Akif Pirincci Warum der Katzenkrimi-Autor nicht auf seine türkischen Wurzeln reduziert werden will

BONN · Gegen Mittag verlässt er das Haus und streift durchs Revier. Er hat keine Eile, und wie er da durch die Südstadt läuft, über den Bonner Talweg, die Poppelsdorfer Allee und durch die Unterführung bis zum Kaiserplatz, mit der Zigarette in der Hand, erinnert an das schweigsame Schlendern seines berühmten Romanhelden.

 Katzenkrimi-Autor Akif Pirincci in seiner Wohnküche: Am Montag erscheint sein neuer Katzenkrimi.

Katzenkrimi-Autor Akif Pirincci in seiner Wohnküche: Am Montag erscheint sein neuer Katzenkrimi.

Foto: Volker Lannert

Keine Frage: Akif Pirincci ist ein Gewohnheitstier. Er hat seinen Lieblingsplatz am Café Goldbraun (auf der Bank neben dem Eingang), seine Rituale, und Veränderungen im Lebensrhythmus kann der Bonner Bestsellerautor überhaupt nicht leiden. "Stimmt, ich mache immer das Gleiche", sagt er in seiner sehr aufgeräumten Wohnküche und nippt am Espresso. Pirincci erzählt von seinem neuen Roman, der am 24. September erscheint.

"Göttergleich" heißt sein achter Felidae-Roman, ein wahnwitziger Katzenkrimi. Für Francis, den intelligentesten Mäusejäger seit Grimms Gestiefeltem Kater, läuft seit einem Unfall die Zeit rückwärts, jedenfalls phasenweise und das jeweils genau 8 Minuten und 56 Sekunden. Pirincci wird seine Fans wieder mit einer völlig verdrehten und spannenden Geschichte beglücken. Wie kommt er nur auf diese Geschichten?

Pirincci zuckt die Schultern. "Das ist doch mein Beruf", sagt er. Aber Recherche gehört dazu. Für seinen düsteren Roman "Der Rumpf" habe er monatelang in der Unibibliothek in medizinischen Büchern geforscht. Andererseits, meint der 52-Jährige, passiere im Alltäglichen so viel, dass man das Erlebte nur weiterspinnen müsse.

Der Bonner steckt voller Geschichten und Anekdoten, nicht ohne eine gehörige Portion Selbstironie. Auf sein Alter angesprochen, antwortet der 52-Jährige mit einem Dialog aus einem Bruce-Willis-Film: "Scheiße, ich hätte nie gedacht, dass mir das passiert!" - "Was?" - "Altwerden!"

Er erzählt, wie er eine junge Frau anspricht, zugegebenermaßen mit der plumpe Anrede "Kennen wir uns nicht von irgendwoher?" und diese schlagfertig antwortet: "Ja natürlich, Sie haben doch bei mir letztens den Rollator gekauft!" Oder auch völlig Absurdes: Bei einem Besuch eines Feinschmeckerlokals mit seiner Freundin kommt der Sommelier und hält einen ausführlichen Vortrag über das Weinangebot. Als Pirinci schließlich entnervt fragt, was er selbst trinken würde, antwortet der Sommelier: "Tut mir leid, ich trinke keinen Alkohol."

Ein Glas Rotwein gehört dazu, wenn Pirincci in die Tasten haut. "Abends schreibe ich, tagsüber bin ich mein Kritiker", sagt er. Und Musik muss auch laufen, wenn er arbeitet. Roxy Music, Sigur Ros, Lana del Rey, der Soundtrack von "Drive", aber auch Klassik kommt aus den Lautsprechern.

"Ohne Musik kann ich nicht arbeiten. Das Schreiben ist eine sehr einsame Arbeit. Und da muss ich wenigstens einmal am Tag mal raus." Und Disziplin gehöre dazu.

Aber auch Fleiß. 2010 bringt er zwei Bücher raus. Neben "Felipolis" den überaus komischen Roman "Volltreffer" unter seinem Pseudonym Cedric Arnold. In diesem Jahr werden auch zwei Bücher erscheinen: nach "Göttergleich", der "Psycho-Horror", so Pirincci geheimnisvoll - "Das geheime Leben der Pflanzen". So etwas wie Schreibblockaden kennt der Autor, der mehr als drei Millionen Bücher verkauft hat, nicht: "Das kann ich mir nicht leisten."

Im geräumigen Arbeitszimmer steht eine Bücherwand, unter dem Glas des Couchtisches stecken übersetzte Felidae-Romane aus aller Welt. Seine Bücher wurden in 20 bis 30 Sprachen übersetzt. So genau weiß er es nicht. Seinen Roman "Die Damals-tür", in Deutschland mit Mads Mikkelsen und Jessica Schwarz in den Hauptrollen verfilmt, hat sich jetzt auch Hollywood vorgenommen.

Es gibt zwei Dinge, die Akif Pirincci besonders hasst: Wenn er als Katzenfachmann angesprochen wird oder auf seine türkische Abstammung reduziert wird. "Diese ganze Identitätsscheiße interessiert mich nicht. Bei Lesungen wurde ich dauernd gefragt, was denn etwa Felidae mit meiner türkischen Abstammung zu tun hat? Natürlich nichts!" Und so kommt es auch schon mal zu zornigen Ausbrüchen, wenn Pirincci "als türkischer Prominenter" angefragt wird.

"Ich habe weder mit der Türkei noch mit Türken etwas am Hut", schreibt er auf Facebook. "Ich bin durch und durch ein Currywurst-Deutscher." Und das meint Pirincci aus Überzeugung. "Ich liebe die deutsche Sprache, die deutsche Literatur. Ich finde, es gibt keine Sprache auf der Welt, mit der du einen Gefühlszustand so präzise beschreiben kannst."

Mit neun Jahren kommt der in Istanbul geborene Pirincci nach Deutschland, mit 21 Jahren veröffentlicht er seinen ersten Roman "Tränen sind immer das Ende". "Mit 15 habe ich die deutschen Klassiker und Romantiker verschlungen. Goethe, E.T.A. Hoffmann, Eichendorff - das ist der Wahnsinn."

Als er 1989 seinen ersten Katzenroman herausbringt, hatte er ein endloses Klinkenputzen bei den Verlagen hinter sich. "30 haben abgesagt. Es hieß stets: Tierkrimis lesen Erwachsene nicht, und für Kinder sind sie zu grausam." Doch der Erfolg gab ihm Recht: "Damit habe ich ein neues Genre geschaffen."

Danach war alles anders. "Mein Leben ist explodiert", erinnert sich Pirincci. Zunächst wurden 7 000 Exemplare gedruckt. "Als wir bei 15 000 waren, dachte ich schon, das ist der Wahnsinnserfolg, 300 000 war schon magisch." Pirincci gibt zu: "Ich wurde größenwahnsinnig.

Aber stell dir das mal vor, da flossen Summen auf dein Bankkonto, von denen du nicht mal geträumt hast." Doch mittlerweile sei er "geerdet". Was braucht man schon? Was er selbst braucht, sind Kaffee, Wein, Musik - und das Schreiben. Sein Lebensmotto? "Dir fällt immer was ein."

Info:
"Göttergleich: Ein Felidae-Roman", erscheint am Montag beim Heyne Verlag, 19,99 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort