Integration von Flüchtlingen in Bonn „Manchen geht es nicht schnell genug“

Bonn · Obwohl viele Flüchtlinge in Bonn anerkannt sind, gibt es häufig Frust über zu lange Asylverfahren und die zähe Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Dabei ist das Netz ehren- und hauptamtlicher Helfer groß, sagt die Integrationsbeauftragte der Stadt, Coletta Manemann.

Nach dem Anschlag in Berlin zeigten die Menschen viel Zusammenhalt, aber sofort stand auch die Flüchtlingspolitik zur Debatte. Wie reagierten die Bonner Bürger?

Coletta Manemann: Meinem Eindruck nach nicht anders als andere: zunächst sehr erschrocken, dann ruhig und gelassen, aber immer mit dem Bedürfnis, über alles zu sprechen. Denn die Entwicklungen sind komplex, sachliche Informationen und offene Diskussionen sind notwendig und wichtig.

Auf die euphorische Willkommenskultur zu Beginn folgten schon zuvor deutlich skeptischere Töne. In Bonn wurden Anfang des Jahres sexuelle Belästigungen bei einer Flüchtlingsparty auf einem Schiff bekannt, die sich schon im November 2015 ereignet hatten. Dazu kamen die Übergriffe in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof.

Manemann: In Bonn habe ich seinerzeit leider erst viel später davon erfahren, denn ich hatte bei der Studenteninitiative schon zuvor Vorsicht angemahnt. Einen deutlichen Stimmungsumschwung gab es dann nach der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof. Das ist auch an Bonn nicht spurlos vorbeigegangen.

Wie machte sich das bemerkbar?

Manemann: In der Flüchtlingshilfe wuchs die Aufmerksamkeit für männliche Flüchtlinge. Gespräche und Angebote entstanden, auch wir haben ja mit Veranstaltungen für Flüchtlinge reagiert, um über Themen wie das Verhältnis zwischen Männern und Frauen oder über Religion zu reden.

Wie viele erreichen Sie durch diese Runden?

Manemann: Jeder kann teilnehmen. Aber es wird immer Menschen geben, die sich nicht angesprochen fühlen, die nicht teilnehmen wollen oder Vorstellungen haben, die uns nicht gefallen. Aber das ist in der deutschen Mehrheitsbevölkerung doch genauso. Auch dort gibt es Täter. Auch dort wird es immer Bürger geben, die Vorstellungen oder ein Verhalten haben, das ich ablehne. In der Öffentlichkeit standen monatelang Nordafrikaner im Fokus. Junge Bonner mit Migrationshintergrund beschwerten sich bei mir, dass sie alle komisch angeguckt würden. Sie sagten: “Die Leute glauben, wir sind das.„ Es war eine schmerzliche Erfahrung für sie. Insgesamt ist in Bonn eine etwas reserviertere, aber im Grundton freundliche Stimmung gegenüber Flüchtlingen geblieben.

Wo steht die Integration heute?

Manemann: Bis zum Frühsommer dieses Jahres war alles konzentriert auf die Unterbringung und die Versorgung der Geflüchteten. Die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe hat sehr viel getan: die Begleitung zu Ämtern und Behörden, Ärzten, Schulen, Kitas. Gleichzeitig wurde das zentrale Sachspendenlager eingeführt. Parallel standen immer die Asylverfahren im Mittelpunkt, die von großer Unruhe begleitet waren, weil für die Flüchtlinge viel davon abhängt und die Abläufe sehr lange dauerten. Inzwischen haben nun fast alle ihre Anhörung gehabt und viele haben die Anerkennung als Flüchtlinge erhalten. Man kann also eine Entwicklung sehen.

Daneben laufen Sprach- und Integrationskurse. Sind Sie mit den Fortschritten zufrieden?

Manemann: Die Voraussetzungen der Menschen sind ganz unterschiedlich. Manche können nicht sofort in den Integrationskurs, weil sie nicht lesen und schreiben können oder es gerade erst gelernt haben. Andere haben in ihren Heimatländern studiert und möchten schneller vorankommen, als es hier möglich ist. Und bei all dem muss man daran erinnern, dass viele aus Ländern kommen, in denen ein Lebensweg nicht so planbar ist wie bei uns. Sie brauchen Beratung und Unterstützung, weil sie sich nie Gedanken darüber machen konnten, was aus ihnen einmal werden soll. Die teils traumatischen Erfahrungen aus ihren Heimatländern tragen sie auch mit sich.

In der neuen Anlaufstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Ermekeilkaserne gerieten die Abläufe für die Asylverfahren mitunter heftig ins Stocken. Von unqualifizierten Dolmetschern und langen Wartezeiten war die Rede. Wie erleben Sie das Zusammenspiel der Behörden?

Manemann: Die Aufgabe ist groß und es wird nie alles perfekt laufen, aber ich habe den Eindruck, dass sich alle – ob Behörden, freie Träger, Schulen oder Kitas – unglaublich viel Mühe geben und sehr viele Projekte und Maßnahmen entstanden sind. Wir alle möchten Fehler früherer Jahrzehnte nicht wiederholen und es gut machen. Das halte ich für respektabel.

Ein wichtiger Pfeiler neben den freien Trägern ist das Ehrenamt. Ist das Engagement noch so groß wie zu Beginn?

Manemann: Es ist weiter groß und verlässlich. Ich bin über die Zusammenarbeit mit der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe sehr froh. An vielen Stellen gibt es inzwischen hauptamtliche Ansprechpartner für die Ehrenamtlichen. Diese Strukturen vor Ort in den Stadtteilen, in direkter Nähe zu fast jeder größeren Unterkunft, haben sich bewährt. Wichtig sind mir die vielen Austauschrunden, die wir seit 2014 anbieten. Alle Beteiligten können dort auch mal Dampf ablassen und Probleme ansprechen.

Wo liegen die beispielsweise?

Manemann: Manchen geht die Integration nicht schnell genug. Sie sind frustriert, weil die Asylverfahren ihnen zu lange dauern, nicht alle Asylbewerber passende Sprachkurse erhalten oder die Integration in den Arbeitsmarkt so zäh ist. Aber diese Bereiche sind eben kompliziert und komplex. Sie brauchen Zeit.

Wo Sie den Arbeitsmarkt ansprechen – glauben Sie, dass alle in Bonn untergebrachten Flüchtlinge hier Arbeit finden können?

Manemann: Es wird Arbeit für Flüchtlinge geben, da bin ich sicher, das hat ja auch begonnen. Andere Flüchtlinge werden Bonn aber möglicherweise verlassen. Bonn hat eine hohe Akademikerquote, viele Jobs im Behörden- und Dienstleistungsbereich. Da dürfen wir uns nichts vormachen, das wird für viele schwierig. Aber es gibt auch Mangel in vielen Berufen, Beispiel Pflegekräfte, und noch unentdeckte Potenziale. Einige Unternehmen machen es vor und geben bereits Flüchtlingen eine Chance. Gerade für die jüngeren Geflüchteten sind außerdem Ausbildungsplätze wichtig. Unverzichtbar sind gute Deutschkenntnisse.

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