Wer regiert die Stadt Bonn? Über das Spannungsverhältnis zwischen Verwaltung und Stadtrat

BONN · Am autofahrenden Bürger fliegen die Plakate vor einer Kommunalwahl nur so vorbei. In Tempo-30-Zonen kann man sie lesen: "Ein Herz für Bonn" oder "Kompetenz für Bonn". Dazu jeweils ein Gesicht und die Parteikennung.

Wer die meisten Kreuzchen bekommt, ist gewählt - und sitzt für seine Partei fünf Jahre im Bonner Stadtrat und entscheidet eigentlich über alles. Über den Rettungsdienstbedarfsplan genauso wie über die Sanierung von Obdachlosenunterkünften oder die Förderung der Bönnschen Sprache, über Kunstrasenplätze ebenso wie über Theater-Zuschuss oder millionenschwere Projekte wie das WCCB. Damit wird Artikel 20 des Grundgesetzes gelebt: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt." Kommunalpolitik in einem Stadtrat ist Demokratie "ganz unten".

Der Bürger glaubt: In der Ratsversammlung werden die Weichen für seine Stadt gestellt, weshalb solch eine Wahl sehr wichtig sei. Das ist sie auch, denn nebenbei wird auch ein Oberbürgermeister gewählt, der seit 1999 zugleich Chef der Verwaltung ist. Letztere fertigt vor jeder Ratssitzung einen Stapel Papier: Beschlussvorlagen. Eine Verwaltung sagt, was gesetzlich geht und was nicht. In Bonn arbeiten mehr als 4 000 Personen in der Verwaltung. Sie sind nicht gewählt, sondern angestellt, während die 80 gewählten Volksvertreter ehrenamtlich Politiktätige sind. Jeder sogenannte Feierabendpolitiker erhält rund 338 Euro pro Monat plus Fahrgeld und - wenn er anfällt - Verdienstausfall. Mit 21,80 Euro pro Einwohner und Jahr (Verwaltung 800 Euro) fallen die "Demokratiekosten" recht preiswert aus.

Gegenseitige Vorurteile prägen das Spannungsverhältnis zwischen Verwaltung und Politik: Die Verwaltung hält "die Gewählten" für eine Mischung aus Traumtänzern und wankelmütigen Zeitgenossen, die nie das große Ganze, dafür umso mehr ihren Wahlbezirk sehen, während Politiker in Verwaltungsexperten eher visionslose Bedenkenträger sehen, die zwar alle Gesetze und deren Fußnoten kennen, aber vorhandene Ermessensspielräume gerne für eigene Überzeugungen nutzen.

Politiker stören den Verwaltungsalltag: Sie bestellen Mal das (Zahlen), dann jenes (Konzepte). Zudem wollen Politiker, ständig von Sparzwängen geplagt, Stellen in der Verwaltung streichen, weshalb mancher Wunsch im "Kann-warten-Stapel" landet.

Dieser tägliche Clinch ist dem Bürger wenig vertraut. Wenn ihm etwas nicht passt und er von "seiner Stadt" spricht, denkt er zuerst an die Politiker - an die Wahlplakate zwischen Herz und Kompetenz. Offiziell soll eine Verwaltung den politischen und damit Volkes Willen umsetzen. Wer eine Stadt im Klein-Klein des Alltags jedoch wirklich regiert, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Seit das WCCB Staatsanwälte und Richter beschäftigt, die Stadtkasse ungeplant mit Millionen belastet und manch überfällige Sanierungsmaßnahme in der Wiedervorlagemappe bleibt, wuchern Schuld- und Verantwortungsfragen. Und gleich mit: Politikverdrossenheit. Folgt man dem WCCB-Bericht der Rechnungsprüfer, so sind die Ratspolitiker von den Verwaltungsexperten - durch das Verschweigen von bedeutsamen Fakten - betrogen worden. Seitdem herrscht im Rat Verwaltungsverdrossenheit.

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