WCCB in Bonn Offener Brief: OB Jürgen Nimptsch erklärt die Kostenexplosion

BONN · Bonn Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat auf die Kritik an der Kostenexplosion des WCCB reagiert und am Samstag mit einem Offenen Brief Erklärungen und Lösungsansätze geliefert. Wir zeigen Ihnen nachfolgend das Schreiben im Originallaut.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit meinem heutigen Brief möchte ich Sie aus erster Handüber die aktuelle Diskussion zur Fertigstellung des Erweiterungsbaus des WorldConference Center Bonn und seines Umfeldes informieren. Mir ist dieseunmittelbare Information besonders wichtig, damit Sie die Überlegungen undBeweggründe kennen, die die Verwaltung veranlassen, jetzt den Vorschlag zumachen, den ich Ihnen im Folgenden detailliert erläutere.

Die Verwaltung hat unter meiner Leitung in den letzten Tagenmit Hochdruck – ganz besonders auf dem Hintergrund des verantwortlichen Umgangsmit dem städtischen Haushalt – alle Zahlen zur Darstellung der Kosten desWeiterbaus immer wieder geprüft, gegengerechnet, plausibilisiert undverifiziert. Die Termine zur Präsentation für die Gremien der Politiksind mit den Verantwortlichen in den Fraktionen abgesprochen worden. GesternAbend hat der Unterausschuss eine erste Lesung der vier von der Verwaltungerstellten umfangreichen Vorlagen durchgeführt. Wenn vor diesem Hintergrundeine Bonner Zeitung behauptet, der Oberbürgermeister würde Informationenzurückhalten und betreibe eine Art Geheimnisstrategie, muss ich diese Vorwürfeals völlig absurd zurückweisen.

Es war kein leichtes Erbe und ein besonders schwierigerInsolvenzfall, aber jetzt kann ich sagen, wie wir unseren Teil des 2002geschlossenen Bellevue-Vertrages erfüllen können. Deutschland braucht Bonn alsStadt der Vereinten Nationen, und die Vereinten Nationen brauchen einhochmodernes Konferenzzentrum. Wir machen es uns nicht leicht, solche Summen zuinvestieren, eben weil die Haushaltslage insgesamt schwierig ist und an vielenStellen Einsparungen nötig sind. Es geht jedoch um ein Projekt, das erheblichzur Zukunftsfähigkeit der Stadt beiträgt und zu dessen Realisierung wir unsbereits 2002 im so genannten Bellevue-Vertrag verpflichtet haben. Wir sichernund wir schaffen hier Arbeitsplätze in der ehemaligen Bundeshauptstadt, diejetzt deutsche Stadt der Vereinten Nationen ist.

Es ist genug Schatten auf das World CC Bonn gefallen, wirstellen daher an die Fertigstellung höchste Ansprüche – Sorgfalt geht vorSchnelligkeit -, damit ein modernes, attraktives und sorgfältigerstelltes Gebäude entsteht, das sich ab 2015 am Markt behaupten kann und vondem wir alle viele Jahrzehnte profitieren werden; wir gehen nach einemGutachten der renommierten Beratungsgesellschaft PwC davon aus, dass dergesamte Bereich „Internationales“ mit dem Konferenzzentrum und der Arbeit allerhier tätigen Organisationen dann eine Umwegrendite von jährlich € 114 Mio.ergibt, was erheblich zur Wirtschaftsstärke und Zukunft unserer Stadt beitragenwird.

Bei den Fertigstellungskosten für das Konferenzzentrumkönnen die reinen Baukosten (€ 30,48 Mio.) unddie Ausstattung (€ 4,0 Mio.) als „gesetzt“ angesehen werden. Hinzu kommen nachVorschlag der Verwaltung folgende Positionen, die im Ergebnis zu einer Erhöhungauf rund € 59 Mio. führen:

1. Professionelle Steuerung des Baus durch einenGeneralunternehmer (€ 5,75 Mio.)

Anders als bei Baubeginn des World CC Bonn 2007 praktiziert,der von einem kleinen städtischen Projektteam begleitet wurde, hat dieVerwaltung beim Weiterbau von Beginn an externe Experten verpflichtet. DieErhebung des Bautenstandes und die Projektsteuerung liegen in den Händen vonrenommierten Architektenbüros (Heinle-Wischer, Ernst & Young); für denWeiterbau erfolgt eine Ausschreibung zur Gewinnung eines führendenGeneralunternehmers. Dadurch kann die aufwändige Einzelvergabe und die Einstellungvon zusätzlichem Personal vermieden werden; erreicht wird gegenüber derEinzelvergabe dadurch auch eine Verkürzung der Fertigstellungszeit um rundsechs Monate.

2. Nachträgliche Teilung des großen Saales (€ 2,49 Mio.reine Baukosten)

In Abstimmung mit dem Bund und den Vereinten Nationen sollnachträglich eine Teilungsmöglichkeit für den großen Saal geschaffen werden, umdamit eine größere Flexibilität bei der Nutzung des Konferenzzentrums zuerreichen. Die Vereinten Nationen wollen zukünftig mehr kleinere Konferenzenmit einigen tausend Teilnehmenden in Bonn durchführen als ursprünglichbeabsichtigt, da sich die Durchführung von Mammutkonferenzen mit 20.000Teilnehmenden nicht bewährt habe. Dies führt zu einer größeren Nachfrage beiÜbernachtungen und zu einer höheren Umsatzrendite bei der gesamtstädtischenWirtschaft. Zur Umsetzung dieser neuen Maßnahme sind umfangreiche Arbeitenerforderlich, die zu einem Zeitverlust von einigen Monaten führen, der aber vomWeltklimasekretariat der Vereinten Nationen mitgetragen wird; damit ist voneinem Fertigstellungstermin bzw. einer Nutzbarkeit im Januar 2015 auszugehen.

3. Verbesserung der Belastungsfähigkeit des Bodens im Foyer(€ 0,3 Mio. reine Baukosten)

Die Belastungsfähigkeit des Bodens ist rein auf die Nutzung durchKongressteilnehmer ausgerichtet; bei einer stärkeren Belastung, wie sich beieiner Nutzung als Ausstellungsfläche ergeben kann, könnte der Belag Risseaufweisen. Das Konferenzzentrum kann mit einer größeren Nutzungsbreite auch fürdas Foyer aber besser vermarktet werden, z.B. für Präsentationen eines neuenAutomobils.

4. Außenanlagen (€ 2,22 Mio. reine Baukosten)

Es ist wichtig, dass auch die Außenanlagen dem durch dasParlamentsgebäude und den UN Campus vorgegebenen höchsten gestalterischenStandard und Sicherheitsanforderungen entsprechen.

5. Umplanung der Küche (€ 0,46 Mio. reine Baukosten)

Die vorhandene Küche wird als unzureichend angesehen(Schallschutz, Zuführung der Speisen über Freiflächen und mit zu geringerAufzugkapazität).

6. Baunebenkosten für Planung u.a. (€ 13,3 Mio.)

Wie üblich sind Kosten für die planerische Vorbereitung undUmsetzung der Vorhaben anzusetzen.

Die Verwaltung schlägt vor, zusätzlich zu den so ermitteltenrund € 59 Mio. einen Risikozuschlag in Höhe von € 7,52 Mio. vorzusehen. Niemandmöchte sich eventuell später dem Vorwurf ausgesetzt sehen, unvorhergeseheneNachträge anmelden zu müssen.

Demgegenüber stehen kostenmindernde Vorschläge derVerwaltung, wie etwa der Verzicht auf die Investition zur Verbesserung der akustischenQualität (Konzerttauglichkeit (€ 2,2 Mio.). Zurückzustellen ist die Verkleidungder Fassade des Parkhauses (€ 1,5 Mio.), da letztere zu auch zu einem späterenZeitpunkt umgesetzt werden kann. Ob eine Reihe von weiteren Einsparpotenzialenbei baulichen Maßnahmen im Gesamtvolumen von rund € 1 Mio. genutzt werden kannbzw. sollte, ist den weiteren Beratungen und Untersuchungen vorbehalten(Barrierefreiheit, Trinkwasserleitungen, Wandverkleidungen, Ausstattung derAbgeordnetenhäuser).

Zusätzlich, kostet die neben der Fertigstellung desKonferenzzentrums erforderliche Kernsanierung der Abgeordnetenhäuser rund €8,74 Mio. Zum Erhalt dieser denkmalgeschützten Bauwerke hatte sich die Stadtbereits vor vielen Jahren verpflichtet und im Gegenzug den notwendigen Abrissder ebenfalls denkmalgeschützten Villa Dahm (ehemaliger Sitz der DeutschenParlamentarischen Gesellschaft) erreicht, deren Grundstück für Errichtung desKonferenzzentrums erforderlich war.

Die sich hieraus ergebenden Gesamtkosten für dieFertigstellung des Konferenzgebäudes und des Parkhauses sowie die Kernsanierungder Abgeordnetenhäuser belaufen sich auf € 76,8 Mio., von denen € 17 Mio. (14 +3) auf Intervention der Verwaltung durch Bund und Land NRW übernommen werden,und € 10,7 Mio., die der Stadt Bonn, wie vertraglich vereinbart, nach derGesamtfertigstellung durch das Land NRW zufließen. Diese Gesamtsumme wird somitnicht ausschließlich aus kommunalen Mittel finanziert werden müssen, da überdie zuvor genannten Zuschüsse rund 36 Prozent der Fertigstellungskosten durchBund und Land getragen werden.

Stadtkämmerer Professor Dr. Ludger Sander erläutert dieKostensituation so: „Wir haben im Haushalt 2013/14 insgesamt € 60 Mio. für dieFertigstellung verfügbar, bestehend aus € 51,5 Mio. im aktuellen Haushalt und €8,5 Mio. Haushaltsresten aus 2012. Insbesondere durch die von den VereintenNationen gewünschte Saalteilung verlängert sich die Bauzeit dergestalt, dassdie Fertigstellung erst unmittelbar zu Beginn des Jahres 2015 erfolgen kann. Obdie in den Jahren 2013 und 2014 anfallenden Kosten der Fertigstellung über denHaushaltsansatz einschließlich der Haushaltsreste abgebildet werden können,bleibt abzuwarten. Gegebenenfalls sind Mittel überplanmäßig bereitzustellen. Umdie in 2015 anfallenden Kosten sowie die Schlussabrechnung der Baumaßnahme, dieallen Erfahrungen nach dann erst im Laufe des Jahres 2015 erfolgen wird,begleichen zu können, wird die Verwaltung die benötigten Finanzmittel zumHaushalt 2015 anmelden. Die erforderlichen Haushaltsmittel zur Fertigstellungwären, die Zustimmung des Rates vorausgesetzt, somit vorhanden“.

Die Verwaltung war bei ihren Haushaltsplanungen in derschwierigen Lage, einen Betrag für die Fertigstellung eines Gebäudesbereitstellen zu müssen, dessen genauen Zustand sie nicht kennen konnte.Grundlage der städtischen Haushaltsplanung waren die von PwC in 2010 für denHeimfall ermittelten Kosteneinschätzungen, aus denen sich € 51,5 Mio. netto alsmögliche Fertigstellungskosten ergaben. Infolge der Insolvenz basierte dieseKosteneinschätzung auf lückenhaften Kenntnissen der Planungsunterlagen und desBautenstandes, sodass eine echte Kostenschätzung auf der Grundlage einerIngenieur- und Architekturplanung erst jetzt vorliegen kann.

Sie erhalten diese Information noch vor Beginn derPressekonferenz, die ich heute um 12 Uhr gebe. Wenn Sie sie verfolgen möchten,können Sie dies unter www.bonn.de tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Jürgen Nimptsch
Oberbürgermeister

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