GA-Serie: Sicher leben Endlich entkommen

BONN · Über Jahre hinweg wurde eine 49-Jährige von ihrem Mann misshandelt, geschlagen, gewürgt, getreten. Erst mit Hilfe der Polizei und eines Frauenhauses konnte sie sich aus der Beziehung lösen. Ein Extremfall - doch häusliche Gewalt kommt tagtäglich vor.

 Frauke Groß (Name geändert) aus dem Rhein-Sieg-Kreis arbeitet in Bonn. Sie schilderte dem GA ihre Leidensgeschichte.

Frauke Groß (Name geändert) aus dem Rhein-Sieg-Kreis arbeitet in Bonn. Sie schilderte dem GA ihre Leidensgeschichte.

Foto: Axel Vogel

Der Traum vom Mann fürs Leben, vom Glück zu zweit, war für Frauke Groß (Name geändert) früh ausgeträumt. Stattdessen erlebte die heute 49-Jährige "Partnerschaft" bereits mit Anfang 20 als Alptraum, als tagtägliche Hölle aus Beschimpfungen, verbalen Demütigungen, vor allem aus Übergriffen bis hin zu schwersten körperlichen Misshandlungen.

Auch in ihrer zweiten Ehe gehörte häusliche Gewalt, wie die Polizei das Delikt nennt, zum Alltag. Die Partner der Frau entpuppten sich schnell als skrupellos bei der Wahl der Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen. Besonders traumatisch: Auch ihre beiden Töchter, heute 11 und 14 Jahre alt, wurden regelmäßig Zeugen der Auseinandersetzungen, mussten mit ansehen, wie ihre Mutter krankenhausreif geschlagen wurde.

Rund sechs Jahre dauerte das Martyrium ihrer zweiten Ehe. Sie konnte sich erst befreien, als sie endlich Hilfe und anhaltende Unterstützung von außen bekam: So von einem Frauenhaus in Euskirchen und den Opferschützern der Bonner Polizei.

Es liegen schwere Zeiten und viele Therapiestunden hinter ihr

Wer erwartet, dass Frauke Groß noch unter der Bürde ihrer leidvollen Biografie leidet, wird überrascht. Man trifft eine lebensbejahende, selbstbewusste Frau, die ihre Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben scheint und mittlerweile mit einem neuen Partner und den beiden Töchtern zufrieden in einer Stadt im Rhein-Sieg-Kreis lebt. Doch Groß macht keinen Hehl daraus, dass schwere Zeiten und viele Therapiestunden hinter ihr liegen.

Streng genommen hätte sie gewarnt sein müssen, als sie im Jahr 1999 während des Karnevals in Andernach ihren zweiten Mann kennenlernte, verkleidet als Gottesmann. Denn bereits ihre erste Ehe war ein Horror. Als 20-Jährige hatte Groß einen zehn Jahre älteren Mann geheiratet, der bereits kurze Zeit nach dem Ja-Wort sein wahres Gesicht zeigte.

Nachdem anfangs "alles toll war", so Groß, spitzte sich die Situation rasch zu, und zwar, als das Paar zusammenzog. Zunächst gab es häufig Streit, weil ihr Partner krankhaft eifersüchtig war. Es folgten Demütigungen in aller Öffentlichkeit, seine Hemmschwelle sank. Schließlich schlug er das erste Mal zu, vergewaltigte sie.

Nachdem ihr Mann sie eines Tages nach einem Streit die Treppe hinuntergestoßen hatte, und sie ins Krankenhaus musste, fand sie endlich den Mut, ihn nach rund einem Jahr Ehe zu verlassen. Warum so spät? "Ich habe mich unendlich geschämt und gedemütigt gefühlt", erinnert sie sich.

Außerdem wusste sie nicht, an wen sie sich wenden sollte: "Ich hatte Angst, es meiner Familie und Freunden zu sagen, weil die mir womöglich nicht geglaubt hätten." Selbstmordgedanken quälten sie, weil sie Angst hatte, die Polizei zu rufen: "Mein Mann hätte mich umgebracht."

Auch in der zweiten Ehe hatte sie Pech

Ähnlich verlief ihre zweite Ehe, die sich aus der Karnevalsbekanntschaft entwickelte. Auch hier spitzte sich die Situation zu, als sie zu ihrem neuen Partner in die Eifel zog. Wieder war rasende Eifersucht im Spiel, ständige Kontrollaktionen etwa ihres Handys waren Alltag, ebenso Verbalattacken und Demütigungen. Es war längst keine Liebe mehr im Spiel, doch dann wurde sie unerwartet schwanger.

Nach der Geburt der ersten Tochter verschlimmerte sich die Situation noch: Erstmalig schlug ihr Mann sie ins Gesicht, schubste sie, machte Anstalten, sie zu würgen. Es folgten Vergewaltigungen. "Dann lass mich gehen", schlug sie ihm vor. "Ja, aber ohne Kind", antwortete er. Undenkbar für Frauke Groß, also hielt sie weiter still.

Die Auseinandersetzungen wurden immer heftiger. Nachdem er wieder einmal ihr Handy kontrolliert hatte, rastete ihr Mann förmlich aus und schleuderte sie gegen die Wand. Sie stürzte; er trat sie, als sie hilflos am Boden lag. In ihrer Verzweiflung suchte sie Hilfe bei ihrer Familie, doch dort fand sie keinen Rückhalt. Die Mutter riet ihr: "Du musst die Faust in der Tasche machen."

Nach einem Nervenzusammenbruch der nächste Schock: Frauke Groß war wieder schwanger. Für sie eine niederschmetternde Nachricht: "Ich bin aus dieser Beziehung ja nicht einmal mit einem Kind herausgekommen, wie sollte das mit zweien klappen?", schilderte sie ihre damaligen Ängste.

Sie blieb, weil sie wusste, dass ihr Mann sie nicht mit den Kindern gehen lassen würde. Es folgten weitere Schläge und Vergewaltigungen. Bei Groß stellten sich psychosomatische Erkrankungen ein, sie litt unter Zwängen. Weihnachten 2004 eskalierte die Gewalt hinter verschlossenen Türen: Groß wurde von ihrem Mann gewürgt und zu Boden geschleudert, machte "Nahtoderfahrungen".

Besonders schlimm für sie: Die älteste Tochter fand die eigene Mutter blutüberströmt am Boden. Endlich traute sie sich, den Rettungsdienst anzurufen. Dem gaukelte sie vor, vom Stuhl gefallen zu sein. "Davon bekommt man aber keine Würgemale am Hals", hielt der Notarzt dagegen. Er fertigte später einen Bericht an.

Nach langen Jahren voller Demütigungen gelingt ihr die Flucht

Nach der Rückkehr von einer Mutter-Kind-Kur im Herbst 2007, bei der sie sich einem Therapeuten anvertraut hatte, explodierte ihr Mann erneut: Weil er den Verdacht hegte, seine Frau habe einen "Kurschatten", misshandelte er sie zu Hause zwei qualvolle Tage lang. Er verprügelte sie, würgte sie, stieß sie die Treppe hinunter, erneut vor den Augen einer der Töchter.

Jetzt nahm sie allen Mut zusammen. Sie floh mit den Kindern in ein Frauenhaus nach Euskirchen, ließ sich von Klaus Schmitz, Opferschützer der Bonner Polizei, überall dort Polizeischutz organisieren, wo es noch einen Kontakt zum Ehemann gab. Die Nummer des Polizisten hatte sie von einer Arbeitskollegin bekommen.

"Ich musste irgendwann für meine Kinder stark werden", so erklärt sie den Befreiungsschlag heute. Dazu gehörte: Sie zeigte ihren Mann an, "doch der konnte sich mit einem Strafbefehl über 1000 Euro freikaufen". Trotzdem hat sie Frieden mit der Vergangenheit geschlossen. Aber einen Rat hat sie für andere Opfer von häuslicher Gewalt: "Man sollte sich nicht schämen, sondern mutig die eigene Angst überwinden und sich anderen anvertrauen."

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