Salafisten in Bonn 250 Zuhörer beim Auftritt von Prediger Pierre Vogel

TANNENBUSCH · Wie ein Popstar, im Gefolge Dutzende hauptsächlich junger Menschen, betrat am Samstagnachmittag Deutschlands bekanntester Salafisten-Prediger Pierre Vogel mit halbstündiger Verspätung die Bühne an der Oppelner Straße in Tannenbusch.

 Pierre Vogel spricht über den Islam. Die Polizei steht am Rand und beobachtet die Veranstaltung des Salafisten-Predigers.

Pierre Vogel spricht über den Islam. Die Polizei steht am Rand und beobachtet die Veranstaltung des Salafisten-Predigers.

Foto: Nicolas Ottersbach

Trotz des nasskalten Wetters waren rund 250 Zuhörer verschiedenen Alters gekommen, um Vogels Vortrag "Islam, die missverstandene Religion" zu hören, im dem der Salafist zwischendurch immer wieder auf Arabisch den Koran zitierte.

Die Polizei beobachtete das Geschehen mit einem Großaufgebot von Einsatzkräften. Zwischenfälle habe es nicht gegeben, bestätigt Polizeisprecher Robert Scholten nach Vogels zweieinhalbstündigen Auftritt. Bei den Ordnungsbehörden war eine Kundgebung mit 500 Personen angemeldet worden. Zum angesetzten Beginn um 14 Uhr zählte die Polizei nur 30 Personen auf dem Parkplatz gegenüber der Haltestelle Tannenbusch-Mitte.

Das änderte sich schlagartig, als Vogel, wohnhaft in Bonn, auftauchte. Binnen Minuten versammelte sich eine Menschentraube vor der Bühne, einem Miet-Lkw mit Lautsprechern. So war es auch zum Schluss, als viele Zuhörer Fotos mit Vogel machen wollten. Das Publikum war gemischt.

In der ersten Reihe standen die Jüngsten, Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren. Weiter hinten erwachsene Männer. Dann Frauen mit Kinderwagen, teilweise voll verschleiert. Auf dem Gehweg hielten immer wieder neugierige Passanten an. Durch die Reihen rannten Ordner der Veranstaltung und sammelten Spenden für "Hilfe für Syrien". Unter den Zuhörern waren auch die Salafisten Abu Dujana und Abu Abdullah.

Die beiden Bonner sind die Hauptakteure des radikalislamischen Netzwerks "Die wahre Religion" und unterstützen derzeit über diverse Syrien-Benefizveranstaltungen islamistische Gruppierungen in Syrien. Mit seinen beiden alten Schulfreunden war auch der umstrittene Sprecher des Bonner Rats der Muslime, Karim Lakhal, gekommen. Er hielt sich am Samstag jedoch im Hintergrund. Erst als sich die Menschenmenge nach dem Vortrag auflöste, ging er gezielt auf Vogel zu, schüttelte ihm die Hand, bedankte sich leise für die Predigt und verschwand.

"Ich kenne ihn kaum, das hatte nichts mit dem Rat der Muslime zu tun", sagte Vogel später dem GA. Auch der Polizei, die mit einem Kamerawagen und Beamten der Einsatzhundertschaft den Parkplatz überwachte, war der Handschlag aufgefallen. "Polizeilich hatte das keine Bewandtnis, politisch sicherlich schon", sagt Scholten. In den nächsten Tagen müsse man die Geschehnisse innerhalb der Polizeidirektion bewerten. "Auf jeden Fall war die Versammlung friedlich."

Glaubt man Pierre Vogel, so geht es ihm nur um religiöse, nicht um politische Themen. Der islamische Fundamentalist kritisiert ein Schreiben der Stadt, das vor seinem Auftritt warnte. Den Jugendlichen empfiehlt er als Lösung ihrer Probleme das islamische Gebet.

Eine Bürgerin bezeichnet Vogel als "Rattenfänger", weil er die Menschen vom Islam überzeugen wolle, aber nichts gegen die eigentlichen Probleme der sozial Schwachen unternehme. "Kommen Sie mal zu einem Treffen der Initiative Tannenbusch und schauen Sie sich alles genau an", ruft die Frau. Vogel willigt ein; am kommenden Donnerstag möchte er vorbeikommen.

Einige Zuhörer können sich mit der Veranstaltung nicht anfreunden. "Für mich wirkt das so, als wolle man die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für bestimmte Zwecke ausnutzen", sagt ein älterer Mann. Ein junger Mann, der kurz zuhört, bezeichnet Vogels einstündige Predigt als Gehirnwäsche: "Die meisten hören doch sowieso nicht zu, die verehren ihn einfach nur wie einen Prominenten." Ein gläubiger Muslim sieht in Vogels Umfeld sogar mafiöse Züge. "Manche rennen mit dunklen Kapuzenpullis herum und schotten sich völlig von der Gesellschaft ab", sagt er.

Als bedrohlich wird die Atmosphäre dennoch von vielen Zuhörern nicht empfunden. "Jeder soll glauben, was er glauben möchte", meint ein Deutsch-Türke. Für die meisten anwesenden Jugendlichen scheint Pierre Vogel als eine Art Heilsbringer. "Er gibt uns Hoffnung", sagt ein 15-Jähriger.

Salafisten

Pierre Vogel wird vom Verfassungsschutz den Salafisten zugeordnet, einer extrem rückwärtsgewandten Strömung des Islams. Laut Verfassungsschutz streben diese Fundamentalisten, die den Koran wortwörtlich auslegen, in letzter Konsequenz einen islamischen Gottesstaat an. Einige Salafisten propagieren dafür auch den "Dschihad".

Vogel spricht sich öffentlich zwar gegen Gewalt aus, wird aber wegen seiner politisch-missionarischen Ausrichtung als gefährlich eingestuft. Dem widerspricht Vogel. Er werde missverstanden. Dennoch ruft er immer wieder mit seinen Aktionen Irritationen hervor. So hatte Vogel 2011 ein öffentliches Totengebet für Osama bin Laden organisieren wollen.

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