Schattenseiten der Gleichberechtigung Zeitzeugin Freya Klier spicht im Haus der Bildung über die DDR

Bonn · Die Bürgerrechtlerin Freya Klier, die eineinhalb Jahre vor dem Mauerfall ausgewiesen wurde, erklärt beim Zeitzeugengespräch im Haus der Bildung, wie sie Gleichberechtigung bin der DDR erlebt hat.

 „Der Mensch hat keine Rolle gespielt in der DDR“: Freya Klier erzählt beim Zeitzeugengespräch vom Leben in ihrem Heimatland.

„Der Mensch hat keine Rolle gespielt in der DDR“: Freya Klier erzählt beim Zeitzeugengespräch vom Leben in ihrem Heimatland.

Foto: Stefan Knopp

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war in der DDR schon früh gut organisiert: Man gibt morgens die Kinder in der Krippe ab, holt sie nachmittags wieder ab, zwischendurch kann man arbeiten. Das blieb natürlich an der Frau hängen, die außerdem noch einkaufen und den Haushalt erledigen musste. Dass das idyllischer klingt, als es war, haben Freya Klier und ihre Tochter Anya in dem Film „Wenn Mutti früh zur Arbeitgeht ...“ eindrucksvoll dargestellt. Diese Dokumentation diente am Mittwoch als Diskussionsgrundlage für eine Veranstaltung der Volkshochschule im Haus der Bildung, in der die Bürgerrechtlerin Freya Klier als Zeitzeugin rund um das Thema Gleichberechtigung in der DDR auftrat.

Klier ist derzeit im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Region unterwegs, berichtet an Schulen vom Leben in ihrem Heimatland, aus dem sie anderthalb Jahre vor dem Mauerfall ausgewiesen wurde. Klier, Jahrgang 1950, hat das rebellische Blut von ihrem Vater geerbt, der in ihrem dritten Lebensjahr inhaftiert worden war.

Nach ihrem Abitur 1968 versuchte sie erfolglos die Flucht in den Westen, was ihr ebenfalls eine Haft einbrachte, und studierte ab 1970 Schauspiel und danach Regie. Sie engagierte sich in der DDR-Friedensbewegung, was ihr ein Berufsverbot einbrachte. Mit ihrem Mann Stephan Krawczyk trat sie deshalb in Kirchen auf. Eine öffentliche Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen in der DDR führte zu einem Mordanschlag auf das Ehepaar, Klier wurde festgenommen und abgeschoben.

Lobt Bürgerinitiativen

In der Diskussion ging es um überfüllte Krippen, in denen weinende Kinder letztlich geparkt wurden, um 1,4 Millionen Abtreibungen in wenigen Jahren und um die verordnete Drei-Kind-Politik. Ärzte hätten gerade bei Frauen, die noch keine Kinder hatten, oft die Pille nicht verschrieben, erzählte sie. Die Menschen in der DDR hätten sich dem sozialistischen Kollektiv unterordnen müssen.

„Es gab keine Individuen mehr.“ Dafür eine sehr hohe Selbstmordrate. „Der Mensch hat keine Rolle gespielt in der DDR.“ Auch die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen wurden angesprochen: In gehobenen Positionen habe man nur wenige Frauen gefunden, von Gleichberechtigung habe man da nicht reden können. Sie schätze die jetzige „offene Gesellschaft, die mehr Spielraum zulässt“.

Von Kliers unermüdlichem Einsatz war Besucherin Eva Hörnlein sehr angetan. Die Rheinländerin hat bei Aufenthalten in Berlin auch die andere Seite der Mauer kennengelernt. Nach der Wende lebte sie 14 Jahre lang in der Hauptstadt, jetzt ist sie wieder im Rheinland. Auch sie will sich für eine gute Sache einsetzen, für sie ist das der Erhalt von Franken- und Kurfürstenbad. Sie lobt die vielen Bürgerinitiativen in Bonn. „Die gab es früher nicht“, so die gebürtige Godesbergerin. Sie ist überzeugt: „Man muss sich wehren.“

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