Verdi: Druck mit System bei der Post Drohbriefe vom Vorgesetzten?

BERLIN · Die Auseinandersetzung bei der Deutschen Post wird für Beschäftigte zur heiklen Sache. Der Bonner Konzern soll ihnen - genauer: Streikenden mit befristeten Verträgen - mit Jobverlust gedroht haben. Das erklärt zumindest die Verdi-Vizevorsitzende Andrea Kocsis in einem Brief an Sigmar Gabriel, dem SPD-Chef und Wirtschaftsminister.

 Streikende Post-Mitarbeiter in Dresden.

Streikende Post-Mitarbeiter in Dresden.

Foto: dpa

Das Schreiben liegt dieser Zeitung vor. Demnach haben "Beschäftigte vonihren Vorgesetzten Anrufe, SMS oder persönlich adressierte Briefe"erhalten, in denen "Druck ausgeübt wird".

Kocsis stützt sich auf Gedächtnisprotokolle und Notizen von Betroffen, diesich aus ihrer Sicht zu einem "systematisch gesteuerten Bild fügen".Ein Beispiel: Eine Betriebsrätin aus einem Zustellstützpunkt berichtete, derLeiter habe mit allen befristet Beschäftigten, die streikten, Einzelgesprächegeführt. Einige seien nun "total eingeschüchtert" und nähmen aus"Angst" nicht mehr am Streik teil. Ihr habe der Leiter gesagt, ermüsse eine Streikende-Liste an seinen Vorgesetzten schicken.

Ein anderer Fall: Ein Beschäftigter notierte, dass nach einem Streik einVerantwortlicher für den Dienstplan zu ihm an das Auto gekommen sei und ihmgesagt habe, dass die Post sein Gehalt zahle, nicht die Gewerkschaft. Er solledoch an seinen Vertrag denken. Eine Drohung solle das aber nicht sein."Aber was war das dann?", will der Beschäftigte erwidert haben.

Zudem steht in dem Brief, dass im April Streikenden zu viel Lohn abgezogenworden sei, und zwar 1/23 ihres Monatsgrundentgeltes, obwohl nur ein 1/30zulässig gewesen sei. Die "materiellen Verluste" der am StreikBeteiligten würden so erhöht, um "Einfluss auf die Streikbereitschaft zunehmen", urteilt Verdi. Das Management der Post AG missachte"Grundrechte der Beschäftigen und ihrer Interessenvertretung" ineiner "nie dagewesenen" und "unerträglichen" Weise, heißtes in dem Brief an Gabriel.

Der hält die Vorwürfe offenbar für glaubhaft und schrieb an Post-Chef FrankAppel, dass großen Unternehmen mit Bundesbeteiligung "unbedingte Achtungsowohl persönlicher wie kollektiver Arbeitnehmerrechte abverlangt werden"müsse. Das machte die "Süddeutsche Zeitung" öffentlich.

Gabriels Leute legten am Mittwoch allerdings Wert darauf, dass er dies alsSPD-Chef und nicht als Wirtschaftsminister tat. Er habe sich auch nur"erkundigt", so ein Sprecher aus dem Wirtschaftsministerium. AlsAnteilseigner mische man sich nicht in das operative Geschäft ein.

Von "Rufschädigung" sprach die Post-AG. Die Lohnauszahlung vonApril sollen korrigiert werden. Es gebe keine gezielte Einschüchterung derMitarbeiter durch die Unternehmensführung.

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