WCCB - Die Millionenfalle, Teil 70 Man-Ki Kim in der Millionenfalle

BONN · Vielleicht wird mancher Bürger in zwei, drei Jahren, wenn das World Conference Center Bonn (WCCB) "ausprozessiert" ist, die städtische Schlussrechnung nur noch mit Galgenhumor ertragen. Wie war das damals noch mit den mickrigen Festgeldzinsen?

 Schwere Zeiten für WCCB-Investor Man-Ki Kim: Eine US-Jury erkannte auf Schadensersatz plus Geldstrafe.

Schwere Zeiten für WCCB-Investor Man-Ki Kim: Eine US-Jury erkannte auf Schadensersatz plus Geldstrafe.

Foto: Sepp Spiegl (Montage: GA)

Hätte man doch bloß ins WCCB investiert und "Heuschrecke" gespielt. Arazim Ltd. (Zypern) machte über das WCCB einen Rendite-Schnitt von 60 Prozent, und Honua (Hawaii) ist gerade dabei, mit in den USA erstrittenen Gerichtsurteilen aus der Verliererrolle herauszutreten.

Rechnet man den jüngsten, noch nicht ganz in trockenen Tüchern befindlichen Deal - weitere drei Millionen für Arazim, um das Grundbuch zu verlassen - zwischen Insolvenzverwalter, Stadt und Sparkasse hinzu, klettert Arazim weit über die 60 Prozent, schwebt vermutlich auf Wolke sieben und hätte einen "Rendite-Award" verdient.

Unterdessen haben die Aufräumarbeiten rund um die juristische Großbaustelle WCCB begonnen. Viele Millionen sind nicht in Stein und Stahl verwandelt worden; sie sind weg. Während die Richter am Ort des Geschehens jeden Stein umdrehen müssen, um den flüchtigen Geist der Korruption zu fassen, zu sezieren und in vom Gesetz verdauliche Bausteine zu sortieren, klagen WCCB-Akteure längst auch gegeneinander.

So hat WCCB-"Investor" Man-Ki Kim eine Klage auf Zypern (Arazim) zustellen lassen, und Honua (Hawaii) hatte Kim & Co. bereits im Juli 2010 in den USA angeklagt. Während in Bonn ein Mammutprozess von offener Dauer droht, um das Tohuwabohu aufzuklären, streitet man fernab der WCCB-Ruine nur um Teilaspekte.

Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess vor dem Zivilgericht in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia, wo es um den mutmaßlichen Betrug Honuas durch Kim mit seiner SMI Hyundai Corporation geht. Jetzt haben die Geschworenen ihr Votum über Schuld und Unschuld gesprochen: Danach kann "mutmaßlich" gestrichen werden.

"Die Jury in Virginia ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Herr Kim persönlich Honua getäuscht hat, und dass er Honua vorsätzlich getäuscht hat, und dass er dafür haftet", so Honua-Anwalt Jan Dirk Heerma von der Berliner Sozietät SJ Berwin gegenüber dem GA auf Anfrage. Heerma: "Denn die Jury hat auch sogenannten Strafschadensersatz zugestanden, den gibt es grundsätzlich nur bei Vorsatz." Und nur im amerikanischen Recht.

Dort waren die "punitive damages" (Strafschadensersatz) lange Zeit gefürchtet, weil manche Jury diese Strafe hochpuschte - weit oberhalb des realen Schadens ("actual damages"). Deshalb hatte der Oberste Gerichtshof der USA seit 2003 Mäßigung empfohlen. Grundsätzlich aber können Zivilgerichte in den USA weiter strafen, was etwa in Deutschland Strafgerichten vorbehalten bleibt (siehe Info-Kasten unten links).

Zum realen Schaden: Verschiedene Honua-Fonds hatten Kims SMI Hyundai Corporation im September 2007 48,2 Millionen Dollar zu 12,5 Prozent Zinsen geliehen. Schon dieser Zinssatz verrät ein Risikogeschäft, denn wie wollte Kim im heiklen und zu Defiziten neigenden Kongressgeschäft diese Rendite erwirtschaften?

Zum Vergleich: Portugiesische Staatsanleihen rangierten am Wochenende ebenfalls in dieser Zinsregion. Kim besicherte die Honua-Schuldverschreibungen mit WCCB-Anteilen. Auch das Unternehmen American Federal Contractors (AFC) von Kims Frau Mimi sowie SMI Hyundai wurden in die Haftung für das Wertpapiergeschäft einbezogen.

Weil die WCCB-Anteile zum Zeitpunkt des Geschäfts längst Arazim gehörten und Kim das verschwiegen hatte, erkannte das Zivilgericht in Alexandria (s. Millionenfalle 69) auf 65,6 Millionen Dollar (inklusive Zinsen) Schadenersatz, den SMI Hyundai und AFC an Honua zahlen müssen. Im zweiten Teil der Klage stand das Wirken Man-Ki Kims im Mittelpunkt. Auch er haftet für den realen Schadensersatz.

Zudem erklärten die Geschworenen Kim für schuldig, Honua betrogen zu haben. Weil sie vorsätzliches Verhalten feststellten, bestraften sie ihn mit "punitive damages": Er bekam die reale Schadenshöhe (ohne Zinsen) noch einmal als Strafschadensersatz aufgebrummt - 48,2 Millionen Dollar. Doch der wird in dieser Höhe kaum bestehen bleiben, weil "im US-Bundesstaat Virginia eine “punitive-damages„-Obergrenze von 350 000 Dollar pro Geschädigtem besteht", sagt James M. Ringer.

Der Honua-Anwalt von der Kanzlei Meister Seelig & Fein LLP in New York rechnet vor: vier Geschädigte à 350 000 Dollar gleich 1,4 Millionen Dollar Strafschadensersatz. Auf diesen Betrag wird der Richter wahrscheinlich den Jury-Spruch nach unten korrigieren.

Kim muss diese 1,4 Millionen Dollar nicht etwa an eine karitative Institution oder den Staat zahlen, sondern "punitive damages" stehen nach amerikanischem Recht unmittelbar dem Geschädigten (Honua) selbst zu. Nur: Kann Kim zahlen? Überhaupt stellt sich die Frage: Wie will Honua die erstrittenen Schadensersatzansprüche in Millionen verwandeln?

Das Unternehmen, das südkoreanische Lebensversicherungsgelder im Bonner WCCB angelegt hatte, wird sich nach dem Alexandria-Urteil an drei potenzielle Kandidaten wenden. Nummer eins: SMI Hyundai Corporation (Reston/USA). Der WCCB-Investor meldete sich kürzlich insolvent - und wird es auch bleiben.

Zwar wäre SMI Hyundai nach dem Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich von allen Verbindlichkeiten befreit, aber nach US-Recht nicht von dem Schadensersatz aus dem Alexandria-Urteil. Nummer zwei: Kim ist nach eigener Darstellung im Bonner Prozess mittellos. Aber das US-Urteil autorisiert Honua nach GA-Informationen, selbstständig und weltweit nach möglicherweise versteckten Geldern zu fahnden.

Nummer drei: Ob die Soldaten-Fortbildungsfirma AFC von Mimi Kim in Erwartung des Urteils seit langem Millionen in sichere Gefilde transferiert hat, soll nach GA-Informationen jetzt ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer feststellen. Von welchem Baum also soll Honua die Früchte des Schadensersatz-Urteils pflücken?

Wenn alle Ernten in Sicherheit gebracht wurden, würde Honua Investments Ltd. in leere Ställe blicken und käme wieder einmal zu spät - wie beim WCCB als "neuer Investor". Zumindest hatte die Stadt Bonn Honua in der Öffentlichkeit hartnäckig so präsentiert.

Selbst als dem kränkelnden WCCB-Projekt acht Tage vor der Kommunalwahl 2009 die Glamour-Fassade weggezogen wurde, sendete das Rathaus weiter die frohe Botschaft, dass die Überweisung weiterer Honua-Millionen unmittelbar bevorstünde. Bereits 25 Tage vor der Oberbürgermeister-Wahl hatte das Bonner Landgericht im WCCB-Eigentümerstreit im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung entschieden: 94 Prozent der WCCB-Anteile gehören Arazim und nicht Honua.

Sollte Honua bei den genannten drei Kandidaten nichts Verwertbares finden, wird das Unternehmen nach GA-Informationen die Stadt Bonn als Schadensersatz-Kandidaten "Nummer vier" anpeilen.

Das erscheint auf den ersten Blick juristisch weit hergeholt. Andererseits enthält der WCCB-Bericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) zahlreiche Indizien dafür, dass die Verwaltungsspitze der Stadt das Wachsen des Gesamtschadens begünstigt haben könnte, indem sie zahlreiche Vertragsverstöße Kims duldete, um das Projekt irgendwie über die Ziellinie zu treiben.

Dabei ist nach heutigem Kenntnisstand unklar geblieben, worin das primäre Ziel genau bestand: Sollte das Projekt um jeden Preis vorangetrieben werden? Oder sollte das unvermeidliche Debakel erst nach der Kommunalwahl öffentlich werden?

Wie das RPA darlegt, wusste die Stadt zum Beispiel sehr früh, dass Arazim UNCC-Hauptgesellschafter geworden war. Dennoch hielt es Ex-OB Bärbel Dieckmann (SPD) Wochen vor der OB-Wahl 2009 für plausibel, in Honua einen uneigennützigen Retter zu sehen. Eine weitere Millionen-Dollar-Überweisung aus Honolulu sollte den Baustopp verhindern. Das Geld kam natürlich nicht.

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