Erster Schultag Woher kommt der Brauch der Schultüte?

Bonn · An diesem Donnerstag beginnt für 3098 Bonner Kinder die Grundschulzeit. Zum ersten Schultag gehört neben einer Portion Nervosität auch die Schultüte. Wir erklären, was hinter der Tradition steckt.

Für genau 3098 Bonner Erstklässler, die sogenannten i-Dötzchen, beginnt in diesen Tagen die Grundschulzeit. Viele von ihnen werden den ersten Schultag mit einer Schultüte auf dem Arm bestreiten. Seit mehr als 200 Jahren besteht der Brauch, Kindern bunte Papiertüten als Geschenk zu überreichen. Die ersten Belege hierfür sollen aus Jena stammen. Dort wurden den Schulkindern im Jahr 1817 kleine mit Gebäck gefüllte Papiertüten überreicht. In der Anfangszeit waren Brezeln oder anderes Gebäck, meist in Buchstabenform, ein beliebtes Füllmaterial. Der überwiegend süße Inhalt war auch namensgebend, in vielen Teilen Deutschlands sind die Tüten heute noch unter dem Namen Zuckertüten bekannt.

Von Thüringen und Sachsen aus verbreitete sich der Brauch weiter nach Schlesien und Böhmen und schließlich bis ins Rheinland. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die Schultüte auch in Bonn und der Region durch. Zunächst wurden die Papiertüten vornehmlich in den Städten verschenkt, während sich der Brauch später auch in ländlicheren Gebieten ausdehnte, wie Dagmar Hänel vom Institut des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) für Landeskunde und Regionalgeschichte erklärt. Hier musste die Tüte mit einer anderen Einschulungstradition konkurrieren.

Brezel- und Zuckerbaum

„Die Schultüte musste sich gegen den auf dem Land verbreiteten Brezel- oder Zuckerbaum durchsetzen“, sagt Hänel. „Dieser Baum, so erzählte man den Kindern vor der Einschulung, stehe auf dem Dachboden der Schule, und jeden Tag in der großen Pause – so eine Erzählung aus Gruiten an der Düssel – geht der Lehrer den Brezelbaum schütteln“, erläutert die Volkskundlerin. In den ersten Schultagen verteilte der Lehrer dann unter den Schülern die „geernteten“ Brezeln, um den Kindern die Angst und Unsicherheit in den ersten Schultagen zu nehmen. Bis in die 1920er Jahre hinein hielt sich dieser Brauch, bis die aus Papier gebastelte Tüte ihn langsam verdrängte.

Ganz unumstritten war und ist die Schultüte allerdings nicht: Wegen der unterschiedlichen Formen und des Ausschmucks, aber vor allem wegen ihres Inhaltes, gilt das Geschenk zum Schulanfang auch als Statussymbol. Auch heute ist die Gestaltung der Schultüte ein wichtiges Thema für Eltern und Lehrer. „Die Schultüte sollte hier kein Statussymbol werden, mit dem sich die Eltern gegenseitig überbieten, sondern den Kindern eine gute Mischung aus Süßigkeiten und Schulutensilien bieten, dazu gehören auch Stifte und eine Brotdose“, rät auch Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung NRW.

Nützliche Schulmaterialien

Mit den Jahren wanderten so neben Gebäck und Süßigkeiten auch nützliche Schulmaterialien wie Buntstifte, Lineal oder selbstgehäkelte Tafelschwämmchen in die Papiertüten. Übrigens: Der Tintenkiller, der vielleicht in die ein oder andere Tüte wandert, ist eine Bonner Erfindung der Firma Kreuzer. Auch äußerlich veränderten sich die runden oder fünfeckigen Grundformen. Mit Goldfolie, farbigem Silberpapier und buntem Krepppapier verzierten Eltern die Rohlinge aus Papier. Heute bietet der Handel fertige Schultüten ab zehn Euro an, für die selbstgebastelten Varianten müssen Eltern allerdings tiefer in die Tasche greifen.

Viele gestalten die Schultüten passend zum Ranzen oder Hobby des Kindes. Neben Verzierungen aus Papier kommen immer häufiger auch Naturmaterialien oder Stoffe zum Einsatz. Auch die Bonner sind kreativ: So hat sich Jakob aus Bonn eine Schultüte passend zu seinen Schulranzen mit Orcamotiv gewünscht, wie seine Mutter Anette Mayer schreibt. Auch Aiden aus Ramersbach hatte für seine Schultüte einen besonderen Wunsch. „Da sein Bruder auch schon eine Recht ausgefallene Tüte aus dem StarWars-Universum von mir bekommen hatte müssen wir wieder ran und basteln“, erzählt Vater Christian Lipowski. Brigitte Rieß hat für ihre Großnichte Selin einen Gutschein für einen Besuch im Puppentheater in die selbstgestaltete Patchworktüte gelegt.

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