GA-Serie: Sicher leben Unter den Augen der Öffentlichkeit

Bonn · Dass Straftäter ungehindert agieren können, liegt häufig an der Gleichgültigkeit von Augenzeugen. Heldentum ist nicht gefordert. Oft reicht es, das Handy zu benutzen, Hilfe zu holen oder weitere Passanten um Unterstützung zu bitten

 Augenzeugen sollen nicht den Helden spielen. Die Frau in dieser gestellten Szene macht es richtig und ruft Hilfe.

Augenzeugen sollen nicht den Helden spielen. Die Frau in dieser gestellten Szene macht es richtig und ruft Hilfe.

Foto: Kriminalprävention

Spontan würde die junge Frau ihren Namen in der Zeitung preisgeben. Ihr ist es zu verdanken, dass ein Dieb festgenommen wurde. Doch dann kommen Bedenken. Was ist, wenn der auf Rache sinnt? Die 38-Jährige hat Zivilcourage bewiesen, aber Unannehmlichkeiten möchte sie nicht deswegen.

Also ist ihr Name für den Artikel geändert, aber die Geschichte ist wahr: Sommerferien. Es ist Mitternacht. Alle im Mehrfamilienhaus in Duisdorf sind zu Bett gegangen. Die 38-jährige Valentina S. liegt noch wach. Das Schlafzimmerfenster zur Straße steht auf Kipp.

Draußen herrscht die normale Geräuschkulisse - hin und wieder halten Autos an der Ampel; späte Fußgänger sind auf dem Nachhauseweg, erinnert sie sich. Plötzlich ein "krachendes Geräusch". Beunruhigend. Valentina steht auf und späht durch einen Spalt der Rollläden. "Nichts zu sehen." Sie legt sich wieder hin.

Es dauert einen Moment, bis sie den Notruf wählt

Nach einer Weile wiederholt sich das Geräusch. Jetzt springt die junge Frau alarmiert auf. Durch den Spalt entdeckt sie im Halbdunkel einen (vermutlich) jungen Mann, der sich auffällig-unauffällig an einem Zigaretten-Automat zu schaffen macht. Was er in der Hand hält, identifiziert sie als eine "Art Brecheisen".

Daher rührt vermutlich auch das krachende Geräusch. Ein Automatenknacker! Und jetzt? Bis Valentina S. mit Herzklopfen den Polizeinotruf 110 wählt, vergeht noch ein Moment. Soll sie anrufen? Schätzt sie die Situation da draußen richtig ein? Oder jagt sie die Polizeibeamten umsonst los?

Nach einer gefühlten Ewigkeit - in Wirklichkeit höchstens zwei Atemzüge - gewinnt die Zivilcourage Oberhand über die Zweifel. Selbstverständlich zeigt sie den Einbruchdiebstahl an! Der Polizeibeamte in der Einsatzzentrale bittet sie, in der Leitung zu bleiben. Valentina hört mit, dass er vier Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht losschickt.

Dann lässt er sich von der Augenzeugin auf dem Beobachtungsposten auf dem Laufenden halten, was der Mann gerade tut. Den Showdown, der sich vor Valentinas Haustür abspielt, kennt sie (nur) aus dem Fernsehen. Aus vier Richtungen kesseln die Einsatzfahrzeuge den Mann ein; die Polizei stellt ihn auf frischer Tat.

"Hände auf den Rücken, so wird er durchsucht. Ich bin immer noch per Handy mit der Leitstelle verbunden, und die Beamten lassen nachfragen, ob es die Person ist, die ich beobachtet habe. Ja. Dann führen sie ihn ab." Eine Streifenwagenbesatzung bleibt da, um Valentinas Zeugenaussage aufzunehmen.

"Ich habe ihn nur von hinten gesehen. Ein junger Mann, schlank, dunkel gekleidet, Kapuze über den Kopf gezogen, in der Hand einen länglichen, schweren Gegenstand." Dann ist alles wie ein Spuk vorbei. Im Haus hat keiner was mitbekommen. Wieder im Bett klingt Valentinas Aufregung langsam ab. "Hätte ich weggeschaut, hätte ich mir Vorwürfe gemacht. Und so war ich stolz auf meinen Mut", sagt die Augenzeugin.

Post vom Polizeipräsidium

Knapp einen Monat nach der aufregenden Nacht bekam die junge Frau Post von Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa: "In einer Zeit, in der eher weg- als hingesehen wird, ist es bei vielen Menschen nicht mehr selbstverständlich, anderen zu helfen. Durch Ihre besondere Aufmerksamkeit und durch das Übermitteln von präzisen Hinweisen an die Polizei haben Sie Mut und Zivilcourage bewiesen und damit die Polizei bei der Klärung einer Straftat unterstützt."

Das Lob hat Valentina S. gutgetan. "Es bestärkt mich darin, dass ich richtig gehandelt habe."

Immerhin 20 mutige Augenzeugen haben in diesem Jahr ein Dankeschön von der Polizeipräsidentin bekommen. Es sind 20 Bürger, durch deren Hilfe Straftaten verhindert und Täter dingfest gemacht werden konnten. Denn die Polizei ist auf Zivilcourage angewiesen. "Es wäre schön, wenn dieses vorbildliche Verhalten auch anderen Bürgern als Beispiel dienen würde, da ohne deren Mithilfe Straftaten oftmals nicht geklärt werden können", betont die Polizeipräsidentin.

Bürger, die etwas Verdächtiges beobachten, sollten daher keine Scheu haben, die Notrufnummer 110 zu wählen, betont die Bonner Polizeisprecherin Ruth Braun. "Falls sich die Sache als falscher Alarm herausstellt, wird der Augenzeuge keine Rechnung von uns bekommen", räumt sie mit einer Fehlinformation auf.

Weitere Informationen und Tipps auf www.polizei-beratung.de oder www.aktion-tu-was.de

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