Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Reinhard Tetenborg: Kein Profit, aber ein großer Gewinn

BONN · "Was machen Sie denn so beruflich?" In unserer modernen Gesellschaft, die den Wert eines Menschen mitunter nach dessen Visitenkarte definiert, hat Reinhard Tetenborg gute Chancen, bei Partys mit der Antwort auf die beliebteste aller Small-Talk-Fragen erstes Interesse zu erzeugen: Tetenborg ist nämlich Geschäftsführer von Beruf. Ein äußerst erfolgreicher zudem.

Geschäftsführer Reinhard Tetenborg im Gebrauchtwaren-Kaufhaus "Schatzinsel".

Geschäftsführer Reinhard Tetenborg im Gebrauchtwaren-Kaufhaus "Schatzinsel".

Foto: Wolfgang Kaes

Allerdings misst sich sein Erfolg nicht am bilanzierten Profit. Manager Reinhard Tetenborg generiert aus Prinzip keine Profite im klassischen Sinne - was das Interesse des Fragestellers bei der Party je nach Typus rasch erlahmen lässt oder nun erst recht weckt.

Tetenborg führt nämlich die Geschäfte einer gGmbH. Der erste Buchstabe des Kürzels ist kein Tippfehler, sondern steht für gemeinnützig. Der 52-Jährige ist Geschäftsführer der an der Kölnstraße 367 im Bonner Norden in einer ehemaligen Fabrik für Schneeketten beheimateten "SKM-Aufbruch gGmbH". Die hundertprozentige Tochter des "Katholischen Vereins für soziale Dienste e.V." betreibt dort ein großes Gebrauchtwaren-Kaufhaus mit dem schönen Namen "Schatzinsel" (eine Filiale gibt es in der Godesberger Vilichgasse 19), ferner "Die Arche", die Dienstleistungen wie Haushaltsauflösungen, Entrümpelungen und Kleintransporte anbietet, das "Palmencafé", als jüngstes Kind die "Malmanufaktur" (Maler- und Lackierarbeiten) und, seit 2007, den "Kulturraum Auerberg", der zwei Ziele verfolgt: Regelmäßige Kabarett- und Theaterabende, Lesungen und Konzerte sollen Kulturfreunde mit dem Kaufhaus bekannt machen und zugleich die eher kulturferne Stammkundschaft des Kaufhauses für kleines Geld an Kultur heranführen.

Das Kulturprojekt im Kaufhaus managen ausschließlich ehrenamtliche Helfer, während das umfangreiche, vielfältige Arbeitspaket der GmbH und des Vereins (Elternschule, ambulante Erziehungshilfe, rechtliche Betreuung von psychisch Kranken) von bis zu 50 Festangestellten bewältigt wird. Dazu gehören hoch qualifizierte Handwerksmeister, Sozialarbeiter und Psychologen ebenso wie derzeit zwölf ehemalige Langzeitarbeitslose, die durch das Projekt erstmals wieder in die Lage versetzt werden, sich und ihre Familie selbst zu finanzieren.

Die gemeinnützige GmbH bietet in ihren Betrieben darüber hinaus 50 Trainingsarbeitsplätze auf Zeit für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Tetenborg: "Wir versuchen, diese Menschen wieder an Arbeit heranzuführen, an einen geregelten Tagesablauf zu gewöhnen, sie auch zu qualifizieren und auf dem regulären Arbeitsmarkt unterzubringen."

Tetenborg, ursprünglich Fernmeldetechniker von Beruf, kam über Zivildienst und katholische Jugendarbeit zu seiner wahren Berufung. Er studierte und war dann als Diplom-Sozialarbeiter zunächst in der Straffälligen-Hilfe tätig. Der gebürtige Münsterländer, der mit einer Kölnerin verheiratet ist und zwei Söhne hat, bildete sich im Management weiter, übernahm 1997 die Geschäftsführung des Bonner Vereins und gliederte vor sieben Jahren die Betriebe als GmbH aus.

Das gemeinnützige Unternehmen ist inzwischen anerkannter Ausbildungsbetrieb für Malerhandwerk, Einzelhandel und Büroberufe, ISO-zertifiziert (Qualitätsmanagement), ferner als Bildungsträger anerkannt und als "Familienfreundliches Unternehmen" ausgezeichnet. Die Urkunde überreichte ihm Bundesfamilienministerin Kristina Schröder persönlich. Aber solche Informationen muss man ihm mühsam entlocken. Er spricht nicht so gern über sich selbst; lieber schwärmt der Familienvater von seinen Mitarbeitern: "Das Unternehmen berücksichtigt auch die privaten Belange der Mitarbeiter. Deshalb bieten wir flexible Arbeitszeiten, Heim- und Mobil-Arbeitsplätze an, zum Beispiel für jene Beschäftigten mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Verwandten."

An diesem Vormittag im April sind alle Abteilungen des Kaufhauses wieder gut besucht, ebenso das "Palmencafé", das sich zu einem wichtigen Magneten der Kommunikation und Integration im Viertel entwickelt. "Das Kaufhaus zählt im Schnitt pro Tag 250 Kunden", weiß Tetenborg.

Das ist die zweite große Aufgabe der GmbH: Waren und Dienstleistungen anzubieten, die sich viele Menschen in Auerberg oder in der Nordstadt sonst gar nicht leisten könnten. Vom Kinderbuch über den Wintermantel bis zum Kleiderschrank ist in der "Schatzinsel" so ziemlich alles zu finden. Deshalb ist das Team an der Kölnstraße sowohl dem Ortsausschuss Auerberg für die vielfältige Unterstützung als auch den zahlreichen Bonner Bürgern für ihre gut erhaltenen Sachspenden dankbar.

Reinhard Tetenborg hat sich nicht eben den leichtesten Job ausgesucht. Was treibt ihn an? "Ich kann hier viel bewegen. Es gelingt uns immer wieder, Menschen in Arbeit zu bringen. Oder psychisch Kranken zu helfen, ihr Alltagsleben wieder eigenverantwortlich zu regeln. Ich weiß, wo manche Menschen enden würden, wenn es uns nicht gäbe."

Typisch bönnsch

Reinhard Tetenborg über Bonn:

  • Ich mag Bonn wegen seiner Überschaubarkeit.
  • Mein Lieblingsplatz ist definitiv die Rheinaue.
  • Ich vermisse gar nichts!
  • Typisch bönnsch ist für mich die Offenheit der Bonner.
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