Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Astrid Kuth: "Mir ist hier nichts egal"

BONN · Das Restaurant Strandhaus in der Bonner Altstadt hat es geschafft, im Jahr 2012 in der Bestenliste der Bonner Restaurants von Platz vier auf Platz drei zu springen. Und Astrid Kuth - Mitinhaberin, Küchenchefin und damit in Bezug auf die Speisen diejenige welche - hat's nicht gemerkt: "Ach, echt?", sagt sie und fährt sich kurz übers Haar. Dann schaut sie sich das Papier an, auf dem es schwarz auf weiß steht.

 Foto-Shooting auf dem Altstadt-Pflaster: Strandhaus-Köchin und Mitinhaberin Astrid Kuth in der Georgstraße.

Foto-Shooting auf dem Altstadt-Pflaster: Strandhaus-Köchin und Mitinhaberin Astrid Kuth in der Georgstraße.

Foto: Volker Lannert

Die "Gerolsteiner Bestenliste 2013" zieht eine "Bilanz aus Michelin, Gault Millau, Feinschmecker, Varta, Gusto & Co". Das Haus Georgstraße 28 liegt zwischen anderthalb "f"s (Feinschmecker-Wertung, Maximum: fünf "f"s) und 14 Punkten (Gault Millau, Maximum: 20 Punkte). Kommen mehr "f"s oder mehr Punkte dazu, dann freut sich Astrid Kuth: "Das ist wie 'Zeugnisse kriegen'. Und ...", sie grinst, " ... jede Band will schließlich in die Charts."

Es ist Dienstag, elf Uhr. Astrid Kuth friemelt entspannt an der Strandhaus-Kaffeemaschine herum. Bis mittags hält die Entspannung, dann wird aus der lässigen Frau mit dem fast ungeschminkten Blick eine Chefin unter Strom. Mit Anfang 30 eröffnete Kuth ihr Restaurant. Heute ist sie mit 44 die Älteste im Strandhaus. Ihr Kompagnon seit 2009, Günter Grote-Vallée, ist 32.

Die Nachbarn vom Strandhaus sind Kirche und Yoga-Kaffee, drum herum türkische Männerteestube, nikotingelbe Pinte und Frauen Museum. Altstadt halt. Elf Jahre bevor sie hier arbeitete, hat Astrid Kuth schon hier gelebt. Woanders hinziehen? Nö: "Ich bin ein Heimweh-Typ", sagt sie.

Wie wird man Koch? Am besten gar nicht, hätten ihre Eltern damals wohl gesagt, als Astrid Kuth ihre Entscheidung fällte. Die Eltern sind Landwirte aus Widdig bei Hersel, dennoch wurde Kuth das Interesse an Essen nicht in die Wiege gelegt. Sie war "ein Mäkel-Kind. Mir hat nur wenig gut geschmeckt."

Nach dem Abi ging es an die Bonner Uni, Germanistik und Geografie. Daneben: jobben fürs Studentenleben. Kuth putzte im Beueler Kulturzentrum Brotfabrik, "dann bin ich irgendwie in der Küche gelandet."

Dort stellte sie fest, dass der Koch eine Soße so lecker hinbekam wie kein anderer. Sie fragte sich: warum? Und dann stieg sie eines Tages aufs Fahrrad Richtung Lengsdorf, um sich für einen Azubi-Platz im Restaurant Le Marron zu bewerben, stand hernach sechs Jahre Rainer-Maria Halbedel in seinem Bad Godesberger Sterne-Restaurant zur Seite. Und machte 13 Jahre das Crew-Catering für die Bonner Rheinkultur.

Und dann ging sie zum Film. "Ein Jahr in einem umgebauten Reisebus aus den Sechzigern von Drehort zu Drehort", erzählt Astrid Kuth, "jeden Tag kochen für 50, 60 Leute. So habe ich mir das Kapital fürs Strandhaus erarbeitet." Kuths Ausflug zum Film hatte in etwa so viel Glamour wie ein Hamburger Vitamine. "Ich hab' mal für die Filmcrew vom Guildo-Horn-Film gekocht", sinniert sie. Statt Stars gab's Stinkstiefel.

Vor allem die Filmtontechniker bekamen schnell spitz, dass die Kleine aus dem Küchenbus verzweifelt war, wenn ihre kulinarischen Ideen "Stunden herumstanden, weil der Kameramann einen Fussel auf der Linse hatte und eine Szene noch mal gedreht werden musste". Die Tontechniker setzten dann noch einen drauf: "Ich meine", zitiert Kuth sie, "diese Möhrchen hätten mir letzte Woche besser geschmeckt ..."

Oder sie wünschten sich irgendeine Pasta, die im Niemandsland eines stillgelegten Autobahnabschnitts, in Filmdeutsch "atmosphärisch" genannt, nicht aufzutreiben war. Im Nachhinein wird aus Ärger Erfahrung: "Es war eine gute Lehrzeit." Etwas "abgebrühter" sei sie geworden, sagt sie und freut sich über den Küchenausdruck.

Die Arbeitszeiten von Köchen lassen wenig Freizeit zu. Gibt es sie, verbringt Kuth die Zeit gern mit Joggen am Rhein. Sie isst "auch mal einen Burger von der Frittenbud'" und liest "ganz viel". Zuletzt "Die hellen Tage" von Zuza Bank. Ihr letzter (erfüllter) Traum trägt den Namen "Sous-Vide". Ein Wasserbecken zum Garen mit Niedrigsttemperatur. "Da wird Fleisch so zart, das ist unglaublich!" So träumen Köche.

So altstadt-lässig die Atmosphäre im Strandhaus, so exquisit ist die Küche. Damast-Tischdecken sucht man hier vergebens. Der Luxus landet auf der Zunge: "Ich möchte", sagt Kuth, "dass jede Zutat ihren ganz eigenen Geschmack behält und in der Speise entfaltet."

Astrid Kuth ist kein Mensch für halbe Sachen. In ihrem Fall kann man das schmecken "Mir ist hier", sagt sie und breitet die Arme aus in ihrer Strandhauswelt, "nichts egal."

Typisch bönnsch

Astrid Kuth über Bonn:

  • Ich mag Bonn, weil ... es klein und groß gleichzeitig ist.
  • Mein Lieblingsplatz in Bonn ist ... das Deck der Rheinnixe.
  • Typisch Bonn sind für mich ... mit Glück kabarettreife Alltagsszenen.
  • Ich vermisse in Bonn ... die Rheinkultur - und Bouvier schon im Voraus!

Gerolsteiner Bestenliste:

Die Gerolsteiner Bestenliste ermittelt aus den Bewertungen der verschiedenen Restaurantführer jedes Jahr das Ranking in der deutschen Spitzengastronomie. Die aktuelle Bonner Top Ten:

1. Halbedel's Gasthaus
2. Le Petit Poisson
3. Strandhaus
4. Oliveto/Hotel Königshof
5. Yu Sushi Club/ Kameha Grand Bonn
6. Sassella
7. Zur Lindenwirtin Aennchen
8. Brasserie Next Level/ Kameha Grand Bonn
9. Altes Treppchen
10. Godesburg

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