Frust bei der Polizei Warum Walid S. noch auf freiem Fuß ist

Bonn · Niklas Pöhler, Schlägereien und Bedrohungen: Die Liste der Fälle, bei denen Walid S. mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, ist lang. Trotzdem bleibt er weiterhin auf freiem Fuß.

Am 9. Februar soll Walid S. mit zwei Begleitern vier junge Männer am Bonner Uni-Hauptgebäude angegriffen haben ( der GA berichtete). Zwar wurde der 23-Jährige mangels Haftgründen wieder freigelassen, aber es könnte weitere Anhaltspunkte geben, die womöglich für eine Inhaftierung sprechen.

Nach GA-Informationen sollen nun die Verletzungen der Opfer genauer untersucht werden. Eventuell wird der Tatbestand verändert und lautet dann „schwere Körperverletzung“. Das könnte die Chance der Ermittler erhöhen, doch noch einen Haftbefehl zu erwirken.

Noch aber ist Walid S. auf freiem Fuß. „Der Frust bei unseren Polizisten darüber ist groß“, sagt Udo Schott, Vorsitzender der Bonner Gewerkschaft der Polizei (GdP). Nicht zuletzt, weil Walid S. Mitte Januar Polizisten nach einem Streit in einem Schnellrestaurant attackiert haben soll. Dennoch verzichtete die Staatsanwaltschaft nach zwei vorläufigen Festnahmen in den vergangenen Wochen mangels Erfolgsaussichten darauf, Untersuchungshaft zu beantragen.

Der Fall Niklas Pöhler

Walid S. ist den Behörden nicht erst seit dem Prozess um den Tod des 17-jährigen Niklas Pöhler im Mai 2016 bekannt. Der 23-Jährige, der in Mehlem wohnt, war als Hauptverdächtiger im Verfahren angeklagt, wurde aber freigesprochen.

Für eine Verurteilung reichten die Beweise nicht. „Es spricht sogar mehr dafür, dass nicht er es war, der Niklas den Faustschlag versetzte, der zu dessen Tod führte“, stellte der Richter damals fest.

Bislang hat Walid S. wegen eines Gewaltdeliktes eine Jugendstrafe von acht Monaten verbüßt. In weiteren Verfahren war die Beweislage nicht ausreichend für eine Anklage oder gar eine Verurteilung. Im Fall einer Disko-Schlägerei geht es nach einer Berufung demnächst vor dem Landgericht weiter. Nach den Prügelattacken im Januar und Februar wurde er festgenommen, anschließend aber wieder freigelassen.

„Was muss noch alles passieren?“

„Als Bürger stellt man sich die Frage, was noch alles passieren muss“, sagt Udo Schott. Und auch die Beamten seien frustriert, weil Walid S. „regelmäßig Objekt polizeilicher Maßnahmen“ sei. „Er ist auch kein Einzelfall, aber die Sanktionswirkung der Justiz sieht nun mal viele Stufen vor.“ Bis zur Haft gebe es viele Schritte. „Das zu bewerten ist Aufgabe der Justiz.“

Aufgabe der Polizei sei, gegen Verdächtige zu ermitteln und verwertbare Beweise vorzulegen, führt Polizeisprecher Robert Scholten aus. So reiche es nicht, dass ein Verdächtiger bei einer Schlägerei dabei gewesen ist. „Man muss belegen, dass er zugeschlagen hat.“

In Gemengelagen mit mehreren Beteiligten eine schwierige Aufgabe, vor allem wenn man sich auf Zeugenaussagen stützen müsse und Alkohol im Spiel sei. Die Öffentlichkeit erwarte, „dass wir hart durchgreifen und Täter aus dem Verkehr ziehen“, sagt Scholten. Das reflektiere sich nicht immer in der juristischen Bewertung, die der Staatsanwaltschaft obliege. Diese decke sich nicht immer mit den Vorstellungen der Polizei.

„Für den Bürger schwer nachvollziehbar“

Es gibt durchaus gute Gründe, warum Walid S. auf freiem Fuß ist. „Es gibt nur eine rechtskräftige Verurteilung und nur eine Vorstrafe, die fast zwei Jahre zurückliegt“, sagt Staatsanwalt Sebastian Buß. Die Tat selbst ist drei Jahre her.

Für Untersuchungshaft haben die Umstände offensichtlich nicht gereicht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bestand weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr – die klassischen Haftgründe nach Paragraf 112 der Strafprozessordnung. Eine Wiederholungsgefahr (Paragraf 112a) spielt laut Gesetz nur in schwerwiegenden Fällen wie Sexualdelikten eine Rolle bei der Entscheidung über Untersuchungshaft.

Auf die Delikte, die Walid S. derzeit zur Last gelegt werden, trifft das offenbar aus Sicht der Justiz nicht zu. Wiederholungsgefahr ist vor allem beim späteren Strafmaß entscheidend.

„Entscheidungen wie diese sind für den Bürger schwer nachvollziehbar. Solche Debatten sind sehr emotional“, sagt Stefan Weismann, Präsident des Bonner Landgerichts. Die Justiz erscheine dabei manchmal kalt. „Aber als Korrektiv wird die nüchterne Einbeziehung der großen Zusammenhänge gebraucht.“

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