Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Christina Manig: Die Außenministertochter

BONN · Selbst in ihrer Jugend ließ sie sich nur im Profil aufnehmen. Heute scheut die Außenministertochter und Ehrenamtlerin Christina Manig immer noch die Kamera.

Ach nein, fürs Foto solle sie direkt in die Kamera blicken? "Das konnte ich noch nie", sagt Christina Manig. Die 71-Jährige hat Scheu vor Fotoapparaten? Selbst Lieselotte Strelow, Starfotografin der Adenauer-Ära, habe sie in ihrer Jugend nur im Profil aufnehmen können, erzählt Manig dann. "Mit mir wurde Frau Strelow nicht fertig." Da hat GA-Fotograf Ronald Friese sie aber schon mitten im Interview aufs Bild gebannt. "Und Sie haben meinen Vater noch fotografiert?", war auch zwischen Manig und Friese schnell ein Gesprächsfaden geknüpft. Friese hat die gesammelte Bonner Hauptstadtprominenz vor der Linse gehabt. Auch Manigs Vater Gerhard Schröder, den vormaligen Innen-, Außen- und Verteidigungsminister. Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bundeskanzler.

Christina Manig ist in einem Prominentenhaushalt der Bonner Republik aufgewachsen. Zuerst hatte ihre Mutter die drei Kinder noch fern der Blitzlichtgewitter in Düsseldorf aufgezogen. Doch dann war "der Wochenendvater" 1961 Außenminister geworden und musste auf dem roten Teppich mit Gemahlin auftreten.

Jetzt konnten die Geschwister die offiziellen Gäste in der Dienstvilla auf dem Venusberg ein und ausgehen sehen, waren aber auch Objekte ungeliebter Homestory-Termine eines Fast-Bundespräsidenten. Mutter Brigitte Schröder war zudem selbst interessant für die Gazetten: als Gründerin und Motor der bald größten Ehrenamtlichen-Organisation Deutschlands, der Evangelischen Krankenhaus- und Altenheim-Hilfe, kurz der Grünen Damen und Herren. Eins der späteren offiziellen Fotos zeigt die Schröders um das erste Enkelkind aufgereiht, das die junge Christina Manig, selbstverständlich ohne Blick in die Kamera, im Arm hält.

In ihrem Leben wollte sie nie selbst in der ersten Reihe, also dort stehen, wo die Fotoapparate klickten. Protestantisch preußisch erzogen, war ihr Jura als geeignetes Studienfach erschienen. "Eine Ordnungswissenschaft, die mir in meiner 33-jährigen Presbyteriumsarbeit sehr geholfen hat." Dinge sortieren, Stellung beziehen, alles das habe sie im Studium gelernt. "Aber dann habe ich mich mit meinem Mann nach einer eigenen Familie gesehnt.

Ich war eine sehr glückliche Mutter unserer drei Kinder", betont die 71-Jährige, die heute gerne auch für ihre acht Enkel sorgt. Der finanzielle Rahmen sei nach dem frühen Tod ihres Mann gesichert gewesen, so dass sie alsbald auch in ein Ehrenamt nach dem anderen schlüpfte: in der Schulpflegschaft, als Finanzexpertin ins Leitungsgremium der evangelischen Johannes-Kirchengemeinde und in die diakonische Arbeit der Altenheime am Redoutenpark und auf dem Heiderhof.

Dass sie dort die beiden Gruppen Grüner Damen und Herren gründete, habe sie dann doch das Erbe ihrer Mutter angetreten, gibt Manig zu. Über die lokale Ebene ging sie jedoch bewusst nicht hinaus. Vor Ort wollte sie gestalten. "Aber möglichst so, dass man alle mitnimmt, mit Konsens", so ihre Devise.

Auf dem schwierigen Sparkurs der Gemeinde habe sie die Verantwortung dann schon belastet, besonders, als man sich von Mitarbeitern trennen musste, gibt sie zu. "Da gab es schon ein paar Härten." Die habe man aber immer in Übereinstimmung mit den Pfarrern getragen.

Manigs Engagement für die Kirche ging noch weiter: Auf Anregung des Pfarrers Christian Werner und des Presbyteriums ließ sie sich zur Praktikantin ausbilden, leitete bald selbst mit Herzblut Gottesdienste. Und dann verließen 2012 beide Pfarrer kurz hintereinander Bad Godesberg. "Und ich wollte dann auch nicht mehr fürs Presbyterium kandidieren", erzählt Manig.

Dass der abrupte Abschied aus großer Verantwortlichkeit nicht leicht war, zeigte bald der Körper an. "Ich habe viel gelernt in der Auszeit, eben auch, dass man sich nicht überfordern darf", sagt Manig im Rückblick. Und zitiert ein Wort von Bernhard von Clairvaux von den Wasserschalen, die nur gut gefüllt auszuströmen fähig seien. "Ich habe Selbstfürsorge gelernt." Jetzt gönne sie sich, was Jahrzehnte nicht möglich war: Gesangsstunden und Aquarellmalen zum Beispiel.

Die Hände in den Schoß legt die 71-Jährige aber noch lange nicht. Da ist noch dieses ambitionierte Nachfolgeprojekt der Idee ihrer Mutter: das Prinzip, freiwillige Helfer zu hilfsbedürftigen Senioren nach Hause zu schicken. Längst hat Christina Manig also wieder einen neuartigen Dienst am Nächsten aufgezogen. 20 rüstige Frauen und Männer sendet sie mit Fingerspitzengefühl in passende Haushalte aus. Sie sitzt also wieder am Hebel, aber bescheiden im Hintergrund. Auf keinen Fall dort, wo die Kameras klicken.

Typisch bönnsch

Ich mag Bonn, weil...

"...die ehemalige Römerstadt eine reiche Geschichte, ein riesige Angebot an Wissenschaft und Kultur hat."

Mein Lieblingsort in Bonn ist...

"...der Heiderhof. Da lebe ich seit über 40 Jahren."

Ich vermisse Bonn sehr, wenn...

"...ich länger als zwei Monate weg bin, etwa an der Nordsee."

Typisch bönnsch ist...

"...schon immer diese bunte Mischung aus Altengesessenen und Hinzugezogenen gewesen."

Die Serie (Folge 11)

Eine Stadt ist so vielfältig wie die Gesichter der Menschen, die hier wohnen und arbeiten, lernen und kreativ sind. Es gibt Erfolgsgeschichten, Liebesgeschichten, Lebensgeschichten oder Alltagsgeschichten. In unserer Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" porträtieren wir jeweils einen Bonner Kopf.

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