Bonner Planwirtschaft Bonns "Leistungsträger" sahen Zukunftsprojekt WCCB früh kritisch

Bonn · Kaum erblickte der dritte Report des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) zum World Conference Center Bonn (WCCB) das Licht der Öffentlichkeit, erregte sich das politische Bonn. Der dreigeteilte Report umfasst rund 800 Seiten und beäugt eher die Portokasse als die großen aus dem WCCB-Labyrinth weggeflossenen Millionenströme.

Es geht um "nur" eine Million Euro pro Jahr, die die Stadt Bonn als zusätzlichen Marketingzuschuss der ab September 2008 tätigen WCCB Management GmbH bewilligte. Den untersuchte das RPA ebenso wie "die städtischen Mittelabflüsse an die Bonn Conference Partners" (BCP). Die WCCB GmbH sollte den Zukunftsbau via BCP in aller Welt vermarkten, damit eines Tages tatsächlich 200.000 Tagungsgäste in Bonn für Umsatz und Umwegrendite sorgen, wie es in schillernden Präsentationen versprochen wurde.

Das RPA zog das Fazit: "Wie (...) aufgezeigt, war die WCCB GmbH auf Zuschusszahlungen angewiesen, um ihre Allgemeinkosten zu decken. Insoweit wurden 446.000 Euro - fernab von konkreten, nachvollziehbaren Marketingmaßnahmen - mit nicht belegten Personalkosten abgerechnet. Damit handelt es sich um eine Anschubfinanzierung für den Betrieb der WCCB GmbH, nicht jedoch um eine Anschubfinanzierung für Marketingaktivitäten."

Das bestätigt auch die erste Zahlen-Anamnese des späteren Insolvenzverwalters Christopher Seagon, die dem GA vorliegt. Botschaft: ohne Zuschüsse nicht lebensfähig. Doch selbst mit Zuschüssen reichte es nicht, weshalb die WCCB GmbH ihre Kosten für Fernwärme und Wasser - "im Jahr 2008 rund 840.000 Euro" (Seagon) - aus der Baukasse Man-Ki Kims zahlen ließ. Ein buntes Durcheinander. Warum Kim das zuließ oder gar nicht merkte, ist eine offene Frage, und ob die exorbitanten WCCB-Geschäftsführergehälter die Talfahrt beschleunigten, ist eine ganz andere Frage.

War der "Marketingzuschuss" also ein Trick der Stadt, um die WCCB GmbH mit einem Griff in den Ausgleichstopf (s. GA-Teil II zum 3. RPA-WCCB-Bericht) überlebensfähig zu halten? Oder war die Stadt den eloquenten WCCB-GmbH-Chefs auf den Leim gegangen?

Gleichzeitig forcierte die Stadt die Aktivitäten der BCP unter dem Dach der stadteigenen Ticket & Congress GmbH. Von hier aus sollte das Marketing für Kongresse Bonn betrieben werden. Es gab in der Anfangsphase, so das RPA, zwölf Gründungsmitglieder von Hotels über Caterer bis Konferenztechnik-Dienstleister. Kleinster gemeinsamer Nenner 2005: Alle sahen in der BCP einen Auftragsmotor fürs eigene Geschäft, und der Jahresbeitrag war mit 5000 Euro überschaubar. Damit aber auch das Werbebudget. Es taugte kaum für eine weltweite Werbung. Deshalb empfahl die WCCB-Beauftragte Eva-Maria Zwiebler OB Bärbel Dieckmann (SPD): "Wir brauchen ein schlagkräftiges und mit viel Know-how ausgestattetes Bonn Convention Bureau, (...) damit es den Konferenzstandort Bonn weltweit vermarkten kann!" Dafür brauchte man vor allem: viel Geld.

Mit Investor Jörg Haas (Kameha-Hotel) glaubte die Stadt (s. GA-Teil II zum 3. RPA-Bericht) eine Quelle gefunden zu haben. Der "sei bereit", berichtete Zwiebler laut RPA, "am 8. November 2007 OB Dieckmann, sich an den gemeinsamen Marketingaktivitäten finanziell zu beteiligen". Einen Tag später erfährt die Stadt von einer WCCB-Baukostenexplosion um rund 30 Millionen, was die Vermarktung wirtschaftlich - weiter - erschwert. Später sollen die neuen BCP-Mitglieder Kameha und WCCB GmbH einen 20-fach höheren Jahresbeitrag zahlen: jeder mindestens 100.000 Euro. In einer Stadtintern-Mail heißt es, dass es das Interesse von WCCB sei, "möglichst viel, oder besser noch, alles von dem Kongresskuchen der Stadt zu bekommen". Das Kameha und andere sollten viel zahlen und wenig ernten. Das Ganze flankiert von einem Wettbewerbsvorteil: Das BCP-Mitglied WCCB GmbH soll seinen Beitrag aus dem Marketingzuschuss (Ausgleichstopf) bestreiten - also mit Steuerzahlergeld.

Zehn Tage später riecht Haas den Braten. Im RPA-Report entblättert sich dazu reichlich Mailverkehr. Haas schreibt der Stadt, dass er eine Bedingung für seine BCP-Mitgliedschaft habe: "Insbesondere eine Querfinanzierung des WCCB würden wir strikt ablehnen. Wir möchten nochmals bitten, uns ihre zugesagte Offenlegung der Subventionen des WCCB zukommen zu lassen." Das RPA notierte: "OB Dieckmann vermerkte (...) handschriftlich “Das geht ihn nicht viel an„".

Monate später, im Juni 2008, wird Haas an Stadtdirektor Arno Hübner deutlicher: "Wir bitten Sie, uns schriftlich und verbindlich zu bestätigen, dass die Beiträge (der WCCB GmbH/Anm. d. Red.) keine (auch nicht gewaschenen) öffentlichen Zuschussbeträge sind."

Er weist darauf hin, dass ein Beitrag von 100.000 Euro "mindestens zu einer jährlichen Umsatzsteigerung von 500.000 Euro führen" müsse, sonst rechne es sich nicht. Hübner antwortet: "Aufgrund Ihrer Mail bin ich nachdenklich geworden, ob dieses neu konzipierte Modell BCP Zukunft hat." Haas schreibt am 13. Juni 2008: "Jedes Gespräch von uns mit dem WCCB geht von deren Seite immer nur darum, wie man die “dumme„ Stadt beeinflussen kann, weiter Geld locker zu machen oder sonstige Begünstigungen zu erhalten. Ich kann (...) diese Art und Weise der Ausnutzung der öffentlichen Hand nicht mehr hören. (...) Im Ergebnis stellt sich die Stadt aber immer wieder hinter das WCCB und - was das Schlimme ist - gegen die anderen Wettbewerber in der Stadt."

Ursache: Je höher das WCCB-Betriebsdefizit mangels Auslastung einmal sein würde, desto mehr müsste die Stadt bluten, wenn der Ausgleichstopf einmal geleert wäre. Folglich wird sie präventiv tätig, zumal sie sich fernab juristischer Relevanz auch Investor Kim verpflichtet fühlt, obwohl der ihr längst auf der Nase herumtanzt: Millionen Eigenkapital fehlen, ferner hegt die Stadt schon länger Zweifel an Kim & Co.; die ganze Truppe zwischen Investor, Bauchef und anderen sieht das WCCB als Selbstbedienungsladen.

Trotzdem schützt die Stadt nicht den freien Markt, sondern ihr mit Steuerzahler-Millionen hochgeppeltes Projekt und betreibt Planwirtschaft. Da Kim ein Hotel und Büroflächen, worunter auch Arztpraxen fallen, als Renditebringer plante, soll nach GA-Informationen eine virtuelle Bannmeile ums WCCB gezogen und die Ansiedlung von Konkurrenzobjekten verwehrt worden sein.

Das Kameha war kein Einzelfall. Wilfried Gatzweiler, Ex-Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, liefert der Stadt schon 2007, so das RPA, "ein Diskussionspapier". Er schrieb: "Zu beobachten ist auch, dass innerhalb der verantwortlichen Leistungsträger in Bonn (...) keine Solidarisierung mit dem WCC zu erkennen ist." Eher sei "Ablehnung" der Fall.

Gatzweiler kommt darin auf Kims Entscheidung zu sprechen, das WCCB-Hotel "an die Gruppe Althoff" zu vergeben. Damit verfüge Althoff "neben einem neuen Hotel im Bereich des WCC über das Hotel Königshof, ein Drei-Sterne-Hotel in Poppelsdorf und Schloss Bensberg". Deshalb befürchteten die Hoteliers, "dass zunächst diese Häuser einseitig gefüllt werden und für die übrigen Bonner Hotels gar nichts oder zu wenig abfällt (...) Eine zu starke Unterstützung des WCC durch die Stadt Bonn (...) wird m.E. diese Widerstände noch verstärken."

Als das Kameha den BCP mit der Begründung "fehlende Neutralität der Stadt" kündigt und im Herbst 2009 die WCCB GmbH insolvent geht, stürzt der BCP-Club in die Krise. Mit zwei großen Beitragszahlern sind zwei Drittel der Einnahmen weggebrochen. Nun ist auch deren "Mutter", die teilstädtische Tourismus & Congress GmbH, in Not.

OB Jürgen Nimptsch verspricht Anfang 2010 Hilfe aus dem Ausgleichstopf, der längst zum Helfer in vielen WCCB-Lebenslagen geworden war. Das RPA: "Aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen und daraus resultierenden Prüfungen der Bezirksregierung ergab sich, dass der Teilbetrag aus Haushaltsmitteln bereitgestellt werden musste." So einwandfrei, wie die Stadt im RPA-Report ihren Griff in den Ausgleichstopf für Marketingzwecke darstellt, war dieser doch nicht.

Hintergrund

Die Ermittler waren im September 2010 wieder ins Stadthaus und auch ins Kameha einmarschiert. Der GA berichtete, dass "die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Dieckmann, Hübner und Zwiebler ausgeweitet" habe. Sie ermittele "nun auch wegen des Verdachts der Bestechlichkeit". Der Verdacht: Kameha-Zimmer-Erweiterung gegen BCP-Beitrag. Doch das ließ sich nicht nachweisen.

So bleibt die Erkenntnis: Die Stadt spielte zwischen Baukostenexplosion und Marketing weiter mit beim "Himmelsfahrtskommando". Aber, wie bei allen Strategien mit Harakiri-Touch, folgte bald das Aus. Wie Dominosteine fielen Ende 2009 alle WCCB-Firmen in die Insolvenz. Die mit Steuergeldern gefüllte Nabelschnur war ausgetrocknet. Auf der anderen Rheinseite hatte Haas mit seinem Kameha indes später losgebaut und war früher fertig, während Kim & Co. es nur bis zu einem Musterzimmer brachten.

Nächste Folge: Klüngel und Aufklärung

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