Oberlandesgericht in Düsseldorf Gescheiterter Bonner Bombenanschlag wird verhandelt

BONN/DÜSSELDORF · Das festungsartige Gebäude im Süden Düsseldorfs gilt als "Hochsicherheitstrakt der NRW-Justiz" und sucht deutschlandweit seinesgleichen. Prozessbesucher gelangen dort nur hinein, wenn sie auf Herz und Nieren überprüft worden sind.

Das 2004 in Betrieb genommene Gebäude war und ist Prozessort "besonders sicherheitsbedürftiger Strafverfahren", wie es offiziell heißt. So fanden hier beispielsweise Prozesse gegen Al-Kaida-Mitglieder im Zusammenhang mit den Anschlägen am 11. September 2001 statt.

Von Montag an stehen vier Islamisten vor dem 5. Strafsenat, darunter auch der mutmaßliche Bombenleger vom Bonner Hauptbahnhof. Bis ins Frühjahr hinein sind Verhandlungstermine anberaumt. Mehr als 30 akkreditierte Medienvertreter - unter ihnen auch vom General-Anzeiger - werden dem Prozess beiwohnen.

Zum einen werden der vor seiner Festnahme in Bonn wohnhafte Marco G. (27) und seine drei mutmaßlichen Komplizen beschuldigt, gemeinsam einen Mordanschlag auf den Vorsitzenden der Partei Pro NRW, Markus Beisicht, geplant und vorbereitet zu haben.

Zum anderen geht der Generalbundesanwalt als Ankläger mit der Überzeugung in den Prozess, dass Marco G. als Einzeltäter für den gescheiterten Bombenanschlag im Bonner Hauptbahnhof verantwortlich ist. Mit einer Rohrbombe in einer blauen Sporttasche, so der Generalbundesanwalt, habe er möglichst viele Menschen töten wollen. Bei einem Schuldspruch entsprechend der Anklage droht G. lebenslange Haft.

Am 10. Dezember 2012 gegen 13 Uhr war die verdächtige Tasche auf Bahnsteig 1 entdeckt worden. Die darin befindliche Bombe explodierte nicht, weil sie den Ermittlern zufolge entweder falsch konstruiert oder aber die Zündvorrichtung instabil war.

Eine These kursiert, wonach Tritte von Passanten gegen die Tasche möglicherweise eine Explosion verhindert hätten. In der Tat waren zwei Jugendliche auf das blaue, herrenlose Gepäckstück mit dem explosiven Inhalt aufmerksam geworden, als ein Dunkelhäutiger es ihnen vor die Füße trat. Laut dem "Spiegel" soll schon zuvor ein Bahnreisender die Tasche unter der Bank hervorgezogen und dagegengetreten haben. Erst dann öffnete er sie und alarmierte die Bahnangestellten.

[kein Linktext vorhanden]In Behördenkreisen hieß es später, dass ein ruppiger Umgang tatsächlich dazu geführt haben könnte, dass sich Kontakte an der Bombenkonstruktion lösten und es deshalb nicht zu der von Marco G. für 13.30 Uhr geplanten Explosion kam. Denn die Ermittler gehen davon aus, dass die Bombe keine Attrappe, sondern ein funktionierender Sprengsatz war.

Man sei überzeugt, dass G. möglichst viele Menschen töten wollte, hieß es bei Bekanntgabe der Anklage im Januar. Bei einer Ausspähaktion der Islamisten auf Beisichts Wohnung in Leverkusen griffen Polizisten am 13. März zu und nahmen G. und die Mitangeklagten fest.

Eine Schlüsselrolle könnte also in dem Verfahren der Frage zukommen, ob der mutmaßliche Sprengsatz zündfähig gewesen ist oder nicht. Zur Bedeutung dieses Aspekts sagt der Düsseldorfer Fachanwalt für Strafrecht, Andreas von Dahlen: "Wenn sich zur Überzeugung des Gerichts nicht erweisen ließe, dass ein zündfähiger Sprengsatz in der Tasche gewesen ist, ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder der Angeklagte wusste dies - oder er irrte und dachte fälschlicherweise, dass es sich um einen zündfähigen Sprengsatz gehandelt habe."

Im ersten Fall käme zumindest eine Verurteilung wegen versuchten Mordes und der tateinheitlich versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion nicht mehr in Betracht.

Komplizierter sei die zweite Variante. Von Dahlen: "Wenn der mutmaßliche Täter unzutreffenderweise der Annahme gewesen sein sollte, einen funktionierenden Sprengsatz mit sich zu führen, läge die Konstruktion eines 'untauglichen Versuchs' vor, die gleichwohl strafbar ist". Allerdings: In diesem Falle habe der Senat die Möglichkeit, das Strafmaß zu mildern.

Letztlich kann die Frage wohl nur geklärt werden, wenn sich Marco G. dazu äußert. Dass er die Tat abstreiten wird, darf als äußerst unwahrscheinlich gelten. Offensichtlich gibt es einen Brief von G. an den ehemaligen Linksterroristen und bekennenden Al-Kaida-Sympathisanten, Bernhard Falk.

In einem Internetvideo liest Falk aus dem Brief vor, in dem von der "Pflicht zum Jihad" und der "Überlegenheit über das ungläubige Volk" die Rede ist. Zudem appelliert Marco G. an die Solidarität der "Geschwister, zahlreich zum Prozessauftakt vor dem Taghutgericht zu kommen".

Mit dem Begriff Taghut umschreiben Islamisten gemeinhin ein aus ihrer Sicht böses, korruptes System. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir auf den Prozess vorbereitet sind", sagt Falk und ergänzt nebulös: "Unsere Aufgabe ist es, Zeichen der Solidarität zu setzen."

Auf den Prozessauftakt vorbereitet fühlt sich jedenfalls die Düsseldorfer Polizei: "Wir haben schon mehrere Prozesse in diesem Stil begleitet und haben alle Bewegungen im Umfeld im Blick", sagte eine Polizeisprecherin dieser Zeitung am Donnerstag. So würden beispielsweise auch Aufrufe im Internet aufmerksam verfolgt. Angemeldet ist für Montag in Nähe des Gerichts nur eine Kundgebung: und zwar von den Aktivisten der islamfeindlichen Partei Pro NRW.

Die Anklage

Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) klagt den 27 Jahre alten Marco G. aus Tannenbusch wegen versuchten Mordes an. Neben G. müssen sich drei weitere Männer im Alter von 24 bis 44 Jahren wegen des Vorwurfs der Gründung einer terroristischen Vereinigung und der Verabredung zum Mord von Montag an vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Das Quartett soll sich aus religiösem Fanatismus zu einer Terrorgruppe zusammengeschlossen und Attentate auf Mitglieder der Partei Pro NRW geplant haben.

[kein Linktext vorhanden]"Die Männer haben sich unter dem Einfluss militant-islamischer Propaganda radikalisiert", hatte Generalbundesanwalt Harald Range im März bei der Bekanntgabe der Anklage gesagt. Nach Einschätzung der GBA hat Marco G. am 10. Dezember 2012 den gescheiterten Sprengstoffanschlag am Hauptbahnhof vorbereitet. G. soll den selbstgebauten Sprengsatz in einer Tasche auf Bahnsteig 1 abgestellt haben.

Aufgrund eines Konstruktionsfehlers oder eines instabilen Zünders explodierte die Bombe nicht. Bei den anderen Angeklagten handelt es sich um den albanischen Staatsangehörigen Enea B. (44), den Deutsch-Türken Koray D. (25) und den Deutschen Tayfun S. (24). Gemeinsam mit Marco G., einem zum Islam konvertierten Deutschen, sollen sie geplant haben, Mitglieder von Pro NRW zu töten.

Am 13. März 2013 vereitelte die Polizei einen Mordanschlag auf Pro-NRW-Chef Markus Beisicht in Leverkusen, wenig später erfolgte die Festnahme des Quartetts. Es habe zwar keinen direkten Auftrag ausländischer Terrorgruppen gegeben, so Range. Jedoch seien sie durch eine radikalislamistische Internet-Botschaft zu den Taten motiviert worden.

Das Prozessgebäude des Staatsschutzsenats

Verhandelt wird von Montag an vor dem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) mit einer Sonderzuständigkeit für staatsgefährdende Straftaten. Der Hochsicherheitstrakt im Süden der Stadt wurde 2004 eingeweiht.

Seine Sicherheitsvorkehrungen galten bei der Eröffnung als bahnbrechend: Die Zugänge sind durch fünf Eingangsschleusen und zwei Anlagen zur Gepäckdurchleuchtung gesichert. Es gibt einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach für den Transport besonders gefährlicher Angeklagter oder gefährdeter Zeugen und zwei schalldichte Sitzungssäle.

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