WCCB in Bonn Neue Erkenntnisse - Marketing-Konzept war "unzureichend"

BONN · Der dritte Prüfbericht zum World Conference Center Bonn (WCCB) des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) offenbart komplizierte Beziehungen und heikle Geschichten. Eine beginnt für die RPA-Prüfer am 27. Mai 2010 mit zwei Schränken. Die stehen in Etage 12B des Stadthauses. Inhalt: Originalakten der städtischen WCCB-Projektgruppe.

Dabei fand das RPA "auch Aktenordner, die in der Ordnerliste, welche wir zur “WCCB-Prüfung„ von Frau Zwiebler (Leiterin Projektgruppe/Anm. d. Red.) erhalten haben, - trotz Vollständigkeitserklärung vom 4.6.2009 - nicht aufgeführt waren." Die Liste von Eva-Maria Zwiebler habe etwa nur den Ordner "Entscheidungsvorlagen" enthalten.

Das RPA: "Auf Etage 12B fanden wir darüberhinaus den Ordner “Entscheidungsvorlagen II„." Dazu lagen "in Kartons noch lose Unterlagen". Aus der Tatsache, dass hier keine Kopien standen, schlossen die Prüfer, dass die Staatsanwaltschaft davon "keine Kenntnis" hatte. Der Fund wird den WCCB-Krimi - in Teilen - neu schreiben.

Im Herbst 2006: Die Stadt hat mit einem Habenichts als Investor ein Riesenprojekt begonnen und kein Geld, es über eingekaufte Profession angemessen zu kon-trollieren. Auf beiden Seiten des Rheins dreht sich zu dieser Zeit weder ein Baukran für das WCCB noch für das Kameha Grand Hotel. Was der Fluss trennt, verbindet auf mysteriöse Weise der Anfang März 2006 zwischen Kim (SMI Hyundai Corporation) und Stadt unterzeichnete Projektvertrag.

Die Stadt grübelt: Sie hat sich darin verpflichtet, Kim "über alle relevanten Änderungen der Stadtentwicklung" zu informieren. Bald ist das "Kameha" genehmigt, doch Investor Jörg Haas begehrt mit seiner Firma BonnVisio nun 257 Zimmer - rund 50 Zimmer mehr als genehmigt. Die Stadt fragt sich: Was wird Kim zu dem Konkurrenzobjekt sagen? Hat er überhaupt ein Mitspracherecht? Wird er eine Kompensation verlangen?

Zwischen allen Beteiligten entwickelt sich ein reger Mailverkehr. Kim schreibt am 6. Juni 2007 an OB Bärbel Dieckmann und Arno Hübner, Stadtdirektor und Mitglied der Projektgruppe: Er könne der Kameha-Zimmererhöhung nur zustimmen, "wenn dies zu einer substanziellen Verbesserung unserer wirtschaftlichen Situation führt". Der Kameha-Bau hat längst begonnen, als Zwiebler am 5. Oktober 2007 OB Dieckmann mailt: Sie schlägt ein "Bonn Convention Bureau" (später Bonn Conference Partners/Anm. d. Red.) vor, "damit es den Kongressstandort Bonn vermarktet. (...)

Die Stadt und SMI müssen das Sagen in dieser neuen Gesellschaft haben!" Dafür müsse "dann auch Herr Haas zahlen (und nicht zu knapp), aber ohne besondere Mitspracherechte dafür zu bekommen. Ein “kleines Faustpfand„ gegenüber Herrn Haas haben wir noch in der Tasche: Haas möchte nunmehr 257 Zimmer bauen." Im Gegenzug soll er 200.000 Euro pro Jahr zum "Convention Bureau" beisteuern. Das klingt nach Erpressung.

Haas reagiert: BonnVisio sei der Rechtsauffassung, dass die Stadt Bonn "nicht derart in den Wettbewerb des Hotelmarktes in Bonn eingreifen und ihn regulierungstechnisch künstlich verkleinern" dürfe. Man könne "die Angelegenheit gerichtlich klären lassen". Am 22. November 2007 entwirft Zwiebler eine Antwort an Haas, die sie zuvor Hübner zeigt. Botschaft: Die 257 Zimmer sollen genehmigt werden.

Hübner meint: Man müsse "Haas aber noch mündlich klar machen", dass er "noch nicht verkünden darf, dass er die Genehmigung der Stadt erhält. Das geht erst, wenn wir Kim eingestimmt/eingekauft haben." Das RPA: "Frau OB Dieckmann vermerkte handschriftlich auf diesem Schreiben: “Ich stimme nur mit erheblichen Vorbehalten, gegen meine Überzeugung zu.„"

Letztlich wird das Kameha im Rahmen seiner Mitgliedschaft bei den Bonn Conference Partners (BCP) einen Jahresbeitrag von 100.000 Euro zahlen - und bald kündigen, weil die BCP zu sehr von Stadt- und WCCB-Interessen dominiert sei. Innerhalb der Verwaltung herrscht indes keineswegs ein Konsens darüber, dass SMI/Kim im "Fall Kameha" eine Kompensation zusteht. Hinzu kommt: Erlaubt ein Bebauungsplan eine Hotelnutzung, entsteht ein Rechtsanspruch; die Stadt muss einen Antrag dann genehmigen.

Der Kotau vor Kim erstaunt auch deshalb, weil er seit Mitte 2007 längst ein säumiger Investor ist. Das Eigenkapital fehlt, und im WCCB-Grundbuch steht eine Firma namens "Arazim". Trotzdem bleibt der rote Teppich für Kim ausgerollt: Anfang April 2008 beschließt der Hauptausschuss, Kims Firmengruppe über 2008 hinaus bis 2010 einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 600 000 Euro für den Betrieb der WCCB-Bestandsgebäude (Alter Plenarsaal, Wasserwerk) zu zahlen.

Zusätzlich wird ein jährlicher Marketingzuschuss von einer Million Euro bewilligt. Dessen zweckgebundene Verwendung, versichert die Verwaltung, werde "kontrolliert". Das alles passiert, obwohl das Marketingkonzept (siehe Text unten links) kaum geeignet ist, den Zuschuss zu rechtfertigen.

Ein Passus im Begründungspapier wird jedoch auf Rat der Stadtkämmerei gestrichen: "Dass es sich bei diesem Zuschuss um eine Kompensation handelt, die über den geschlossenen Projektvertrag hinausgeht." Im Klartext: Das ist der Preis für Kims Zustimmung zur Kameha-Erweiterung, was aber nicht jeder wissen muss.

Die Stadt will den Marketingzuschuss nicht mehr Kims SMI Hyundai Management GmbH, 2007 gegründet für den WCCB-Betrieb, zukommen lassen. Zwiebler empfiehlt stadtintern: "Stillschweigend liquidieren." Sie teilt Kim am 20. August 2008 mit, dass die neue WCCB Management GmbH auch den Zweck habe sicherzustellen, "dass die öffentlichen Gelder, die dort einfließen, auch nur für das Projekt WCCB verwandt werden". Doch Kim sperrt sich.

Dennoch startet am 1. September 2008 die neue WCCB GmbH. Dort sind nun der ehemalige Stadtberater Michael Thielbeer, der vor Gericht gegen Zahlung von 150.000 Euro laufen gelassen wurde, und Matthias Schultze die Geschäftsführer. Beide liegen längst überkreuz mit Kim.

2008 ist überhaupt das Jahr, in dem das WCCB hinter den Kulissen als sinkender Tanker gilt. Hübner arbeitet an Worstcase-Szenarien, OB Dieckmann will nicht mehr kandidieren, und Zwiebler schreibt Kim, dass Thielbeer und Schultze "unser volles Vertrauen genießen". Ausgerechnet Thielbeer, der der Stadt einst Kim/SMI auf dem Tablett serviert hatte - und später große Summen abkassierte.

WCCB-Bauunternehmer Young-Ho Hong hatte vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass Thielbeer ihn "ausgebeutet" habe: "Er hat mich richtig geschröpft." Hong, inzwischen selbst wegen Betrugs angeklagt, gab ferner zu Protokoll, dass Thielbeer berichtet habe, was Kim alles über SMI Hyundai Management abrechnete: "Die Tanzstunden und das Schulgeld seiner Kinder", vermutlich auch Mitarbeiterflüge nach Libyen, wo Kim das nächste Projekt in Angriff nahm. Hongs Eindruck war, dass Hübner und Zwiebler das schon Ende 2007 wussten.

Am 19. September 2008 feiert Bonn sein WCCB-Richtfest. Es herrscht - gespielter - Frohsinn. Fünf Tage später überweist Zwiebler, so das RPA, "295.000 Euro Marketingmittel an die WCCB GmbH", obwohl sie einen Monat später "anmerkt, dass die Betriebsübernahme durch die WCCB GmbH derzeit von der Stadt "geduldet" sei und es noch keine "offizielle Zustimmung" gebe." Also Zahlung vor Zustimmung. Es gab Unwägbarkeiten, ob der Betreiberwechsel rechtmäßig war, aber wo kein Kläger, da kein Streit. Ein möglicher Kläger wäre Kim gewesen, doch dessen Klagebereitschaft war gedämpft; er erhielt nun 23.000 Euro pro Monat als Berater von der neuen Gesellschaft.

Das RPA kritisiert in seinem Report "Marketingzuschuss WCCB", dass an die WCCB GmbH nie ein Zuwendungsbescheid ergangen sei - "ein absolutes Versäumnis". Das wäre die Eintrittskarte dazu gewesen, um "die Bücher einzusehen". So überrascht es heute wenig, dass aus der Firma 42 Prozent für unbelegte Personalkosten abflossen.

Die Bewertung des Marketing-Konzepts

Grundlage zur Bewilligung des Marketing-Zuschusses war ein Marketing-Konzept. Es war 2007 offenbar von dem Kongress-Experten Matthias Schultze (SMI Hyundai Management GmbH / ab 1. September 2008 Mit-Geschäftsführer der WCCB Management GmbH) ausgearbeitet worden.

Die Stadt hat es von der Symbios AG prüfen lassen. Ergebnis: In fünf von acht Kriterien "unzureichend". Eva-Maria Zwiebler mailt ihrem Kollegen Arno Hübner: Sie habe einem Symbios-Mitarbeiter erklärt, "dass eine negative Bewertung schlecht für unsere Akten ist". Die Firma schlägt einen - kostenpflichtigen - Besprechungstermin mit Schultze vor. Doch dieser Termin wäre, so Zwiebler "nur gut für unsere evtl. spätere Rehabilitation".

Das RPA: "Trotz Kenntnis der Bewertung des Marketingkonzeptes WCCB durch die Fa. Symbois zeichnete Frau Zwiebler federführend am 14.3.2008 die Beschlussvorlage für den Betriebskosten-/Marketingzuschuss."

Nachdem der Marketingzuschuss von einer Million Euro pro Jahr im April 2008 beschlossen wurde, bewertet eine Mitarbeiterin des Presseamtes im Mai 2008 das Konzept. Sie meint zu den aufgeführten Personalkosten: "Hier wird nicht deutlich, ob es sich um wirkliche Spitzenkräfte mit Key-Account-Referenzen handelt - ist eher nicht anzunehmen." Zum WCCB-Flughafenbanner: Das mache ca. 20 Prozent des jährlichen Gesamtetats aus und "birgt einen solch hohen Streuverlust, dass es geradezu “das Geld mit vollen Händen zum Fenster herausgeschmissen ist„ = absoluter Mist!!! (...) Das zeigt, dass die keine Ahnung haben."

Umstrittenes Marketing via Ausgleichstopf

Die Herkunft des Marketing-Zuschusses wird in der Begründung zur Beschlussvorlage als "Sonderzahlung der Stadt" bezeichnet. Tatsächlich stammt das Geld aus der WCCB-Rücklage des Bonn-Berlin-Ausgleichstopfes. Die Rücklage darf die Stadt für Betriebsdefizite und Erhaltung des WCCB (vormals IKBB) nutzen, in diesem Sinne auch für die Bestandsbauten. Für Marketingzwecke steht da nichts. Vom Marketingzuschuss zahlte die WCCB Management GmbH auch ihren Jahresbeitrag von 100 000 Euro an die Bonn Conference Partners (BCP), während das Kameha den selben Beitrag aus erwirtschafteten Umsätzen zahlen musste.

Das RPA hält es für "nicht rechtens", die BCP-Gesamtaktivitäten im Volumen von 300 000 Euro durch einen WCCB-Beitrag von 100 000 Euro, "also zu einem Drittel, mit Bundes- und Landesmitteln aus der Rücklage zu unterstützen".

OB Jürgen Nimptsch (SPD) hat in seiner Stellungnahme zum RPA-Report festgestellt, dass das Bundesverwaltungsamt (BVA) die Vorgänge geprüft habe und zu dem Ergebnis komme, "dass die auf den Zweck der Rücklage beschränkte Mittelverwendung durch den Marketingzuschuss selbst eingehalten war". Der von Nimptsch beauftragte strafrechtliche Berater bestätigt das in einem Aktenvermerk, merkt jedoch an: "Nicht (ausdrücklich) geprüft hat das BVA, ob bzgl. des Prüfungszeitraums innerhalb der Stadt Bonn eine ordnungsgemäße Prüfung der Mittelverwendung erfolgte."

Am 17. März 2009 hatte das für den Ausgleichstopf zuständige Bundesbauministerium an die Stadtkämmerei gemailt: "Im Fall einer zweckwidrigen, einseitigen Entnahme von Mitteln aus der Rücklage durch die Bundesstadt Bonn entsteht (...) ein Anspruch (...) auf volle Rückerstattung (...) Bereits die Mittelentnahme für eine Anschubunterstützung für Marketingaktivitäten war nur durch eine extensive Auslegung (...) der IKBB-Vereinbarung zu verantworten und muss eine einmalige Ausnahme bleiben."

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