OB-Wahl in Bonn Polit-Krimi im Stadthaus

Bonn · Bis zur letzten Minute muss Ashok-Alexander Sridharan um die absolute Mehrheit zittern. Am Ende entscheiden rund 60 Stimmen.

So sehen Sieger aus: Ashok-Alexander Sridharan (CDU) strahlt über das ganze Gesicht, als er im Ratsaal des Stadthauses seiner Parteifreundin Claudia Lücking-Michel um den Hals fällt. Die Bundestagsabgeordnete hat beide Arme hochgereckt und jubelt. Dann umarmen sich Sridharan und OB-Kandidat Tom Schmidt (Grüne). Ab sofort ziehen beide in der Ratskoalition an einem Strang. Aber alle haben gestern Abend gezittert. CDU, SPD und Grüne. Gut eine Stunde lang hat sich ein Polit-Krimi abgespielt.

Achtungserfolg für den Grünen Tom Schmidt

[kein Linktext vorhanden]Gleich neben Lücking-Michel steht Wahlleiter Wolfgang Fuchs. Der Stadtdirektor, ebenfalls CDU-Mitglied, kann seine Freude nicht verbergen. Da liegen sich auch schon Parteichef Christos Katzidis und Sridharan in den Armen und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Helle Begeisterung auch bei den Grünen. Sie feiern im Ratsaal und im Haus Migrapolis. Ihr Kandidat Tom Schmidt hat mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Fast gleichauf mit dem SPD-Mann: Wer hätte das gedacht?

"Wir haben viel positive Resonanz bekommen", sagt Grünen-Parteichef Harald Klinke. "Beim nächsten Mal haben wir die Nase vor der SPD", sagt Ex-Ratsherr Guido Pfeifer, der mit dem grünen Landtagsabgeordneten Rolf Beu und Fraktionschefin Brigitta Poppe beinahe ungläubig auf das Wahlergebnis guckt.

Zitterpartie beginnt kurz nach 18 Uhr

Die Zitterpartie beginnt kurz nach 18 Uhr. Stadtsprecherin Monika Hörig verkündet die Ergebnisse der ersten Stimmbezirke. Vor dem Saal bereitet sich das Online-Team des GA um Sylvia Binner und Michael Wrobel auf die ersten Interviews vor, die gleich im Live-Stream zu sehen sein sollen. Da geht ein Raunen durch den Saal.

Wird Sridharan es etwa doch schon im ersten Wahlgang schaffen? Die Ergebnisse für den Stimmbezirk Medinghoven-Süd trudeln als erstes ein: 66,15 Prozent für Sridharan. Weit abgeschlagen der SPD-Kandidat Peter Ruhenstroth-Bauer mit knapp 22 Prozent.

Dahinter liegt Grünen-Bewerber Tom Schmidt. Gut, Medinghoven-Süd war schon immer eine CDU-Hochburg. Wie der gesamte Stadtbezirk Hardtberg, was sich später auch am Endergebnis ablesen lassen wird. Doch nach und nach wird deutlich: Der CDU-Kandidat sahnt auch dort ab, wo sonst eher die SPD vorne liegt. 50,02 Prozent heißt es dann kurz nach 19 Uhr. 209 von 210 Stimmbezirken sind ausgezählt.

Der letzte lässt dann ungewöhnlich lange auf sich warten. Es ist der Stimmbezirk Am Römerlager. OB Jürgen Nimptsch, der neben Hörig auf der Verwaltungsbank sitzt, lässt dort anrufen. Der Stimmbezirk gehört zum Wahlbezirk von Ratsherr Peter Kox.

Der SPD-Mann hat ihn bei der Kommunalwahl 2014 direkt geholt. Bis dahin war er stets in CDU-Hand. Dann die Erlösung für die CDU: Sridharan legt noch einmal zu. Um 19.14 Uhr liegt er bei 50,06 Prozent. Es ist das vorläufige Endergebnis, das Wahlleiter Fuchs bekannt gibt. Gerade einmal 64 Stimmen mehr, als für die absolute Mehrheit nötig sind. Die CDU-Leute im Saal können ihr Glück kaum fassen.

60 Stimmen fehlten zur Stichwahl

Katzenjammer dagegen bei der SPD. Ratsfraktionsvorsitzende Bärbel Richter ist sichtlich um Fassung bemüht. "Man kann dem neuen Oberbürgermeister nur gratulieren. Aber das Ergebnis war knapp genug. Am Ende haben für die Stichwahl nur etwa 60 Stimmen gefehlt. Wir müssen feststellen, dass die Hälfte der Wähler Herrn Sridharan gewählt haben. Das müssen wir akzeptieren", sagt sie später. Und schiebt fast trotzig hinterher: "Offensichtlich konnten wir nicht so überzeugen, aber das lag sicher nicht an unserem Kandidaten".

Herb enttäuscht zeigen sich die SPD-Anhänger, die dicht gedrängt vor der Leinwand im Restaurant "Bühne" nahe der Oper stehen. "Pures Entsetzen", so fasst SPD-Ratsmitglied Fenja Wittneven-Welter die erste Reaktion auf das vorläufige Ergebnis zusammen. Bis der letzte Stimmbezirk ausgezählt ist, hoffen die Genossen, es trotz des schwachen Resultats in die Stichwahl zu schaffen.

[kein Linktext vorhanden]Auf die Frage, was die Partei falsch gemacht habe, weicht Bonns SPD-Vorsitzender Gabriel Kunze aus. "Die Ratskoalition muss jetzt beweisen, was sie kann", sagt er nur. Sie könne nun nicht mehr mit dem Finger auf den OB zeigen. Nimptsch gehört zu den ersten Gratulanten, die Sridharan die Hand reichen. "Lasst den Oberbürgermeister mal durch", ruft Sridrahan lachend, als er sieht, wie Nimptsch sich seinen Weg durch die Menge sucht.

"Das Ergebnis zeigt klar, dass es eine kluge Entscheidung der FDP war, zusammen mit der CDU einen gemeinsamen Kandidaten zu unterstützen", freut sich FDP-Ratsfraktionschef Werner Hümmrich. BBB-Chef Bernhard Wimmer verbindet mit der Wahl des CDU-Kandidaten die Hoffnung, dass er "die Stadtverwaltung wieder in den Griff bekommt". "Es wird sehr spannend, in welche Richtung sich der Koalitionspoker unter einem CDU-OB entwickelt", so Felix Kopinski von den Piraten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort