Verbotene Islamisten-Gruppe "Tauhid" auch in Bonn Razzia am frühen Morgen

BONN · E-Mails, Telefongespräche, Kurierfahrten, Auslandsüberweisungen höherer Geldbeträge. Die Kontakte zwischen der Bonner Islamistenszene in die Kampfgebiete des Nahen Ostens sind und bleiben rege.

 Razzia in der Oppelner Straße: Am Donnerstag trugen Ermittler Beweisgegenstände aus einer Wohnung in dem Hochhaus.

Razzia in der Oppelner Straße: Am Donnerstag trugen Ermittler Beweisgegenstände aus einer Wohnung in dem Hochhaus.

Foto: Jens Kleinert

Persönliche Beziehungen zwischen in Bonn lebenden Islamisten und Angehörigen oder Sympathisanten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) gibt es nach Informationen des General-Anzeigers reichlich. Und auch Mitglieder der Islamisten-Gruppe "Tauhid" haben sich nach dem gestern verhängten Verbot durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière offenbar in Bonn betätigt.

Es war sechs Uhr morgens, als Beamte eines Sondereinsatzkommandos ein Hochhaus an der Oppelner Straße in Neu-Tannenbusch betraten. Fünf Stunden lang nahmen sie eine Wohnung im sechsten Stock unter die Lupe. Sofern die Ermittler die bisherige Aktenlage kannten, dürften sie sich in den Räumen rasch zurechtgefunden haben: Bereits im vergangenen Oktober hatten Beamte sie durchsucht, weil der Bewohner verdächtigt wird, als Hintermann die in Deutschland verbotene Terrororganisation "Islamischer Staat" zu unterstützen. Um kurz nach elf Uhr trugen dann Beamte Umzugskartons mit sichergestelltem Material und Computer aus dem Haus. Zugleich mit 19 weiteren Objekten in NRW wurde eine Wohnung in Limperich durchsucht.

Der Bewohner in Tannenbusch, der gestern zum zweiten Mal Besuch von den Strafverfolgungsbehören bekam, verdankt seinen Status in der Islamistenszene seiner Affinität zu Computerprogrammen. So soll Semir C. unter anderem die Internetseite "Abu Z Projekt" betrieben haben, derentwegen er im vergangenen Jahr ins Visier der Ermittler geriet. Die Seite, die seinerzeit deaktiviert wurde, bot - grafisch aufwendig illustriert - islamistische Propaganda.

Beobachtern der Szene zufolge könnte Semir C. auch Kontakte zu Vertretern des seit Februar 2013 verbotenen Frankfurter Vereins "Dawa FFM" gehabt haben. Auch diese Gruppe, die personell eng verquickt war mit der Bonn-Kölner Gruppe "Die wahre Religion", hatte sich mittels Internetmedien eines einschlägigen Publikums erfreut und beispielsweise die Straßenkämpfe von Salafisten gegen die Polizei am 5. Mai 2012 in Lannesdorf glorifiziert.

Ein Protagonist bei "Dawa FFM" war ein Mann mit Kampfnamen Abu Bilal al Maghrebi. Nach Informationen des General-Anzeigers zog er nach dem Dawa-FFM-Verbot nach Bonn, wo er mutmaßlich auch Kontakte zu Semir C. unterhielt. Von Bonn aus reiste er dann nach Syrien; dort muss er vor wenigen Tagen im "Heiligen Krieg" ums Leben gekommen sein.

Getwittert hat diese Nachricht einer der Köpfe von "Tauhid", der Österreicher Mohamed Mahmoud. Dieser hatte mit dem bekannten Berliner Dschihadisten Denis Cuspert 2011 den "Tauhid"-Vorläufer "Millatu Ibrahim" gegründet. Die Gruppe war im April 2012 verboten worden. Cuspert und Mahmoud setzten sich über Umwege nach Syrien ab. Der harte Kern aber blieb aktiv, betrieb weiter Propaganda im Internet und auf der Straße. Als Cusperts und Mahmouds "Statthalter" in Deutschland fungiert bis heute Hasan K. alias Abu Ibrahim. Weil er am 1. Mai 2012, vier Tage vor den Ausschreitungen in Lannesdorf, ähnliche Krawalle in Solingen mit angezettelt hatte, verurteilte ihn das Landgericht Wuppertal vor einigen Monaten wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Widerstands gegen Polizisten zu zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis. Bislang hat K. seine Strafe jedoch nicht antreten müssen, er befindet sich auf freiem Fuß, berichtet der "Spiegel".

Sein Weggefährte Abu Bilal war nicht nur hierzulande bei "Tauhid" aktiv und beteiligte sich rege an der Koranverteilaktion "Lies", er hielt sich nach seiner Abreise aus Bonn bis zu seinem Tod mutmaßlich mit Mahmoud und Cuspert in Syrien auf, unter anderem in der IS-Hochburg Raqqa. Trotz des Verbots von "Tauhid" waren gestern längst noch nicht alle Internetseiten abgeschaltet. Auf der Facebook-Seite des "Teams Tauhid Media" prangte noch der alte Kampfspruch: "Es geht weiter - bis der Kopf fliegt." Auch für die "Dawa-Tour 2015", die Missionstour durch deutsche Städte, wurde auf Youtube noch geworben. Station wollte die Truppe demnach auch in Bonn machen.

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