Bonn mehr als 170.000.

Für Dudenhöffer sind Elektroautos ideale Zweitwagen für Stadtbewohner. Außerdem eigneten sie sich für Lieferwagenflotten. Die Euphorie beim batterie-elektrischen Auto ist aber deutlich abgeklungen. Kaum vorstellbar, dass 2020, wie von der Bundesregierung ursprünglich erwartet, eine Million Stromer durch die Republik surren.

Dudenhöffer rechnet allenfalls mit 100.000 Elektroautos. Wichtigster Grund: Die Fahrzeuge sind teuer. 40.000 Euro kostet etwa der Focus Electric. Das ist fast doppelt so viel wie das Benzin-Modell und schreckt Privatkunden ab. Da rechnet sich ein E-Auto auch nicht, wenn der Strom umsonst ist oder für 100 Kilometer an der heimischen Steckdose etwa vier Euro kostet, wie Nissan vorrechnet. Weitere Probleme: Die begrenzte Reichweite stört bei Ausflügen oder Urlaubsfahrten, und unterschiedliche Anmelde- und Bezahlsysteme an gebührenpflichtigen Ladesäulen sind auch nicht wirklich benutzerfreundlich.

Dudenhöffer hat zur Förderung der E-Autos einen Soli für sie ins Spiel gebracht, Autobauer wünschen sich Kaufprämien. Die gab und gibt es in den USA, China, Norwegen oder Frankreich. Entsprechend liegt der Marktanteil der E-Autos in Frankreich oder den USA mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. 8522 Elektroautos wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft. Insgesamt gab es Anfang 2015 knapp 19.000 Stromer. Jetzt sind es etwa 20 000, so Dudenhöffer. Viele Fahrzeuge seien auf Autohersteller oder Händler zugelassen. Das gelte auch für die etwa 107 000 Hybridfahrzeuge, die einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor haben.

Dabei liefern die aktuell niedrigen Spritpreise wenig Kaufargumente für E-Autos, so auch Marktforscher von Puls zuletzt. Sie verstärkten eher den Trend zu Geländewagen und mehr PS, meint auch Dudenhöffer. Auch die geltenden CO2-Grenzwerte geben den E-Autos keinen Rückenwind. Ab 2020 müssen 95 Prozent der neu zugelassenen Autos in Europa den Grenzwert von 95 Gramm einhalten. Ab 2021 gilt er dann für die gesamte Flotte, wobei es einen Bonus für Elektroautos gibt. Derzeit liegt der CO2-Ausstoß bei 132,8 Gramm, Klein- und Kompaktfahrzeuge stoßen aber auch heute kaum mehr als 95 Gramm CO2 auf 100 Kilometer aus. Aber immerhin steigt die Zahl der Elektroautos langsam.

Und vor allem Plug-in-Hybride, Fahrzeuge mit größerer Batterie, die an einer Steckdose geladen werden können, werden nach Studien, die der Energieversorger Shell regelmäßig erstellen lässt, demnächst deutlich zulegen. Nach der aktuellen Studie werden sie 2040 einen Anteil von bis zu 21 Prozent an den Neuzulassungen in Deutschland haben. Batterie-elektrische Autos kommen auf bis zu 14 Prozent, Brennstoffzellen-Fahrzeuge, die wohl ab 2020 auf den Markt kommen, erreichten 2040 laut Shell einen Anteil von bis zu sieben Prozent.

Da lohnt sich auch der weitere Aufbau von Ladesäulen, den die Rheinenergie plant. Projektiert ist auch eine Säule mit Schnellladefunktion mit Gleichstrom. Verschenkt wird ab 2016 allerdings nichts mehr. Eine Abrechnungssoftware ist in Arbeit. Besitzer von E-Autos müssen dann für den Strom an der Ladesäule und den Standplatz bezahlen, so ein Unternehmenssprecher. Die Kunden erhielten ein faires Angebot. In Bonn ist laut Stadtwerke kein Ende der kostenlosen Kilowattstunden in Sicht.

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