Bonns OB tritt nicht wieder an Eine Amtszeit ohne Harmonie

BONN · Jürgen Nimptsch verzichtet auf eine zweite Kandidatur. Sein Motto "Zesamme stonn" hat in der Praxis der Ratsarbeit nicht funktioniert.

Hoch hinaus wollte er schon immer. Ob einst als jugendlicher Hochspringer, als Intendant und Sänger der Kölner Bühnenspielgemeinschaft "Cäcilia Wolkenburg" oder als Direktor der Gesamtschule Beuel. Und natürlich als Oberbürgermeister der Stadt Bonn, der er seit 2009 ist. Jürgen Nimptsch, der am Freitag angekündigt hat, sich nicht um eine zweite Amtszeit als OB der Bundesstadt bewerben zu wollen, verlässt damit im Oktober nächsten Jahres das Rathaus. Und damit eine große Bühne.

Die hat er stets genossen, nicht nur im Karneval. Selbst politische Gegner räumen ein, dass der 60 Jahre alte Nimptsch seine Repräsentationspflichten auf hohem Niveau erledigt und ein eloquentes Auftreten hat. Er kann charmant sein, umgänglich, aber auch störrisch. Mitunter redet er von "dem Oberbürgermeister" in der dritten Person. Sein Dienstzimmer ist nicht umsonst das repräsentative Kaminzimmer im Alten Rathaus.

Das zeigt: Die Kraft seines Amtes ist ihm immer wohl bewusst, schließlich betont er oft genug, wie stark nach der Gemeindeordnung seine Position als OB ist und dass er "direkt" von den Bürgern gewählt wurde, im Gegensatz zur Ratskoalition, wie er gerne anmerkt.

Doch jetzt scheinen Kraft und Power - sieht man von den persönlichen Gründen seiner Entscheidung einmal ab - nicht mehr auszureichen. Sich weiter mit einem Stadtrat zu streiten, der nicht seine Überzeugungen teilt? Nein. Sich vorführen zu lassen wie einen Schuljungen? Auf keinen Fall. Sich ständig arrangieren und rückversichern zu müssen, bevor er eigene Ideen äußert? Niemals.

Ich strebe keine zweite Amtszeit an. Mehr dazu unter http://t.co/jJNae9cpCv

Jürgen Nimptsch (@juergennimptsch) 8. August 2014Bis zur Wahl am 20. Oktober 2015 werde er im Amt bleiben. Bis dahin möchte er zumindest die Themen Beethoven 2020, WCCB und Innenstadt weiter voran treiben.

Die Aufgabe war auch so schon schwer genug: Als Nimptsch im Herbst 2009 sein Amt als neuer Oberbürgermeister antrat, erwartete ihn eine der größten Herausforderungen, die das kommunale Deutschland zu bieten hatte: das World Conference Center Bonn (WCCB). Er wollte die bösen Geister, die das WCCB blockierten, schnell vertreiben.

Der Wille war da, die Naivität aber auch: Ein SPD-Oberbürgermeister und eine Ratsmehrheit, die nicht seine ist, kann klappen, muss aber nicht. Anfangs hatte Nimptsch noch die Harmonie gesucht. Zu seinem Start schenkte er jeder Fraktion eine Krawatte, bedruckt mit dem Stadtlogo und bunten Punkten. Für jede Fraktion und Gruppierung einen. Die Botschaft: Das "Zesamme stonn. Für Bonn", so sein Motto bis heute, kriegen wir schon hin. Gemeinsam für die Stadt. Ein Trugschluss.

In seinem Online-Tagebuch schrieb er kurz nach seinem Amtsantritt zum WCCB: "Wenn alles, aber auch wirklich alles, optimal läuft, könnten wir die erste Großveranstaltung doch noch im April möglich machen." Er meinte April 2010 und hatte das juristische Labyrinth um Bonns größtes Sorgenkind unterschätzt, das er von seiner Parteifreundin und Vorgängerin Bärbel Dieckmann geerbt hat. Und in dieser Gemengelage ging es zwischen ihm und der Ratsmehrheit immer weniger harmonisch zu.

Alleingänge wie bei seinem Vorstoß zu einer Opernfusion mit Köln wurden ihm vorgeworfen, falsche Bewertungen trotz eines stetig wachsenden Heers von teuer eingekauften Sachverständigen, Beratungsresistenz und Starrsinn. Aber auch zu wenig Härte, denkt man an die "Rutschbahn" nach Berlin. Zuletzt war es bei den Bädern der untaugliche Ansatz, die Freibadsaison zu teilen, denn geteiltes Leid sei ja halbes Leid. Viele Bürger reagierten enttäuscht auf solche Vorstöße.

Nimptsch versprach beim WCCB Aufklärung und Transparenz. Doch es kam anders. Als der GA anfangs nur die Rolle der Südkoreaner beleuchtete, lobte Nimptsch: "Der GA hat mit seiner Millionenfalle stark begonnen und Aufklärung betrieben." Als die Recherche sich dem Rathaus näherte, sprach Nimptsch von "Verdachtsjournalismus". Zuvor (Juli 2010) kritisierte er im Rat die WCCB-Arbeit des Rechnungsprüfungsamtes (RPA), indem er sie lobte: "Fleißige Faktensammlung, akribische Arbeit." Der damalige RPA-Chef Horst Schallenberg konterte sofort: "Wenn man sich mit Inhalten nicht beschäftigen will, stellt man die Weitsicht der Prüfer in Frage." Selbst Peter Riegel, Bonns Stadtältester, meldete sich damals: "Nimptsch trägt die Unschuldsvermutung wie eine Monstranz vor sich her", dadurch würden Aufklärung und Transparenz verhindert.

Nimptschs WCCB-Bewältigung, die in Sachen Dieckmann und Kontrolleur Friedhelm Naujoks lange wie ein SPD-Schutzprogramm erschien, änderte sich 2014 schlagartig: Selbst die SPD-geführte Bezirksregierung oder der Sparkassen-Giroverband konnten Nimptsch nicht umstimmen. Er lehnte jeden Vergleich ab und ließ die Stadt Bonn von der Sparkasse KölnBonn verklagen. Im WCCB-Bürgschaftsstreit geht es um rund 82 Millionen Euro. Möglich, dass im Zivilstreit Details herauskommen, die seiner Partei nicht passen. Möglich auch, dass dieser Schritt Nimptschs den innerparteilichen Rückhalt für eine weitere Kandidatur verringerte.

Mit der schwarz-grünen Ratsmehrheit, die bis zur Kommunalwahl am 25. Mai 2014 im Bonner Stadtrat den Ton angegeben hat, geht der OB in der Erklärung auf seiner Homepage hart ins Gericht. Eine Abrechnung, die auf die Vergangenheit zielt. Schwarz-Grün ist Geschichte, seitdem die Wähler bei der Kommunalwahl die Karten neu gemischt haben. Und zwar so, dass bis heute nicht klar ist, wer mit wem das Sagen hat im Bonner Stadtrat. Sicher ist, dass Schwarz-Grün alleine keine Mehrheit mehr zustande bringen wird.

Nach wie vor stehen die Zeichen auf ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP, eine sogenannte Jamaika-Koalition. Sie hätte mit 50 Stimmen eine deutliche Mehrheit im neuen Rat, dem 86 Mitglieder aus zehn Parteien und Gruppierungen angehören. Die Lage: unübersichtlich. Die Aussichten für Nimptsch als SPD-OB dadurch nicht besser als bisher.

Die Bühne kann Nimptsch nun noch ein Jahr weiter bespielen. Danach ist Schluss. Und für Bonn wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit wem an der Spitze? Die Kandidatensuche für den schwierigen Posten steht seit Freitag unter neuen Vorzeichen. Das Rennen ist eröffnet.

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