Patientenkolloquium der Uniklinik Wenn Angst zur Krankheit wird

Bonn · Die Duschszene aus Alfred Hitchcocks „Psycho“, das Gemälde „der Schrei“ von Edvard Munch oder der böse Wolf aus „Rotkäppchen“ – diese Beispiele zeigen: Angst kann faszinierend sein. Aber Angst kann auch zu einer Krankheit werden.

 Professor Franziska Geiser, ärztliche Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, und die Psychologen Ingo Wegener (Mitte) und Rupert Conrad beantworteten Fragen der Gäste.

Professor Franziska Geiser, ärztliche Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, und die Psychologen Ingo Wegener (Mitte) und Rupert Conrad beantworteten Fragen der Gäste.

Foto: Alexander (FM) Grantl

Was genau eine Angststörung ausmacht und wie man sie behandeln kann, war am Donnerstagabend Thema beim Patientenkolloquium am Universitätsklinikum. Die Experten kamen von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: Oberarzt und Forschungsleiter Dr. Rupert Conrad und der leitende Psychologe für Verhaltenstherapie Dr. Ingo Wegener.

„Angst ist ein Gefühl, das uns erst einmal schützen soll“, erklärte Conrad. Wann aus normaler Angst eine pathologische, also krankhafte Angst wird, sei oft gar nicht klar abzugrenzen. „Aber Angststörungen sind sehr häufig, etwa sieben Prozent der Weltbevölkerung leiden daran.“

Conrad stellte verschiedene Unterarten von Angststörungen vor, von der spezifischen Angst vor Spinnen bis zur sozialen Phobie. „Zentral in der medikamentösen Behandlung ist die Erhöhung der Serotoninkonzentration“, so Conrad. Das Hormon dient unter anderem dazu, Angstgefühle abzuschwächen.

Wie man Angststörungen nicht durch Arzneimittel, sondern durch Verhaltenstherapie behandeln kann, erklärte Wegener. „Am Anfang steht oft das Angsttagebuch“, sagte der Psychologe. Darin sollen Patienten aufzeichnen, wann welche Angst aufgetreten ist. Der Therapeut könne die Störung so besser nachvollziehen, und der Betroffene setze sich näher mit seinen Ängsten auseinander.

Sehr zuverlässig sei zudem die „Exposition“. Dabei liefert der Patient sich immer wieder seiner Angst aus. Wer sich vor Spinnen fürchtet, schaut sich zunächst Fotos davon an. Später wird er dann mit echten Spinnen konfrontiert.

„Setzt ein Patient sich einer Angstsituation aus, ohne sie zu verlassen, erwartet er, dass die Angst immer stärker wird“, erklärte Wegener. Aber das sei falsch: „Die Angst nimmt zwar zunächst zu, bleibt dann aber auf einem hohen Niveau, und nach einiger Zeit fällt sie ab.“ Bis es zur Besserung käme, müsse man aber oft üben.

Genau so will es Jürgen Hidding ab jetzt schaffen, seine Flugangst zu überwinden. Der 74-Jährige war mit seiner Frau aus Alfter zum Patientenkolloquium gekommen.

„Durch die Vorträge heute ist mir einiges klarer geworden“, sagte er. „Ich habe es immerhin schon mal nach Italien geschafft, aber ich würde gerne noch weiter fliegen – auch meiner Frau zuliebe.“ Für seine Frau steht fest: „Wir finden einen Weg, damit umzugehen“, sagte Erika Schmidt-Steylaers (74). „Das Kolloquium heute war für uns Hilfe zur Selbsthilfe.“ Hidding will seine Angst ohne einen Therapieplatz bekämpfen. „Die Liebe allein macht es möglich“, war er sicher.

Auch Monika Raszillier hat Angst – vor der Höhe. Die 60-Jährige aus Wachtberg ist selbst Psychologin. „Wenn eine Brücke so um die hundert Meter hoch ist, fürchte ich mich schon“, sagte sie. „Aber ich trainiere dagegen, als Beifahrerin.“ Im Kolloquium hätte sie sich etwas mehr Infos zu den Ursachen von Angststörungen erwartet. „Mich hätte noch interessiert, wo so etwas seinen Anfang hat.“

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