Prävention Gefangen in der Gewaltspirale: Jeder Schritt nach außen ändert etwas

Häusliche Gewalt war lange ein höchst privates Thema. Selbst über handfeste Körperverletzungen, die ein Partner dem anderen zugefügt hatte, drang noch in den 90er Jahren selten etwas an die Öffentlichkeit. Opferschützer der Bonner Polizei und Expertinnen der Bonner Frauenberatungsstelle zeigen den Opfern Auswege auf.

 Klaus Schmitz, ein Beamter mit 40 Jahren Berufserfahrung, arbeitet bei der Bonner Polizei als Opferschützer.

Klaus Schmitz, ein Beamter mit 40 Jahren Berufserfahrung, arbeitet bei der Bonner Polizei als Opferschützer.

Foto: Axel Vogel

Das lag vor allem daran, dass dieses Thema in der Gesellschaft als "privat" galt und die Polizei kaum eingreifen konnte, erklärt Kriminalhauptkommissar Klaus Schmitz (56): "Rechtlich konnten wir nur etwas gegen den häuslichen Aggressor in einer Partnerschaft tun, wenn Anzeige erstattet wurde." Das taten aber aus Angst oder falscher Loyalität die wenigsten Opfer, so Schmitz.

Leidtragende seien die Opfer gewesen, denn wenn die Beamten durch die Tür waren, blieb die Gewaltbereitschaft der Täter unverändert. Schmitz weiß, wovon er spricht. Der 56-Jährige ist seit 40 Jahren Polizist und wurde als Streifenpolizist zu manchem Ehestreit gerufen, der eskaliert war.

Inzwischen kennt er die Situation der Opfer bestens: Denn Schmitz ist Opferschützer bei der Bonner Polizei und kümmert sich insbesondere um die Opfer von häuslicher Gewalt. Wie auch Ulrike Große-Kreul von der Bonner Frauenberatungsstelle "Frauen helfen Frauen". Beide Experten sind sich einig: Hier gibt es viel zu tun. Denn immer öfter wird die Polizei zu handfesten Beziehungsstreitigkeiten gerufen, die sich meist in den eigenen vier Wänden abspielen.

Bessere Hilfe durch eine verschärfte Rechtslage

Polizei und andere Einrichtungen wie Frauenhäuser können den Opfern inzwischen effektiver helfen, weil die Rechtslage verschärft worden ist. Dass 2002 das Gewaltschutzgesetz verabschiedet wurde, war für Schmitz "eine Zäsur". Denn werden Polizisten jetzt zu einem Einsatz unter dem Alarm-Stichwort häusliche Gewalt gerufen, sind sie verpflichtet, den Dingen auf den Grund zu gehen. "Und zwar ohne Antrag des Opfers", betont Schmitz. "Es reicht, wenn die Beamten vor Ort Hinweise auf eine Tätlichkeit haben."

Die Polizei hat mit der sogenannten Wohnungsverweisung ein Mittel, die Gewalt sofort zu beenden sowie Täter und Opfer räumlich zehn Tage lang zu trennen. "Das Wohnungsverbot kontrollieren wir", unterstreicht Schmitz. Dabei kann durchaus auch der Eigentümer der eigenen Wohnung verwiesen werden. Schmitz kann Opfern von häuslicher Gewalt, die zumeist Frauen sind, zudem auch längerfristige Hilfsangebote machen. Dazu gehört die Vermittlung von Kontakten etwa zu Frauenhäusern.

"Nach einem Gewalteinsatz schickt die Polizei ein Fax an eine Beratungsstelle und bietet Hilfe an", erklärt Ulrike Große-Kreul, die Fachfrau von der Bonner Frauenberatungsstelle. Allerdings muss das Opfer einverstanden sein. Zudem organisiert Schmitz notfalls Polizeischutz, wenn sich Opfer und Täter etwa beim Ausräumen der gemeinsamen Wohnung sehen. Er nimmt Kontakt mit dem Jugendamt auf, um Kinder aus Gewaltbeziehungen zu schützen. Natürlich kann ein Opferschützer auch über Jahre Kontakt zu misshandelten Frauen halten, so wie Schmitz zu Frauke Groß (siehe oben).

Häusliche Gewalt entwickelt sich aus einer Spirale

Aus vielen Fällen, die er betreut hat, weiß Schmitz: Häusliche Gewalt entwickelt sich aus einer Spirale, die mit verbalen Attacken und Demütigungen beginnt und dann in Gewaltausbrüchen eskaliert, die immer massiver werden. Ein Entkommen sei oft schwierig, so Schmitz, weil manche malträtierte Frau hoffe, durch Stillhalten die Existenz der Familie zu retten. Auch glauben viele Opfer, dass sich der geliebte Partner eines Tages ändern wird. Schmitz kennt die Konfliktgespräche in seinem Büro zur Genüge, wo mancher Schläger vor seinem Partner in die Knie geht "und den Rosenkavalier mimt".

Nach seinen Erfahrungen hält die Reue aber nicht lange: "Die Gewaltspirale verstärkt sich oft, und es kommt immer wieder zu Übergriffen." Es sei keine Seltenheit, dass die Polizei zehn Mal in ein und dieselbe Wohnung gerufen wird, um Handgreiflichkeiten unter den Partnern zu entschärfen. Darum sagt Schmitz, dass allein die Opfer von Gewalt diese Situation dauerhaft beenden können: "Doch ganz oft mangelt es an Einsicht und Konsequenz." Hinzu kommt gerade bei Opfern häuslicher Gewalt mit Migrationshintergrund noch etwas anders: "Scham, Sprach- und Kulturbarrieren spielen da eine große Rolle", stellt Schmitz fest.

Aus der Erfahrung von Frauenberaterin Große-Kreul schwingt neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit noch etwas anderes mit: "Durch die oft lange andauernden Gewaltverhältnisse sind viele Frauen isoliert und haben kaum Kontakte. Je länger das andauert, desto schwieriger wird es für sie."

Doch Große-Kreul weiß auch: Bei den meisten Frauen, die etwa Hilfe in einem Frauenhaus oder einer Beratungsstelle gesucht haben, "ändert sich etwas". "Die Frauen setzen dann oft ein deutliches Zeichen. Etwa, dass sie nur dann zurückkommen, wenn der Mann eine Therapie macht", betont sie. "Jeder Schritt nach außen ändert etwas." Vor allem rät sie, Gewalt früh zu stoppen: "Jeden noch so kleinsten Übergriff sollte man zum Thema machen."

Hier gibt es Hilfe

Opfer häuslicher Gewalt können sich beim Kommissariat Opferschutz unter 02 28/1 50 melden. Zudem in Frauenhäusern wie dem autonomen Frauenhaus in Bonn, 02 28/63 53 69 und dem Verein "Hilfe für Frauen in Not", 02 28/23 24 34. Anlaufstelle für Opfer sind auch Frauenberatungsstellen wie der Verein "Frauen helfen Frauen" an der Kölnstraße 69 in Bonn, 02 28/65 95 00. Zudem das Frauenzentrum Bad Honnef/Königswinter "Frauen für Frauen" an der Hauptstraße 20a in Bad Honnef, 0 22 24/1 05 48.

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