WCCB Dringlichkeitsbeschluss kippt am Nachmittag

BONN · Am Dienstagmorgen sollte die Sache eigentlich schon geritzt sein. Per Dringlichkeitsbeschluss wollte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch sicherstellen, dass die Stadt Bonn rund 842.225 Euro Anwaltskosten für die früheren städtischen WCCB-Beauftragten Arno Hübner und Eva-Maria Zwiebler im laufenden Prozess wegen Untreue und Betrugs übernimmt.

Das würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Angeklagten der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage zustimmen, wie es der Vorsitzende Richter Jens Rausch vorige Woche angeregt hatte. Ursprüngliche Entscheidungsfrist: bis zur Sitzung am Dienstag.

Am Samstag schrieb Nimptsch eine Mail an die Ratsfraktionen. Einer Verfahrenseinstellung wolle Hübner nur zustimmen, wenn vorher die Kostenübernahme besiegelt sei, so der OB. Er bitte deshalb um eine Entscheidung bis Montag um 20 Uhr. Für eine Dringlichkeitsentscheidung gibt es hohe Hürden, sie muss gut begründet sein.

Nimptsch argumentierte in seiner Mail damit, "dass ein langjähriger Rechtsstreit nun schnellstmöglich beigelegt werden sollte und wir unseren Beschäftigten aus Fürsorgegründen keinen Tag länger als unbedingt erforderlich zumuten wollen".

Sofern sich eine Ratsmehrheit für die Kostenübernahme abzeichnet, ist für einen Dringlichkeitsbeschluss nur die Unterschrift eines einzelnen Stadtverordneten nötig. Wie der Rat am Donnerstag in nichtöffentlicher Sitzung tatsächlich abgestimmt hätte, wäre dann faktisch egal: Mit den Unterschriften hätten Hübner und Zwiebler einen Rechtsanspruch auf die Zahlung gehabt.

Bis zum Nachmittag sah es am Montag so aus, als würde es genauso laufen. Doch dann trafen sich die Spitzen der Ratskoalition mit Nimptsch zum Gespräch - und stellten viele Fragen. Es waren nach GA-Informationen vor allem die Grünen, die den Vorgang kritisch bewerteten.

"Es fehlen Informationen", erklärte auch FDP-Fraktionschef Werner Hümmrich im Anschluss. "Wir wollen zum Beispiel wissen, welchen Kostenanteil das Land tragen würde, wenn es am Ende einen Freispruch gäbe."

Auch über eine mögliche Eigenbeteiligung von Hübner und Zwiebler herrsche Unklarheit, so Hümmrich. Ähnliche Bedenken hatte der Linken-Fraktionsvorsitzende Michael Faber, der an dem Gespräch nicht teilgenommen hatte.

Die Landesrichtlinie sehe eine vollständige Kostenübernahme nur in Ausnahmefällen vor, sagte Faber dem GA. Diesen habe die Verwaltung aber bisher nicht ausreichend begründet. Faber wollte eine Zustimmung im Rat keineswegs ausschließen, wehrte sich aber gegen den aufgebauten Zeitdruck.

Am Ende der Koalitionsrunde dann die plötzliche Wende: Nimptsch erklärte CDU, Grünen und FDP, dass Richter Rausch bereit sei, die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung zu verschieben. Rausch plane heute nur eine Anhörung. Diese Information mailte die Verwaltung um 17.13 Uhr allen Fraktionen zu.

Alle Informationen zum Thema gibt es in unserem Themenspecial "Millionenfalle WCCB".

Dringliche Entscheidungen

Dringlichkeitsentscheidungen sind in Paragraf 60 der Gemeindeordnung NRW geregelt. Sie sind zulässig, wenn sonst "erhebliche Nachteile oder Gefahren entstehen können". Unterschreiben muss in Bonn der OB oder sein Vertreter sowie ein Ratsmitglied. Die Entscheidung muss dem Rat in der nächsten Sitzung vorgelegt werden. Dieser kann sie aber nur dann aufheben, wenn "nicht schon Rechte anderer durch die Ausführung des Beschlusses entstanden sind".

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