WCCB für Einsteiger Was über den Fall WCCB bekannt ist

Bonn · Neun Jahre nach dem Baustopp beim World Conference Center Bonn (WCCB) fällt es Erstlesern schwer, den Prozessen vor Gericht zu folgen. Der GA hat die wichtigsten Fakten zusammengefasst.

Ende 2005 votierte der Stadtrat für den WCCB-Investor Man-Ki Kim (SMI Hyundai Corp./USA). Laut Ratsbeschluss sollte Kim ein Konferenzzentrum mit 352-Zimmerhotel für 139 Millionen Euro bauen. Der Tisch war reich gedeckt: Der Bund spendierte das Grundstück (Wert: rund 10 Millionen), das Land bezuschusste mit 35,79 Millionen, die Sparkasse KölnBonn gewährte einen Kredit von 74,3 Millionen. Der Ratsbeschluss enthält den Begriff „Nebenabrede“. Was der Rat nicht wusste: Nebenabrede hieß Bürgschaft. Sie war nötig, weil Kim samt SMI Huyndai der Sparkasse nicht kreditwürdig erschienen war. Auch das wurde dem Rat verschwiegen.

Obwohl der Investor zu Baubeginn sein Eigenkapital (40 Millionen) nicht nachweisen konnte, durfte er losbauen. Weil er kein Geld hatte, wie von der Sparkasse richtig eingeschätzt, lieh er sich 2007 zu 60 Prozent Zinsen 10,3 Millionen bei Arazim Ltd. (Zypern). Als Sicherheit verpfändete er 94 Prozent der WCCB-Anteile. Da Kim nicht zurückzahlte, saß der neue WCCB-Eigentümer ab August 2007 auf Zypern. Ungeachtet dessen akquirierte Kim mit Honua (Hawaii) einen weiteren Investor und bot wieder 94 Prozent der Anteile, obwohl die längst verpfändet waren.

Von diesem Tohuwabohu erfuhren weder Öffentlichkeit noch Rat etwas. Als der Baustelle im Mai 2009 das Geld ausging, forderte OB Dieckmann den Rat auf, die „Nebenabrede“ um 30 Millionen (jetzt 104,3 Millionen) zu erhöhen. Begründung: Baukostenexplosion. Ein Baustopp sollte unbedingt verhindert werden. Da wurde es dem Rat zu bunt. Er beauftragte das Rechnungsprüfungsamt (RPA). Was der Rat wiederum nicht wusste: Rund die Hälfte der 30 Millionen flossen nicht zur Baustelle, sondern blieben bei der Sparkasse für das vorfinanzierte, fehlende Eigenkapital des klammen Investors Kim.

Skandal findet bundesweit Beachtung

Am 22. August 2009 begann der General-Anzeiger hinter die Kulissen zu blicken („Die Millionen-falle“). Bald ermittelte die Staatsanwaltschaft. September 2009: Baustopp, Insolvenzwelle, 50 Razzien in Bonn und Berlin. Bald geriet der Skandal auch bundesweit in die Schlagzeilen. Der „Spiegel“ fragte im Mai 2010: „Wie dumm darf sich eine Stadtverwaltung anstellen, bevor es kriminell wird? Die Stadt Bonn fiel mit einem Kongressbau auf einen Aufschneider aus Fernost herein.“

Aber so war es eben nicht. Im Mai 2010 erschien der 1. WCCB-Report des RPA: Das Städtische Gebäudemanagement hatte kaum Baurechnungen kontrolliert, die Verwaltungsspitze am Rat vorbei gebürgt und war selbst alles andere als ahnungslos. Projektleiter Arno Hübner entwarf bereits im Frühjahr 2008 Worstcase-Szenarien, Monate später kapitulierte OB Dieckmann: Sie wollte nicht mehr kandidieren („Demokratie lebt vom Wechsel“). Die Staatsanwaltschaft klagte zehn Personen an (jeder zweite stammte aus der Verwaltung). Die Ermittlungen gegen Dieckmann wurden 2013 eingestellt.

Details aus dem Mammutprozess gegen Kim & Co. schockierten die Öffentlichkeit (siehe Haupttext), die so erkannte, dass die Stadt nicht einfach betrogen worden war oder nur fahrlässig gehandelt hatte. Da eine private GmbH (UNCC) baute, in die alle öffentlichen Mittel, Werte und ein städtisch bebürgter Kredit flossen, entwickelte sich das WCCB zudem zu einem der kompliziertesten Insolvenzfälle Deutschlands. Auch sonst hat das WCCB-Geschehen jede Menge juristischen Sondermüll produziert. Fast zehn Millionen Euro kosteten allein die städtischen Berater, um das WCCB wieder in städtische Hände zu überführen. Die Baustelle musste fünf Winter gegen Frost und Schnee verteidigt werden. Erst Mitte 2014 drehten sich wieder die Kräne. Im Juni 2015 wurde das WCCB schließlich eröffnet.

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