Interview mit Jürgen Nimptsch „Es ist eine Chance für Bonn, die vertan ist“

BONN · Der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch sieht nach dem Aus für das Festspielhaus die Beethovenhalle und das WCCB als Ersatzspielstätten für das Jubiläumsjahr 2020.

Wurde die Verwaltungsspitze Bonns vom Post-Rückzug kalt erwischt? Mit OB Jürgen Nimptsch sprach Andreas Mühl.

Mit der Post zieht sich nun der zweite Großinvestor in Ihrer Amtszeit aus dem Festpielhausprojekt zurück. Kommt dieser Schritt für Sie zu diesem Zeitpunkt überraschend?
Jürgen Nimptsch: Ja, das kam überraschend. Ich bin am Dienstagmorgen von Herrn Appel von der Entscheidung des Vorstandes informiert worden. Ich hatte Herrn Dr. Appel Anfang Mai mitgeteilt, dass wir in Bezug auf das Festspielhaus vieles schon erledigt oder gut auf den Weg gebracht haben. Dazu gehörten zum Beispiel der Erwerb des Grundstückes, die Bebauungsplanentwicklung und die Vorbereitung der Stiftungsgründung. Vieles war reif für eine Entscheidung in der Ratssitzung am kommenden Donnerstag. Wir waren nach meiner Überzeugung auf einem guten Weg, die Post-Entscheidung hat sich nicht angedeutet.

Sie haben das Projekt persönlich unterstützt. Empfinden Sie das Scheitern als persönliche Niederlage?
Nimptsch: Es ist eine Chance für Bonn, die vertan ist und die als Idee weit vor meiner Amtszeit geboren wurde.Die Entscheidung der Post richtet sich nicht gegen die Verwaltung; sie wird für ihre stringente Arbeit an dieser Stelle allseits gelobt. Insgesamt beschreibt die Post eher das Gefühl, dass sie von Beginn an den Schulterschluss in der Stadt vermisst hat und es deswegen auch offenbar für sie schwierig gewesen sei, weitere Sponsoren zu gewinnen. Projekte dieser Art und Größenordnung gelingen aber nie im Schulterschluss von Anfang an. Es sind zumeist Mehrheitsentscheidungen, manchmal auch sehr knappe. Das wäre auch beim Festspielhaus so gewesen. Auch in anderen Städten haben die Entscheidungen über den Bau von Konzertsälen lange gedauert, z.B. in Sydney oder Salzburg. Man braucht dazu einen langen Atem und man darf das nicht nur unternehmerisch betrachten.

Sind Sie enttäuscht?
Nimptsch: Ich bin enttäuscht, aber auch Realist. Realist insofern, dass wir es in dieser Stadt schon oft geschafft haben, eine negative Nachricht oder Entwicklung letztlich zum Guten zu wenden. Bestes Beispiel dafür ist der Hauptstadtbeschluss gegen Bonn und für Berlin. Wir dürfen die Entscheidung bedauern, müssen aber gleichzeitig nach vorne blicken.

Sie selbst hatten mehrfach angedeutet, dass für dieses Vorhaben ein Ruck durch die Stadt gehen müsse. Diesen konnte man zuletzt nicht verspüren. Woran lag es?
Nimptsch: Ich habe in den vergangenen sechs Jahren zum diesem Thema viele Veranstaltungen erlebt und tausende von Gesprächen geführt. Von Beginn an war die Stimmung in der Stadt bis heute etwa hälftig geteilt. Mit der Vorstellung der Architekturentwürfe im vergangenen Jahr gab es ein Stimmungshoch, das jüngste Gutachten zum Businessplan bestärkte hingegen wieder die Skeptiker. Eine politische Mehrheit war aber möglich, schließlich hätten wir das neue Konzerthaus fast geschenkt bekommen.

Bedeutet das Scheitern einen großen Imageverlust für die Stadt Bonn?
Nimptsch: Nein, das ist definitiv kein Imageverlust. Wir haben gerade im Bereich der Kultur auch jetzt ohne Festspielhaus bundesweit ein herausragendes Image und schneiden bei allen Rankings sehr gut ab, nicht zuletzt, weil wir hohe Summen für den Kulturbereich ausgeben. Der 250. Geburtstag Beethovens im Jahr 2020 bietet uns großartige Chancen, die wir in jedem Fall nutzen werden und wozu wir auch eine erstklassige Spielstätte brauchen.

Was bedeutet der Rückzug der Post für künftige Großprojekte?
Nimptsch: Das ist nicht nur in Bonn tatsächlich ein schwieriges Thema. Großprojekte haben es bundesweit schwer, weil sich oft Widerstand regt; das gilt für Bahnhöfe, Flughäfen, Stromleitungen, Windräder und eben auch für Festspielhäuser.

Jetzt muss die Beethovenhalle sehr teuer saniert werden. Ist das finanzierbar und wie soll sich Bonn im Hinblick auf das Beethovenjubiläum im Jahr 2020 nun aufstellen?
Nimptsch: Eine Sanierung allererster Güte für die Beethovenhalle können wir uns nicht leisten. Wir haben die dafür notwendigen 75 Millionen Euro einfach nicht. Deswegen hat unter den neuen Vorzeichen unser Bundestagsabgeordneter Uli Kelber in Absprache mit mir sofort damit begonnen, für seine Idee zu werben, dass der Zuschuss des Bundes, also die bislang zugesagten 39 Millionen Euro für die Stiftung, nunmehr für die Sanierung der Beethovenhalle zur Verfügung gestellt werden. Das wird politisch nicht einfach, ist aber durchaus möglich. Dazu kommt die akustische Aufrüstung des großen Saales in unserem Konferenzzentrum. Wenn die Beethovenhalle saniert und der Musiksaal im WorldCCBonn eingerichtet ist, sind wir für das Beethovenfest im Jahr 2020 sehr gut aufgestellt.

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