Schließung des Puppenkönigs Wie der Onlinehandel Spielzeuggeschäfte bedroht

Bonn/Münster · Der Onlinehandel bedroht die Spielzeuggeschäfte: Traditionsläden haben bereits aufgegeben, der "Puppenkönig" in Bonn schließt Ende des Jahres. In Münster dagegen will das "Mukk" diesem Schicksal entgehen – mit schierer Größe und besonderen Produkten.

Auf sie ist immer Verlass gewesen. Pünktlich zur Weihnachtszeit stand die große Modelleisenbahn hinter einem der Schaufenster des Bonner Spielwarengeschäfts „Puppenkönig“. 93 Jahre lang drückten sich Kinder und Erwachsene für sie die Nase platt, wenn sie sich vor dem Schaufenster drängten. Nur während des Zweiten Weltkrieges ist die Bahn für vier Jahre in ihrem Depot geblieben. Und dort wird sie vermutlich nun auch für immer stehen. Denn für die Bahn ist Endstation. Der „Puppenkönig“ schließt zum Jahresende nach 106 Jahren – aus wirtschaftlichen Gründen. „Der Internethandel setzt uns Spielwarenhändlern gewaltig zu“, sagt Inhaber Alfred Westenhöfer (65).

Auch in vielen anderen NRW-Großstädten gibt es inhabergeführte Spielzeuggeschäfte dieser Größe kaum noch. In Köln war lange Feldhaus an der Schildergasse Sehnsuchtsort in Kinderträumen, in Düsseldorf ist Lütgenau verschwunden. Aber auch Spielwarenketten sind unter Druck: Ende Januar macht die niederländische Kette „Intertoys“ ihre 23 Filialen mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen dicht, Toys’R‘us meldete im vergangenen Jahr Insolvenz an. „Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Jahren noch viel mehr aufgeben müssen“, sagt Westenhöfer.

Das will Jürgen Budke für sein Spielwarengeschäft „Mukk“ in Münster unbedingt verhindern. Für den Weg in sein Paradies muss man die Schuhe ausziehen: Nur mit Socken darf man die Rutsche, die ins Untergeschoss des „Mukk“ führt, benutzen. Unten warten dann allerhand Spiele zum Ausprobieren, unter anderem eine Carrera-Bahn. „Zuletzt war eine Oma mit ihrem siebenjährigen Enkel hier“, sagt Geschäftsführer Jürgen Budke. „Der Junge hat zum ersten Mal mit Carrera gespielt und war hin und weg.“ Sehr wahrscheinlich ist, dass der Junge sich nun eine Bahn wünscht und seinen Eltern oder der Oma damit in den Ohren liegen wird. Ob sie dann online oder bei „Mukk“ gekauft wird, ist fraglich.

Einzelhandel leidet unter Onlinehandel

Im „Mukk“ – Münsters ungewöhnlichem Kinderkaufhaus – gibt es auf 3000 Quadratmetern in bester Innenstadtlage für Kinder fast alles – Textilien, Mode, Kinderwagen, Spielzeug. Es gilt bundesweit als eines der schönsten Spielwarengeschäfte. Auch ihm setzt der Onlinehandel zu. „In Schönheit sterben wollen wir aber nicht“, sagt Budke, der mit seiner Frau und einer Geschäftsleiterin die Geschicke des 100-Mann-Betriebs lenkt. Budke setzt auf eine Kooperation. Im April vergangenen Jahres schloss er sich mit der Bielefelder Teddy Toys Kinderwelt zusammen. Diese ist nun an der neuen Firma „Mukk Kinderwelt GmbH“ beteiligt. „Die Vorteile sind, dass wir gemeinsam einen besseren Einkauf haben“, sagt Budke. Geplant sind zudem gemeinsame Strategien für den Online- und stationären Handel. Und besonders wichtig: „Da ich keinen Nachfolger habe, wird das Mukk weitergeführt, wenn ich ausscheide.“

Nicht nur den Spielwarenhändlern grabe Amazon das Wasser ab, der gesamte Einzelhandel leide, betont Jürgen Budke. Und das durch eine Ungerechtigkeit in der Besteuerung. „Wenn ich als Händler bei Amazon Produkte verkaufen möchte, zahle ich an Amazon 16 Prozent. Wo versteuert Amazon dieses Einkommen?“ Das „Mukk“ setzt auch auf Online-Handel, aber auf seinen eigenen Mukk-Onlineshop. Mit Versand und dem Click& Collect-Prinzip (also bestellen und abholen im Geschäft). „Das ist die Zukunft, und so wird der stationäre Einzelhandel auch überleben.“

Jürgen Budke sieht sich gut aufgestellt für die Zukunft. „Wir machen bombastische Schaufenster, wir bleiben nicht stehen, wir bauen unser Geschäft immer um, haben 60.000 Artikel.“ Seine ganze Mannschaft sei mit Herzblut bei der Sache. Ob all das reicht, um zu überleben? „Das weiß ich wirklich nicht, da ich keine Glaskugel habe.“ Für ihn ist die Zusammenstellung des Sortiments essentiell. Im Spielwarenmarkt sorgen zehn Hersteller für 70 Prozent des Umsatzes, darunter Riesen wie Lego, Ravensburger oder Playmobil. „Aber von denen leben wir nicht, die braucht man“, sagt der 56-Jährige. Diese zehn sorgen bei ihm nur für 20 Prozent des Umsatzes.

Für kleine Hersteller ist der stationäre Handel ein Segen

Der größere Teil des Geschäfts kommt über Marken, die nicht jeder kennt. Zum Beispiel „Done by Deer“. „Vor drei Jahren haben wir diese hochwertigen Plüschtiere ins Sortiment genommen.“ Seitdem haben sich die Umsätze mit den in Europa gefertigten Tieren in Pastelltönen verzehnfacht. Für solch kleinere Firmen sind das „Mukk“ und der stationäre Handel als Plattform ein Segen. „Wie wollen sie das sonst online bekannt machen?“, fragt Budke. Dafür fehle den kleinen Herstellern schlicht das Geld. „Das ist Win-Win für beide Seiten.“ Nur an großen Marken habe er kein Interesse, auch wenn Barbie und Co. selbstverständlich bei ihm im Regal liegen. Aber der Zeitgeist wandelt sich schnell, Trends kommen und gehen. „Da müssen wir als Geschäft mit und Gas geben.“ Sonst bleibe wie für viele kleinere Läden nur die Spezialisierung: auf Ballons, Drachen, Holzspielzeug oder Modelleisenbahnen. Denn die Bestseller von Lego gibt es auch in großen Super- oder Drogeriemärkten.

Das Weihnachtsgeschäft hat fürs „Mukk“ funktioniert. „Wir hatten zehn Prozent mehr Kunden im Geschäft, das zeigt, unser Konzept ist richtig.“ Zudem gab es 2018 auch ein Wachstum. „Wir sind ein Dinosaurier der Branche“, sagt Budke. Dass die Dinosaurier dann doch ihrem Schicksal nicht entkommen konnten, stört ihn nicht. „Einige Dinosaurier haben sich den Bedingungen angepasst und so überlebt. Ich denke, das werden wir auch.“

So hat Westenhöfer auch lange gedacht, der sein ganzes Leben im „Puppenkönig“ verbracht hat. Ob er zum Abschluss noch einmal eine Eisenbahn aufbauen wird, schließt er nicht ganz aus. „Wir werden sehen“, sagt er. Wenn sie ihre letzte Runde fährt, werden die Bonner sich gewiss wieder vor den Schaufenstern versammeln.

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