Michael Groschek im Interview Wieso die Südtangente in Bonn kaum Chancen hat

BONN · Michael Groschek ist seit zwei Monaten NRW-Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr - wie sein Ressort offiziell heißt. Im Interview sagt der 55-jährige Oberhausener, warum er eine sechsspurige A565 in Bonn will, aber kaum Chancen für die Südtangente sieht.

Bei Ihrer Einführung haben Sie gesagt, Sie hätten große Vorfreude auf das Amt. Ist die Ihnen langsam vergangen angesichts der großen Probleme?Michael Groschek: Die Freude wächst von Tag zu Tag.

Das müssen Sie uns erklären?
Groschek: Ich habe viele Gestaltungsmöglichkeiten.

Aber wenig Geld.
Groschek: Wir müssen uns jetzt darum kümmern, dass uns der Bund mehr Geld zur Verfügung stellt.

Wofür werden die Mittel am dringendsten benötigt?
Groschek: Für den Erhalt der Straßeninfrastruktur. Wir haben viele Brücken, die in die Jahre gekommen sind.

Mit welchen Folgen?
Groschek: Dass stark beladene Lastwagen über manche Brücken gar nicht mehr fahren dürfen. Dafür haben wir einen semantischen Begriff statt einer politischen Lösung erfunden: Wir nennen das nicht Teilsperrung, sondern Ablastung. Das verschleiert, dass die Brücke nur noch eingeschränkt funktionstüchtig ist. Wortfindung statt Taten, das führt bei den Bürgern zu Frust.

Was setzen Sie gegen solche Scheinlösungen?
Groschek: Wir müssen uns ehrlich machen. Das heißt: Gesellschaftlich klar machen, welche Form von Infrastruktur wir haben wollen und was wir bereit sind, dafür zu zahlen.

Und Ihre konkrete Forderung?
Groschek: Allein für die Instandsetzung der Autobahnbrücken in NRW brauchen wir vom Bund in den nächsten zehn Jahren 3,5 Milliarden Euro.

Wie schlecht ist denn der Zustand der Brücken?
Groschek: Unterschiedlich. Nehmen Sie die A-1-Rheinbrücke bei Leverkusen. Im Brückenbauch arbeiten acht, neun Schweißer an 1080 Schweißstellen, um zu verhindern, dass aus Haarrissen wirkliche Risse werden. 300 Tonnen Stahl wurden dort bereits zur Verstärkung eingebaut. Zur Sicherheit müssen die Lastwagen jetzt in der Mitte fahren. Man kann mit 80 über die Brücke fahren, aber sie ist nicht mehr voll funktionstüchtig. Deshalb muss die Brücke in den nächsten zehn Jahren erneuert werden - als eine von vielen.

Norbert Blüm hat einmal gesagt, die Rente ist sicher. Können Sie sagen, die Brücken sind sicher?
Groschek: Ja. Die Brücken sind sicher. Wenn auch nur der Hauch einer Unsicherheit da ist, werden wir eine Brücke sperren.

Gilt das auch für die A565, den Tausendfüßler, in Bonn?
Groschek: Ja. Wir haben die Brücke instand gesetzt, sie muss aber in den nächsten Jahren neu gebaut werden. Der Laie würde sagen, das ist Flickschusterei, aber ohne diese müssten wir die Brücke zumindest zum Teil sperren.

Wenn 2013 beide Bonner Autobahnrheinbrücken saniert werden, droht der Verkehrsinfarkt. Zugleich gibt es ein Gutachten, dass eine weitere Rheinbrücke zwischen Köln und Bonn nur rund 300 Millionen Euro kosten würde. Wie sehen Sie das?
Groschek: Es wird angesichts der klammen Kassen nur noch wenige Neubauprojekte geben. Stattdessen müssen wir uns um den Erhalt vorhandener Verkehrswege kümmern. Den Kurs haben wir in NRW schon lange verfolgt. Jetzt schwenkt auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer darauf ein. Der Bund wird viel weniger Geld für Neubauprojekte bereit stellen.

Nochmal in unsere Region: Es gibt keine Region in NRW, die so stark wächst wie Bonn/Rhein-Sieg. Aber die Verkehrsnetze reichen nicht aus. Wo sehen Sie einen Ausweg aus dem Dauerstau?
Groschek: Zur Region gehört auch der Kölner Ring. Hier können Sie sehen, wie es gehen kann. Wir bauen ihn gerade für 1,5 Milliarden aus, schließen Lücken und beseitigen Engstellen, aber es ist unredlich so zu tun, als könnten wir mit neuen Straßen verkehrspolitische Lösungen hinbekommen.

Sie befürworten also den sechsspurigen Ausbau der A565 in Bonn.
Groschek: Ja. Wir werden ihn auch für den neuen Bundesverkehrswegeplan anmelden.

Auch die Südtangente - also eine Verbindung zwischen A565 und A3 durch den Bonner Süden?
Groschek: Da hat die Region über viele Jahre Zeit verplempert, als noch mehr Geld für Neubauvorhaben zur Verfügung stand.

Die Region ist selbst schuld?
Groschek: Es würden jedenfalls noch viele Bretter gebohrt werden müssen, wenn die Region das Projekt wollte.

Ihre Partei will es nicht.
Groschek: Aber sie will viele andere, unser Bundestagsabgeordneter Uli Kelber hat mir eine lange Wunschliste geschrieben.

Da steht sicher auch die Entlastung der lärmgeplagten Bürger entlang der Rheintal-Bahnstrecke drauf. Sehen Sie eine Chance für eine Neubaustrecke durch Hunsrück oder Westerwald?
Groschek: Die Bahn hat große Gewinne im Personenverkehr gemacht, aber Verluste beim Güterverkehr. Ich hoffe, dass ein Teil des Gewinns dazu genutzt wird, die Planungskapazitäten auszubauen.

Auch für eine neue Strecke als Entlastung für das Rheintal?
Groschek: Zusätzliche Verkehre auf der Straße sind jedenfalls nicht mehr möglich, also müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir mehr Verkehr auf Schiene oder Wasserwege bekommen.

Die A1 in der Eifel wird nicht weitergebaut, weil Rot-Grün in Rheinland-Pfalz weiter prüfen will. Wie steht NRW dazu?
Groschek: Mir ist eine umgesetzte Infrastrukturmaßnahme mit jeder Menge Umweltschutzauflagen immer noch lieber als keine. Wir sollten froh sein über jeden Kilometer Lückenschluss im großen Konsens.

Sagt der bodenständige Sozialdemokrat dem grünen Koalitionspartner bei einem solchen Millionenaufwand nicht: Was für ein Quatsch?
Groschek: Ich weiß ja, welche Entwicklungen Naturschutzgesetze gemacht haben. Auch da gilt, dass wir Deutschen es mit der Gründlichkeit manchmal übertreiben.

Wie stehen Sie zum Nachtflug in Köln/Bonn?
Groschek:
Bei den Passagierflügen wollen wir keinen Nachtflug. Bei Frachtflügen muss es dabei bleiben, dass Köln/Bonn das zentrale Nachtfrachttor für NRW ist.

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