1,63 Milliarden Euro Wie kommt Bonn aus der Schuldenfalle?

BONN · Am 25. Mai haben die Bonner die Wahl: Wer soll für die nächsten fünf Jahre im Rat die Geschicke der Stadt lenken? Mit mehreren Themenschwerpunkten möchte der General-Anzeiger in den kommenden Wochen die Entscheidung erleichtern. Heute geht es um die städtische Finanznot. Befragt wurden alle bereits im Rat vertretenen Fraktionen.

Bonn hat 1,63 Milliarden Euro Schulden, davon 688 Millionen Euro Kassenkredite (für das laufende Geschäft), die keine Investition sind, also keinen Gegenwert schaffen. Allein 2013 häufte die Stadt ein Defizit von 57,8 Millionen an, obwohl Kämmerer Ludger Sander im August eine Haushaltssperre verhängt hatte. Besserung - nicht in Sicht.

Bis 2017 rechnet Sander mit einem weiteren Loch von 310 Millionen Euro. Hauptursachen seien wegbrechende Gewerbe- und Einkommensteuern, wachsende Sozialkosten, weniger Landeszuweisungen. Auch die Ausgaben fürs Stadtpersonal steigen: Nach dem aktuellen Tarifabschluss wird Bonn ab 2015 allein für seine Beschäftigten (Angestellte/Arbeiter) rund 6,8 Millionen Euro mehr zahlen als bisher - das entspricht etwa 130 durchschnittlichen Vollzeitstellen.

So viele Posten müsste die Stadt also streichen, um die Personalkosten der Beschäftigten wenigstens stabil zu halten. Dabei sind die Beamten nicht einmal berücksichtigt, deren Tarifrunde 2015 bevorsteht.

Erhebliche Risiken und Zukunftslasten hat der Kämmerer noch gar nicht eingepreist: steigende Kreditzinsen, den millionenschweren Sanierungsstau städtischer Gebäude, künftige Pensionen der Beamten oder die Folgen des WCCB-Skandals: Zwar sind rund 70 Millionen Euro für die Fertigstellung des Konferenzzentrums eingeplant, aber wenn die Stadt den drohenden Bürgschafts-Prozess gegen die Sparkasse Köln-Bonn verliert, muss sie sich weitere 82 Millionen Euro leihen.

Wegen der Haushaltsnot fordern Sander und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch eine "befristete" Erhöhung der Grundsteuer. Außerdem wollen sie ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept (HSK), bei dem strenge Sparauflagen unter Aufsicht der Bezirksregierung Köln gelten würde.

  • Das sagt die CDU: "Durch die Fehlprognose bei der Gewerbesteuer, Steigerungen bei den Sozialausgaben und rückläufige Landeszuweisungen aufgrund der neuen Zensusfestlegung ist das angestrebte Jahr 2017 für einen Haushaltsausgleich nicht mehr realistisch", erklärt Parteichef Christos Katzidis. "Es dürfte eher 2020 werden." Ein freiwilliges HSK lehne die CDU ab. Die Ausgaben müssten strukturell gesenkt werden: "Diese Aufgabe wollen wir selbst angehen und nicht in die Hand der Regierungspräsidentin legen."
  • Die CDU wolle keine Steuererhöhungen: "Sie wären nur das letzte Mittel, wenn die nachhaltige Ausgabenreduzierung nicht gelingen würde. Wir wollen Aufgaben reduzieren und Personalkosten senken (zum Beispiel Eröffnung Haus der Bildung und dafür Schließung von Stadtteilbüchereien), Baustandards und damit Baukosten senken (zum Beispiel Außenanlagen von Gebäuden) und Kultureinrichtungen zusammenführen (zum Beispiel bei überzähligen Theaterstandorten).
  • Das sagt die SPD: Bis 2020 soll der Haushalt ausgeglichen sein. Auslaufende Verträge und Verpflichtungen, die den Etat bis 2018 binden, müssten angepasst werden, betont Fraktionschefin Bärbel Richter. "Daher ist für uns eine Bürgerbeteiligung 2017 Voraussetzung für Haushaltsberatungen ab 2018." Zur Stabilisierung des Haushaltes habe die SPD die Prüfung eines freiwilligen HSK gefordert. Richter: "Eine Strategie von bloßen Steuererhöhungen lehnen wir ab. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt darf nicht durch Grundsteuererhöhungen verschlechtert werden."
  • Da die Stadt aus eigener Kraft nicht in der Lage sei, ihre Aufgaben für die Zukunft zu erfüllen und die Kreditaufnahme zu begrenzen, müssten Bund und Land für eine bessere Finanzausstattung sorgen. Die Renovierung der Beethovenhalle solle auf das nötige Maß beschränkt werden. In den geförderten Wohnungsbau müsse investiert werden, um bei den Kosten der Unterkunft sparen zu können. Auch im Kulturhaushalt sehe man Sparpotenzial.
  • Das sagen die Grünen: Sie lehnen ein freiwilliges HSK ab und streben einen ausgeglichenen Haushalt bis 2017 an. Der Rechnungsabschluss für 2013 bestätige, dass dieses Ziel erreichbar sei. "Der von OB Nimptsch und anderen Fraktionen erhobenen Forderung, die Leistungen für die Bürger zu kürzen, erteilen wir eine klare Absage", so Fraktionssprecher Peter Finger. Auch eine Erhöhung der Gewerbe- und der Grundsteuer sei ausgeschlossen, solange nicht alle Einsparpotenziale bei der Stadtverwaltung selbst gehoben sind.
  • Dort sehen die Grünen weiterhin relevante Sparmöglichkeiten: "Durch effizienten Einsatz des Personals und sparsame Bewirtschaftung der Sachkosten, über eine konsequente Steuerung der städtischen Beteiligungen sind zudem noch Millionenerträge zu erwirtschaften." Sprich: Stadttöchter wie die Stadtwerke sollen mehr abwerfen. Die aktuelle Haushaltsstrategie der Ratskoalition, die von den Grünen maßgeblich erarbeitet worden sei, führe 2017 sogar zu einem Überschuss im Haushalt.
  • Das sagt die FDP: "Solide Finanzpolitik ist uns wichtiger als eine populistische Gefälligkeitspolitik. Daher sind wir auch zu einer Haushaltspolitik mit nachhaltigen Einschnitten im Finanzbereich bereit", erklärt FDP-Vorsitzender Werner Hümmrich. Einen ausgeglichenen Haushalt strebe die Partei für 2020 an: "Dies ist nur mit einem freiwilligen Haushaltssicherungskonzept erreichbar. Dies würde uns Selbstbestimmung, wenn auch in eingeschränkter Form, ermöglichen." Eine Erhöhung der Gewerbe- und der Grundsteuer sei nicht der richtige Weg.
  • Die Stadt habe kein Problem mit den Einnahmen, sondern mit den Ausgaben. Hümmrich: "Daher müssen wir in erster Linie die Ausgaben senken und nicht die Steuern und Gebühren erhöhen. Das Prestigeobjekt Fahrradhauptstadt sollte nicht weiter verfolgt werden. Im Rahmen eines zukunftsfähigen Bäderkonzeptes ist das baufällige Frankenbad zu schließen. Die Mittel beim Städtischen Gebäudemanagement müssen gesenkt werden."
  • Das sagt der Bürger Bund Bonn (BBB): "Wir stehen zum Ratsbeschluss, den Haushalt in Aufwand und Ertrag spätestens zum Jahr 2020 auszugleichen", versichert der Vorsitzende Bernhard Wimmer. Binnen vier Jahren seien die Schulden der Stadt von 1,231 Milliarden um 35 Prozent auf 1,633 Milliarden Euro gewachsen. "Um diese Geisterfahrt zu stoppen, hatten wir im Oktober 2012 und im November 2013 beantragt, ein HSK unter strikter Anwendung der dafür geltenden Vorschriften zu beschließen.
  • Die Ratsmehrheit hat unsere Anträge vom Tisch gefegt. Wir hoffen auf eine neue Mehrheit." Steuererhöhungen kämen für den BBB nicht in Frage. Die Stadt habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Angesichts eines jährlichen Defizits von rund 60 Millionen Euro helfe nur eine gleichmäßige Kürzung aller Ausgaben, deren Höhe nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, um jährlich mindestens fünf Prozent. Wimmer: "So kommen wir zum Haushaltsausgleich."
  • Das sagt die Linkspartei: "Ein Haushaltsausgleich nur aus eigener Kraft käme Bonn teuer zu stehen", unterstreicht Fraktionschef Michael Faber. Ohne gerechte Steuerreform auf Bundesebene und höhere Steuern für Vermögende sei dieser in Bonn nur durch drastische Einschnitte in die soziale und kulturelle Substanz zu erreichen. "Das ist mit uns nicht zu machen!" Dennoch blieben Aufgaben vor Ort zu erledigen: Sparen könne man "bei den exorbitanten Kosten für externe Berater".
  • Die WCCB-Fertigstellung nach dem Motto "koste es, was es wolle" lehne die Linke ab. Faber: "Ein neues Festspielhaus verbietet sich, solange die Stadt nicht mal Bestehendes vor dem Verfall bewahren kann. Auch die Einnahmen müssen steigen: nicht durch Grundsteuererhöhungen. Die würden auf die Mieten durchschlagen." Aber bei der Gewerbesteuer brauche Bonn mehr Betriebsprüfer, die die großen Konzerne und deren Bilanzen untersuchen. Das schaffe Steuergerechtigkeit und steigere Einnahmen ohne Steuererhöhung.
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