Prozessauftakt in Düsseldorf Bonner Bombe: Schweigen hinter Plexiglas

DÜSSELDORF · Der erste Tag im Prozess gegen Marco G. und seine mutmaßlichen Komplizen deutet auf eine zähe und mühsame Hauptverhandlung hin.

Warten an der Einlasskontrolle, warten im Foyer. Warten auf die Prozessbeteiligten, warten auf das Ende der Sitzungsunterbrechung. Gelegenheit, sich in der Tugend der Geduld zu üben, bietet dieser erste Verhandlungstag im Prozess gegen vier Islamisten reichlich. Und spätestens als er am Abend gegen 19 Uhr endet und die Sonne tief über dem nahen Rhein steht, da dämmert manch einem, dass sich die Öffentlichkeit vermutlich auf ein langes und zähes Ringen einstellen muss, bis ein Urteilsspruch zu erwarten ist.

Mit Spannung erwarten am Morgen knapp 40 Medienvertreter und etwa gleich viele Besucher den Beginn der lange erwarteten Hauptverhandlung gegen Marco G. (27), Enea B. (44), Koray D. (25) und Tayfun S. (24). Vor dem Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Süden der Stadt liegt Zigarettenrauch in der Luft, gleich neben dem martialisch wirkenden Stacheldrahtzaun um die schmucklose Baukonstruktion mit ihrem überdimensionalen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach nutzen einige Rentner die Morgenstunde zur Pflege improvisiert wirkender Schrebergärten.

Grund für die eineinhalbstündige Verzögerung gleich zu Beginn: Einem der Angeklagten fehlt die Zivilkleidung; vor allem aber ist dem Gericht vier Minuten vor dem geplanten Auftakt per Fax ein Anwaltschreiben mit einem Befangenheitsantrag zugegangen. Auch erste Interviews dienen zur Überbrückung des Leerlaufs. Bundesanwalt Horst Salzmann bekräftigt die Überzeugung seiner Behörde, dass Marco G. mit dem gescheiterten Bombenanschlag auf dem Bonner Hauptbahnhof am 10. Dezember 2012 einen ernsten Versuch mit einem funktionierenden Sprengsatz unternommen habe und viele Menschen töten wollte, was er bei der Verlesung der Anklageschrift in ausführlicher Form wiederholen wird.

Der Bonner Rechtsanwalt Mutlu Günal, Strafverteidiger von Marco G., weiß den Reportern hingegen von einer vermeintlichen Ermittlungsakte des Bundeskriminalamts zu erzählen, welche die vermeintliche Bombe als Attrappe identifiziere. "Die Ermittlungen sind ein Fall von Pleiten, Pech und Pannen", sagt Günal und ergänzt auf die Frage, wie sich denn sein Mandant im Verfahren verhalten werde: "schweigend".

Eine leichte Änderung erfährt dieser Plan dann doch, als Marco G. als erster der vier Angeklagten vorerst mit Fußfesseln in den Saal geführt wird. "Allahu Akbar", Gott ist groß, ruft der Konvertit aus Bonn-Tannenbusch mit erhobenem Zeigefinger und grüßt einige Bekannte im Zuschauerraum.

Mit seinem schwarzen Bart, der schwarzumränderten Brille und der ebenfalls schwarzen Kappe hat er auf den ersten Blick wenig gemein mit dem scheinbar rotbärtigen Verdächtigen, der an jenem 10. Dezember mit der blauen Sporttasche von der Kamera eines Schnellrestaurants gefilmt wurde.

In der Tasche soll sich die Bombe befunden haben. Deren Zündmechanismus, so deutet sich in vielen Gesprächen am Rande des Prozessauftaktes schon an, wird den 5. Strafsenat noch eingehend beschäftigen. Von einer möglichen Verfahrensdauer von zwei Jahren ist plötzlich die Rede.

Marco G. indes wirkt hinter der dicken Plexiglasscheibe und umgeben von Wachpersonal, als ginge ihn das Geschehen im Saal eigentlich nichts an. Hin und wieder huscht ein Lachen über sein Gesicht, als es zum Blickkontakt mit einem der mutmaßlichen Komplizen kommt. Und die 180 000 Seiten Ermittlungsakten, die sich - verteilt auf 360 Ordner - säuberlich in den Regalen reihen, beeindrucken ihn schon gar nicht. "Bruder Marco ist ein sympathischer junger Mann", erklärt in der nächsten Pause Bernhard Falk, heutzutage Islamist, ehedem Linksterrorist und selbst mit der Erfahrung einer satten Haftstrafe durch das OLG Düsseldorf ausgestattet, bevor er den Platz im Scheinwerferlicht den Vertretern der islamfeindlichen Partei Pro NRW überlässt.

Mit rund 25 Teilnehmern hält die Splittergruppe unweit des Gerichtsgebäudes eine Mahnwache ab. Mit dabei ist auch Parteichef Markus Beisicht, den das angeklagte Quartett nach Überzeugung der Bundesanwälte im März 2013 gemeinsam ermorden wollte.

Bis in die Beweisaufnahme schafft es der erste Prozesstag nicht. Geprägt ist er hingegen von einer kleinen Salve an Befangenheitsanträgen der Verteidigung gegen den gesamten Senat, was die prägnanten Wortwechsel zwischen dem Vorsitzenden Frank Schreiber und den Anwälten nicht harmonischer macht.

"Die US-Amerikanisierung aller Lebensbereiche hat längst auch die Strafverfolgungsbehörden erreicht", klagt der Bonner Verteidiger Peter Krieger. Ihn und seine Kollegen stört, dass die Bundesanwaltschaft eine Pressekonferenz zur Anklageerhebung abgehalten hatte, als Verteidigung und Mandanten die Schrift noch nicht hatten studieren können. Weil dies auf einen Wink des OLG-Senats hin geschah, habe dieser an einer "medialen Vorverurteilung" mitgewirkt. Dass sich das Verfahren in weiten Teilen auf formalen Pfaden bewegen könnte, darauf lässt auch ein anderer Einwurf Kriegers schließen: "Ich darf Ihnen", sagt er zum Vorsitzenden, "im Namen meines Mandanten mitteilen, dass er kein Interesse hat, mit Ihnen zu kommunizieren." Am 22. September wird der Prozess fortgesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort