Godesberger Gegensätze Schullandschaft in Bad Godesberg: Wenige Berührungspunkte

Bad Godesberg · Im Stadtbezirk gibt es überproportional viele Privatgymnasien. Auf der anderen Seite stehen die Hauptschüler, die als schwierig gelten. Schülersprecher und Rektoren schätzen die Lage in Bad Godesberg ein.

 Konzentriert: Die Schüler des Amos-Comenius-Gymnasiasiums beim Unterricht im Deutsch-Leistungskurs.

Konzentriert: Die Schüler des Amos-Comenius-Gymnasiasiums beim Unterricht im Deutsch-Leistungskurs.

Foto: Ronald Friese

Wie die Johannes-Rau-Hauptschüler in Godesberg angesehen werden? Die Antwort von Schülersprecher Mario Stigliano erschreckt: "Viele sagen Kanakenschüler, und sie denken, dass wir alle die schlimmen Schüler sind." Stimmt aber nicht, meint der 15-Jährige. Wichtig für ihn sei, "dass bei uns Schüler aus anderen Ländern, also Asylanten aufgenommen werden, die andere nicht nehmen." Sollte dieses Engagement nicht den Ruf der Schule verbessern?

Einen guten Ruf - den hat das evangelische Amos-Comenius-Gymnasium, das nur gut 400 Meter von Marios Hauptschule entfernt liegt. Die Amos-Schüler hätten ein ganz gutes Ansehen, fast schon einen "Öko-Ruf", sagt Marios Pendant, Schülersprecherin Jule Eckert (16). Schulleiter Christoph Weigeldt nennt das, "Fahrradschule" zu sein. "Aber das kann man auch als Kompliment sehen", meint Jule. Und erkennt sie Gegensätze zu den Hauptschülern drüben? Ja, aber keine großen. "Es wäre doch langweilig, wenn wir alle gleich wären."

Johannes-Rau-Rektorin Christine Heidbreder hat mit Nachbarschaftsbeschwerden zu kämpfen. "In den Köpfen hat sich da einiges festgesetzt, was nicht der Realität entspricht." Mario reagiert nachdenklich: Die Amos-Schüler seien schon "ruhiger und konzentrierter als wir, wahrscheinlich, weil sie das Abi machen wollen. Sonst sind wir aber alle gleich."

Schullandschaft ist sehr speziell

Ob das in Bad Godesberg viele so sehen? Das Thema Bildung polarisiert auf jeden Fall. Die Schullandschaft ist nicht nicht nur wegen Hauptstadtzeiten sehr speziell. Von gut 6800 Jugendlichen in weiterführenden Schulen besuchten im Schuljahr 2014/15 fast 4400 Gymnasien. Zum Vergleich: Nur 265 gingen zur Hauptschule.

Dazu ballen sich in keinem Stadtbezirk die Privatgymnasien so wie in Bad Godesberg. Vier, das jesuitische Aloisiuskolleg, die Otto-Kühne-Schule (Päda), das erzbischöfliche Clara-Fey- und das Amos-Comenius-Gymnasium, beschulen im Vergleich zu den beiden städtischen, dem Konrad-Adenauer- und dem Nicolaus-Cusanus-Gymnasium, fast drei Viertel aller Gymnasiasten (siehe Zahlen unten). Der Großteil der Viertklässler will also jedes Jahr den Sprung in diese vier Gymnasien schaffen.

Konfliktpotenzial lauert im Gegensatz der Schultypen

Kenner der Szene wie Wolfram Kuster, Ex-Lehrer am Pädagogium, loben das gute Bildungsangebot, das auch Jugendliche von Wachtberg bis Ahrweiler anziehe. Kuster warnt aber vor dem Konfliktpotenzial, das im Gegensatz der Schultypen lauere: Wenn etwa allzu viele Schüler der Privatgymnasien täglich "in dicken Schlitten" vorgefahren würden, während sich die Haupt- und Realschüler in Bussen drängten.

"Natürlich ist da was dran, dass sich Konflikte hochgeschaukelt haben. Doch die Lage hat sich inzwischen beruhigt", sagt Kuster, der über Jahre mit seiner Initiative "Go respect" Aufklärung gegen Gewalt zwischen Jugendlichen betrieb.

"Es tut sich was. Wichtig sind Kontinuität und Nachhaltigkeit." Ein eklatanter Fehler sei jedoch die geplante Zusammenlegung der beiden Realschulen. Wo sollten zukünftig die vielen "Rückläufer" hin, die die Gymnasien verließen - sofort in die Hauptschule? "Wir brauchen sowohl die Gertrud-Bäumer- als auch die Carl-Schurz-Schule. Wir brauchen gerade in Godesberg das breite Realschulangebot", sagt Kuster. Mit einer Zusammenlegung würde die hiesige Schullandschaft noch unausgewogener.

Sind die Unterschiede der Schulformen wirklich so krass?

Am Beispiel Pennenfeld lassen sich erst einmal wenige Berührungspunkte entdecken. "Kontakte? Eher nicht. Ich persönlich kenne zwei, drei Leute vom Fußball", sagt Mario. Man kenne sich aus der Grundschule, Nachbarschaft oder den Sportvereinen, aber Freundschaften außerhalb der eigenen Schule ergäben sich ohnehin selten, meint Jule. Sie erlebe aber keinen Neid der Hauptschüler.

"Es ist eher so, dass wir kaum miteinander sprechen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das auch arrogant wirken kann." Mario wird direkter. "Vielen von uns gefällt es nicht, dass Gymnasiasten angeben und sich für was Besseres halten." Wobei er die Amos-Schüler als nicht überheblich ausnimmt. Konflikte gebe es so gut wie nicht, meint Mario knapp. Früher habe nach der Schule schon Streit an den Bushaltestellen gegeben, schränkt Jule ein. Gemeinsame Aktivitäten wie "Pennenfeld United" würden die Gleichaltrigen aber verbinden.

Akzeptanz der Schüler untereinander steigt

Mit Projekten wie dem Sportfest, das dieses Jahr ausgefallen ist, arbeiten die fünf weiterführenden Schulen in Pennenfeld seit 2010. Dazu gehören auch die "KLiB" (Konfliktlotsen im Bus), die "Streitschlichter" und "Fremde Kulturen begegnen sich". Die Akzeptanz der Schüler untereinander sei dadurch spürbar gestiegen, sagen beide Schulleiter.

"Da geht es immer sehr friedlich und freundschaftlich zu", so Heidbreder. An den Bushaltestellen stünden Lehrer als Aufsichten, die helfen, wenn sich die Schüler nach langen Vormittagen dort "knubbeln", sagt Weigeldt. Nach einem Konflikt sei Heidbreder einmal mit ihren Schülern gleich zu ihm gekommen, man habe sich in einer Schülerrunde ausgesprochen. "Da war eine große Neugierde, aber auch Offenheit spürbar. Diese Aktion war einfach klasse. Der direkte Kontakt ist sehr hilfreich."

[kein Linktext vorhanden]Heidbreder betont, dass die aktuelle "Befriedung" der Schullandschaft auch auf dem Engagement des Arbeitskreises "Pennenfeld" unter der Federführung des Quartiersmanagements basiere. Und auf dem für Bonn einmaligen "Pädagogischen Schulnetzwerk Godesberg", dem alle Schulformen, also auch das Friedrich-List-Berufskolleg, angehören. "Dieses Netzwerk ermöglicht Lernbiografien ohne Brüche. Wir informieren die Eltern gemeinsam, führen Erprobungsstufenkonferenzen durch und tauschen uns intensiv aus - besonders hinsichtlich der schulischen Übergänge."

Perspektiven für Hauptschüler

Es liege an jedem Einzelnen, wie er sich entwickelt, sagt Mario. "Man kann auch mit Hauptschulabschluss weiterkommen. Nur der Wille zählt." Viele seiner Freunde machten inzwischen ihr Fachabitur. Marios Rektorin verweist darauf, dass dank des Schulnetzwerks immer mehr Hauptschülern klar werde, dass sie die Bildungsgänge an den Berufskollegs anschließen könnten. "Dadurch sind die Perspektiven auf einen Ausbildungsplatz oder das Fachabitur für unsere Klientel sehr realistisch."

Und dann gebe es natürlich Senkrechtstarter wie ihre heutige Kollegin Leyla Dilbaz oder den Johannes-Rau-Abgänger, der es zum Ingenieur bei Mercedes geschafft habe. Aber es gebe auch die andere Seite: Hauptschüler, die ohne Abschluss dastünden und quasi chancenlos auf dem Arbeitsmarkt seien. Genau hier setze erneut die Perspektivsuche der Schule an.

Etwa in der Jugendwerkstatt der Caritas oder bei Ausbildungsgängen mit hohen Praxisanteilen münde das Engagement dann "oft" in ein Ausbildungsverhältnis, so die Rektorin.

Realschulen seien gerade in Godesberg wichtig

Heidbreder ist eine Kämpferin, die nicht an der bisherigen Schulartenaufteilung rüttelt. "Die Hauptschule als Schulform ist totgesagt. Aber uns gibt es noch, und das sogar mit steigenden Schülerzahlen. Ich denke, es sollte Ruhe einkehren."

Ihre Schulen ergänzten sich und arbeiteten alle im Netzwerk zusammen, um die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen zu fördern, betont auch Weigeldt, der sich - wie Kuster - gegen die geplante Schließung der Carl-Schurz-Realschule ausspricht. Beide Realschulen seien "durch ihr differenziertes Angebot gerade in Bad Godesberg mit seinem Strukturwandel wichtig".

Die beiden Schülersprecher wiederum fänden die Idee gemeinsamen Lernens gar nicht so schlecht. "Es wäre besser, wenn alle zusammen wären wie in der Gesamtschule", meint Mario.

Jule vermutet, dass längeres gemeinsames Lernen die Bildungsgerechtigkeit und damit die Berufschancen von Hauptschülern erhöhen würde. "Ich gehe gerne aufs Amos. Trotzdem fände ich ein einheitliches Gesamtschulmodell, um von und miteinander zu lernen, besser."

Für die Zukunft sollte man überlegen, "wie mehr Begegnungen entstehen", wünscht sich Jule. Und Mario schickt gleich ein konkretes Angebot zurück. "Ein Fußballturnier Johannes-Rau und Amos: Wie wäre das?"

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