WCCB Führung durch einen Skandalbau - VHS hatte eingeladen

BONN · Es ist eine Stimmung wie vor einer Ausstellungseröffnung. Mehr als 50 Männer und Frauen warten gespannt auf die Führung über die Baustelle des World Conference Centers Bonn (WCCB). Viele von ihnen haben die Serie "Die Millionenfalle" des General-Anzeigers aufmerksam verfolgt und sind über Details des Bauskandals gut informiert.

 35 Gäste waren vorgesehen, 50 durften schließlich mit auf die WCCB-Baustelle.

35 Gäste waren vorgesehen, 50 durften schließlich mit auf die WCCB-Baustelle.

Foto: Horst Müller

"Ich habe mich aus purer Neugierde bei der Volkshochschule für die Führung angemeldet", sagt der Kessenicher Hans Walther Schulten.

Durch das WCCB geleitet Thomas Böckeler von der WCCB-Projektgruppe. Fragen nach der unrühmlichen Vergangenheit des Projekts weicht er aus. VHS-Chefin Ingrid Schöll erklärt: "Hier geht es mehr um die Architektur, um das, was das WCCB in Zukunft für Bonn bedeutet". Und als einige wissen wollen, was mit dem WCCB-Hotel nebenan geschieht, rät sie: "Kommen Sie in die Stadtratssitzungen, da wird eifrig darüber gesprochen." Zur Debatte steht ein Verkauf des Hotels.

WCCB-Fachmann Böckeler berichtet, wie es zum Baustopp und dem Desaster um den einstigen "Investor" Man-Ki Kim kam. Als er erwähnt, der WCCB-Konferenzbereich sei laut Generalplaner zu 66 Prozent fertig und solle Anfang 2015 in Betrieb gehen, schmunzelt Georg Knauer. Der 76-Jährige ist VHS-Stammgast. "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagt er. Und auch als Böckeler die vom Stadtrat festgelegte Fertigstellungssumme von 65 Millionen Euro fürs Konferenzzentrum nennt, schüttelt er den Kopf. "Auf einmal wollen die die Kosten im Griff haben?"

Richtig zufrieden mit der Führung ist Dirk Bahrouz. Der 42-Jährige ist Erdkundelehrer am Clara-Schumann-Gymnasium und hätte sich gewünscht, seine Klasse wäre bei der Führung dabei gewesen. "Die hätten alle sofort zugesagt", bedauert er. Doch das sei terminlich nicht unter einen Hut zu bringen gewesen. Bahrouz Vater war früher als Polizist im Plenarsaal tätig. "Das macht für mich das ganze Areal hier sowieso so spannend", sagt er.

Böckeler berichtet, dass der Kongress-Saal auch konzerttauglich gemacht werden soll (siehe unten). "Eine sehr gute Lösung", sagt er. Mit Staunen begutachten die Besucher die mobilen Hubpodien im Parkettboden des großen Saals. "Die Steuerungselektronik fehlt noch", sagt Böckeler. "Und die Dolmetscherkabinen sind erst im Rohbau fertig. Dort ist noch keine Technik installiert."

Auf die Frage, wie die Nutzung des Saals durch die UN und andere Tagungen koordiniert werden soll, sagt VHS-Leiterin Schöll: "Die UN hat stets Vorrang." Dennoch gebe es sicher genügend Kapazitäten für andere Nutzungen, die Nachfrage sei jetzt schon sehr groß.

"Das ist den meisten Bonnern nicht klar, wie sehr Kongressteilnehmer diese Lage unmittelbar am Rhein schätzen", sagt Böckeler und verrät, dass im November zum Beispiel die Grünen ihren Sonderparteitag im alten Plenarsaal abhielten. "Bleibt denn die Straße öffentlich?" will eine Frau angesichts des hohen Sicherheitsbedürfnisses der UN wissen. "Für Fußgänger und Radfahrer auf jeden Fall", erklärt Böckeler.

Nach einer Stunde ist die Führung beendet. "Das war interessant", sagt Wilfried Krämer (72). "Jetzt verstehe ich, wie wichtig es für Bonn ist, dass das WCCB fertiggebaut wird." Ob es auch 2014 Führungen geben wird, kann Schöll nicht versprechen. "Wenn wie geplant die Bauarbeiten starten, eher nicht", sagt sie. Allerdings plane sie Informationsveranstaltungen an anderer Stelle: Bei all den negativen Nachrichten, die das WCCB in der Vergangenheit produziert habe, sei es wichtig, den Bürgern die positiven Seiten dieses Projekts näherzubringen.

WCCB als Konzertsaal

Aufgrund der geplanten Grundsanierung der Beethovenhalle benötigt die Stadt für das Beethoven Orchester und das Beethovenfest voraussichtlich für zwei, drei Jahre eine Ersatzspielstätte. Der Rat hat beschlossen, den WCCB-Erweiterungsbau technisch so aufzurüsten, dass dort auch klassische Konzerte stattfinden können. Die Mehrkosten werden auf 2,4 Millionen Euro taxiert.

Die Herrichtung der Oper als Konzertsaal wäre der Verwaltung zufolge deutlich teurer geworden, weil unter anderem für permanente Um- und Aufbauarbeiten in der Oper zusätzliches Personal nötig wäre. Eine für drei Jahre zu errichtende Ersatzkonzerthalle würde 10 Millionen Euro kosten.

Nach der aktuellen Planung sollen bewegliche Trennelemente den 62 Meter breiten Kongress-Saal unterteilen, um rund 1400 Konzertbesuchern Platz zu bieten. Das entspricht etwa der Kapazität der Beethovenhalle. Die Teilbarkeit des großen Saals ist auch ausdrücklicher Wunsch der UN. In die Trennwände sollen kleine Lautsprecher gebaut werden, um den Nachhall zu verlängern. So ließen sich Klangerlebnisse erzielen, die denen eines Konzertsaal oder einer Philharmonie gleichkäme.

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