Salafismus in Bonn Der Dschihad-Romantik verfallen

BONN · Wenn junge Deutsche in den "heiligen Krieg" ausreisen, ist das nicht nur ein Thema, das die Sicherheitsbehörden umtreibt. Es ist auch eines, dem große Aufmerksamkeit bei Otto-Normal-Bürgern gewiss ist. Denn viele wollen wissen, warum junge Männer und auch - immer mehr - Frauen ihr Leben riskieren, um in den Reihen von islamistischen Terrormilizen wie dem berüchtigten IS zu kämpfen.

So war am Mittwochabend denn auch der große Saal im Haus der Geschichte (HdG) fast komplett gefüllt, als dort die islamische Religionslehrerin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor ihr Buch "Zum Töten bereit. Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen" vorstellte. Die aus vielen Talkshows bekannte Muslimin, deren Eltern aus Syrien stammen, erzählt darin unter anderem von Ex-Schülern, die auf der Suche nach Anerkennung der Dschihad-Romantik verfallen sind und in den "heiligen Krieg" zogen. Neben Kaddor hatte HdG-Präsident Hans Walter Hütter auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn, Coletta Manemann, eingeladen, die im Rahmen der Ausstellung "Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland" über ihre Erfahrungen mit gefährdeten Jugendlichen sprachen und Wege aufzeigten, wie man sie vor dem Abgleiten in den Extremismus bewahren kann.

Auf die Frage von Phoenix-Moderator Michael Krons, warum sich immer mehr Jugendliche radikalisierten, beklagten beide Frauen, dass noch viel zu wenig über die Gründe geforscht würde. Und auch wenn es, wie Kaddor sagte, kein "Schema F" gebe, wissen die beiden Fachfrauen doch aus eigener Erfahrung, dass es neben Defiziten in Schule und Beruf oft "die kleinen Vorbehalte im Alltag sind, die den Jugendlichen zu schaffen machen", wie Manemann sagte.

Sie warnte zugleich aber davor zu glauben, dass es nur muslimische Jugendliche seien, die salafistischen Predigern auf den Leim gingen. "Es sind auch Jugendliche aus katholischen Familien." Dabei sei der Radikalisierungsprozess vielschichtig. Kaddor ergänzte: "Die Salafisten, die oft wie die “besseren Sozialarbeiter„ daherkommen, kriegen schnell heraus, wer labil ist und wie man ihn für sich gewinnen kann." Salafisten böten Antworten bei der schwierigen Suche nach Identifikation.

Was tun? "Wir müssen Gruppen wie den Islamischen Staat entzaubern", sagte Manemann. Doch das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betonte sie unter dem Applaus der Zuhörer. "Wir brauchen mehr Sozialarbeit, mehr Lehrer mit interkultureller Kompetenz", so Kaddor. Und auch der islamische Religionsunterricht könne einen wichtigen Beitrag leisten. "Wer sich mit Religion auskennt, lässt sich nicht so schnell etwas erzählen."

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