Kundenzahlen in den Geschäften Warum dem Einzelhandel in Bonn und der Region die Kunden wegbleiben

Bonn · Die IHK hat in ihrem Report festgestellt, dass die Kundenfrequenz in der Bonner Innenstadt bei einigen Händlern um bis zu 50% zurückgegangen ist. Gründe dafür sind der Online-Handel und der Zugang: Es wird schwieriger, in die Stadt zu gelangen.

Wachsende Verkaufsflächen, sinkende Kundenzahlen in den Geschäften, mehr Konkurrenz in den Nachbarstädten und vor allem im Internet. Das sind in Kurzform die wesentlichen Nachrichten der vierten Auflage des Branchenreports, den die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg jetzt für den regionalen Einzelhandel vorgelegt hat.

Für Bonn klingt darin vor allem eine Zahl besonders drastisch: Um teilweise bis zu 50 Prozent sei bei manchen Einzelhändlern in Bonn und anderen Städten die Kundenfrequenz zurückgegangen. „Offenbar streben insgesamt immer weniger Menschen zum Einkauf in die Innenstädte“, so IHK-Handelsreferent Till Bornstedt. Ein wesentlicher Grund dafür sei der zunehmende Onlinehandel.

Für die Stadt Bonn, wo sich der übergeordnete Trend wachsender Verkaufsfläche in Gestalt von Südüberbauung und Nordfeld vorerst bestätige, machen die Experten aber noch weitere Hindernisse für den stationären Handel aus. „Nach wie vor kommen in Bonn etwa 40 Prozent der Kunden mit dem eigenen Auto. Es wird aber immer schwieriger, in vertretbarer Zeit in die Stadt zu gelangen. Also denken die Kunden immer häufiger über Alternativen nach“, sagt Till Bornstedt. Zwar nutzten bereits 60 Prozent der Kunden den öffentlichen Nahverkehr oder das Fahrrad, zusätzliche Abhilfe, so die IHK, würde jedoch ein intelligentes Verkehrsleitsystem schaffen, das die Autofahrer auf die vorhandenen Parkplätze verteilt.

Zugleich sieht die Studie gerade in diesem Punkt „Chancen zur Optimierung“ und nennt die mögliche Neugestaltung des Hauptbahnhofs als Eingangstor in die Stadt. Größte Herausforderung für die Händler in den Innenstädten ist und bleibt allerdings der Onlinehandel. So gab bei der IFH-Studie ein Viertel der Befragten an, die Bonner City aufgrund von Onlinekäufen seltener zu nutzen. Beängstigend müssen auf den traditionellen Handel zwar noch nicht die absoluten Umsatzzahlen des Onlinegeschäfts, sehr wohl aber ihre Wachstumsraten wirken: Die sind zweistellig, während sie im herkömmlichen Handel im niedrigen einstelligen Bereich liegen.

„Multi-Channeling“ heißt deshalb das Zauberwort. Gemeint ist das intelligente Verknüpfen verschiedener Vertriebskanäle. So sollten Geschäfte nach Überzeugung der Experten beispielsweise die Möglichkeit bieten, Ware vorab online zu kaufen und sie im Geschäft abzuholen. Zukunftsträchtig, so die Studie, seien auch lokale Händlerplattformen. Ein Positivbeispiel wird dabei ausdrücklich genannt: die Seite „AllyouneedCity“, auf der sich knapp 70 zumeist alteingesessene Bonner Geschäfte zusammengeschlossen haben.

Bonner Zentrum und Region aus Kundensicht

Für den Branchenreport wollte die IHK wissen, wie attraktiv das Bonner Zentrum eigentlich aus Kundensicht ist. Dazu nutzte sie die Ergebnisse der deutschlandweiten Studie „Vitale Innenstädte 2016“ des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH), das Passanten in 121 Städten befragte. Ergebnis: Die Bonner City wurde als überdurchschnittlich positiv bewertet und errang Bestnoten für das Flair der Gebäude, Fassaden und Plätze.

Die Zahlen belegen: Eigentlich ist der Rhein-Sieg-Kreis ein gutes Pflaster. Die für den Einzelhandel relevante Kaufkraft liegt in fast allen Kommunen über den Bundesdurchschnitt – ganz vorne weg in Bad Honnef, Wachtberg und Königswinter. Lediglich Ruppichteroth und Windeck sowie Troisdorf-Mitte und Spich kommen etwas schlechter weg als der Bundesdurchschnitt. Hinzu kommt, dass der Handel ein gutes Angebot macht. Gradmesser ist die sogenannte Einzelhandelszentralität, der Faktor, der die Attraktivität einer Stadt als Einzelhandelsstandort ausweist. Diese wiederum bemisst sich danach, ob eine Stadt mehr Kaufkraft binden kann als ihre Einwohner zur Verfügung haben. In der Region schneiden da vor allem Sankt Augustin, Siegburg, Bornheim, Bad Honnef und Troisdorf gut ab.

Die Verkaufsfläche im Kreis liegt bei insgesamt 972 000 Quadratmetern – Tendenz steigend. Angetrieben wird das Wachstum vor allem von großen Shopping-Centern, Baumärkten und Möbelhäusern. Diese siedeln sich oft auf der „grünen Wiese“ an – aber nicht nur. Beispiele: die „Troisdorfer Galerie“ am Wilhelm-Hamacher-Platz mit 9000 Quadratmetern und der neue Huma-Markt in Sankt Augustin mit 39 000 Quadratmetern. Gemessen an der Verkaufsfläche pro Einwohner sind viele Gemeinden und Städte im Kreis überdurchschnittlich gut ausgestattet. Vor allem Bornheim, Rheinbach, Meckenheim, Siegburg und Hennef schneiden sehr gut ab. Bremsklotz der positiven Entwicklung indes ist der Online-Handel, der zweistellige Wachstumsraten verzeichnet.

Onlinehandel größte Herausforderung

Doch welche Auswirkungen hat das auf die Innenstädte? Die IHK stützt sich bei ihrer Prognose auf die Studie „Vitale Innenstädte 2016“ des Kölner Instituts für Handelsforschung. Die Forscher hatten im September 2015 Passanten in 121 Städten befragt – darunter Bonn, Siegburg und Troisdorf. Ergebnis: In Siegburg werteten die Befragten die Innenstadt überdurchschnittlich positiv, die Troisdorfer Innenstadt lag im Durchschnitt. Besonders punkten konnten beide Innenstädte durch Ambiente und Flair. Allerdings: Jeder fünfte Befragte in Troisdorf gab an, die City zugunsten des Online-Handels seltener zu besuchen. In Siegburg waren es nur 4,5 Prozent.

Rheinbach und Hennef als Positivbeispiele

Für Online-Konzepte gibt es in der Region Ansätze, so eine gemeinsame Plattform des Bad Honnefer Einzelhandels. „Wir sehen diesen Auftritt als Ergänzung unseres Angebots“, so Georg Zumsande, Sprecher der Gewerbegemeinschaft Centrum. Die hohe Kaufkraftbindung Bad Honnefs führt er auf den Zusammenhalt der Geschäftsleute, die vielen Aktivitäten wie die Stadtfeste und den Onlineauftritt zurück. In Siegburg hat Unternehmer Winfried Schneller ein Webportal entwickelt. Ziel: Kunden, die online nach Produkten suchen, sollen dabei in erster Linie „ihre“ Stadt im Blick haben. Wichtig sei der Zugang zu kostenlosem Wlan. Hier rät die IHK Städten und Kommunen dringend zu einem weiteren Ausbau. Denn: Entscheidend sei, die Kunden in die Innenstadt zu ziehen. Zwei Positivbeispiele nennt der Report: Rheinbach und Hennef.

„Ich glaube schon, dass auch wir kämpfen werden“, sagt der Vorsitzende des Rheinbacher Gewerbevereins Oliver Wolf. Dass es in Rheinbach quasi keinen Leerstand gibt, sieht er als Ergebnis verschiedener Komponenten. „Wir haben eine optisch ansprechende Innenstadt, einen super Branchenmix, viele inhabergeführte Geschäfte und viel Gastronomie.“ Aber auch in Rheinbach will man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, auch dort sucht man nach einem digitalen Einkaufsportal für die Geschäftsleute.

Zudem: Rheinbach habe früh in seinem Einzelhandelskonzept ein Nein zur „grünen Wiese“ und zu großen Einkaufszentren außerhalb der City festgezurrt. „Bis heute konnte die Ratsmehrheit allen Ansinnen interessierter Investoren widerstehen“, heißt es im IHK-Report. Zufrieden ist man auch in Hennef: Viele namhafte Händler zieht es dorthin, Leerstände sind kein Problem. Laut der örtlichen Werbegemeinschaft kaufen viele Hennefer gerne in der eigenen Stadt ein. Als Gründe nennt sie die hohe Dienstleistungsintensität der Händler – und die hohe Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Die wiederum werde dank der neuen Gestaltungssatzung weiter steigen.

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