650 Polizisten bei Razzia gegen Hells Angels Sechs Höllenengel verhaftet

KOBLENZ/BONN · Menschenraub, Bedrohung, Waffenbesitz, gefährliche Körperverletzung - die Liste der Vorwürfe gegen Mitglieder des Rockerclubs "Hells Angels" ist lang. Am Dienstag gingen die Ermittler in die Offensive und durchsuchten bei einer Großrazzia 36 Objekte, vor allem im Norden von Rheinland-Pfalz und im Süden von Nordrhein-Westfalen.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz geht dem Verdacht nach, dass die Rocker eine kriminelle Vereinigung gebildet haben. Hintergrund scheinen zudem Konflikte mit anderen Motorrad-Gangs zu sein. Vieles spricht dafür, dass im Zentrum der Razzia das Bonn-Charter der Hells Angels stand, das sein Hauptquartier im idyllischen Unterelsaff bei Neustadt/Wied hat. Die Staatsanwaltschaft wollte allerdings weder Örtlichkeiten noch Namen bestätigen. Viele Mitglieder des Charters - in der Rockerstruktur eine Art Regionalgruppe mit klaren Gebietsansprüchen - wohnen in Bonn und umliegenden Städten.

Nach Informationen dieser Zeitung durchsuchten Polizisten gestern unter anderen Objekte in Sankt Augustin und in Bergheim-Niederaußem. In Bergheim sollen "enge Verwandte" des so genannten "Hasspredigers" und Top-Salafisten Pierre Vogel betroffen gewesen sein, hieß es in Ermittlerkreisen. Gemeint ist offenbar ein Mitglied des Hells-Angels-Charters, das in Bergheim lebt. Verbindungen zwischen Rockern und Salafisten dürften allerdings mangels gemeinsamer Ziele eher unwahrscheinlich sein.

An der Großrazzia waren rund 650 Polizisten sowie 12 Staatsanwälte beteiligt. Es waren Spezialeinheiten im Einsatz, denn die Hells Angels gelten als gewaltbereit. Spiegel-Online und die Rheinzeitung berichteten, dass die Beamten sich auch Zutritt zum Haus von Karl-Heinz "Kalli" B. im rheinland-pfälzischen Anhausen verschafft hätten. Auch das weist auf das Bonner Charter hin, das früher von dem 48-Jährigen angeführt worden sein soll. Karl-Heinz B. hatte 2010 einen Polizisten erschossen. Ein Spezialeinsatzkommando versuchte damals, das Haus des Rockers zu stürmen.

Dieser feuerte mit einer Pistole durch die geschlossene Tür und traf den 42-jährigen Beamten. Das Landgericht Koblenz verurteilte ihn später wegen Totschlags zu fast neun Jahren Haft, doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und sprach den Rocker frei: Er habe die Polizisten für Einbrecher gehalten und in vermeintlicher Notwehr gehandelt. Danach blieb er den Hells Angels treu: Als das Charter Bonn 2013 im Internet seine Auflösung verkündete und ein Unternehmen in Unterelsaff gründete, das Ermittler für eine Scheinfirma hielten, war auch "Kalli" B. unter den Gesellschaftern.

Laut Staatsanwaltschaft wurden am Dienstag mehrere Schusswaffen beschlagnahmt und sechs Haftbefehle vollstreckt. In einem Fall von erpresserischem Menschenraub sowie mehreren Fällen von Nötigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung sollen laut Staatsanwaltschaft hauptsächlich Mitglieder rivalisierender Motorradclubs die Opfer gewesen sein.

Die Hells Angels in Deutschland

Die Polizei, das Düsseldorfer Landeskriminalamt (LKA) und das Innenministerium hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie keine Straftaten im Rockermilieu dulden. "Bei allem, was sie tun, müssen sie sich an Recht und Gesetz halten. Und wenn sie dies nicht tun, müssen sie immer mit polizeilichen Maßnahmen rechnen", sagte Thomas Jungbluth, Experte für die Bekämpfung von Rockerkriminalität beim LKA in der Zeitschrift "Streife". Weiter heißt es: "Es darf nicht toleriert werden, dass Rocker ihre eigenen Regeln aufstellen". Aktuell sind die Hells Angels in Deutschland laut Polizei in 77 sogenannten Chartern organisiert, von denen sich 13 mit insgesamt 260 Vollmitgliedern in Nordrhein-Westfalen befinden.

Immer wieder kam es zu Razzien gegen Rockerbanden wie den Hells Angels. Bei zwei Treffen im vergangenen Juli in Boppard am Rhein und im November in Windhagen (Kreis Neuwied) hatten Großaufgebote Clubmitglieder kontrolliert und Beweismaterial sichergestellt.

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