Schluss nach der Vorrunde WM-Aus für Deutschland setzt Gaststätten und Handel zu

BONN · Nach dem überraschenden Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM bleiben viele Betreiber auf den Kosten fürs Public Viewing sitzen. Fanartikel werden zu Schleuderpreisen verkauft.

 So einsam sah das Public Viewing am Kameha Grand Hotel einen Tag nach dem Ausscheiden der Deutschen aus.

So einsam sah das Public Viewing am Kameha Grand Hotel einen Tag nach dem Ausscheiden der Deutschen aus.

Foto: Nicolas Ottersbach

Aus. Vorbei. Das gilt nach dem Ausscheiden aus der WM nicht nur für die deutsche Nationalmannschaft. Auch die Wirte müssen ihre Hoffnungen auf gute Kasse begraben – ebenso wie die Bierbranche. Bonner Händler räumen die schwarz-rot-goldene Dekoration aus den Schaufenstern, und auch die Fans rüsten ab. Doch wer mit den verbliebenen Mannschaften dem Weltmeistertitel entgegenfiebern will, findet auch in Bonn noch Orte, an denen die Spiele auf Großleinwänden übertragen werden.

Besser als mit dem Preisverfall der Deutschlandtrikots lässt sich die Enttäuschung der Fans nicht beschreiben. Kosteten sie beim Internethändler Amazon vor wenigen Tagen noch 50 bis 60 Euro, liegen sie jetzt bei rund 35 Euro. „Ich habe mein am Dienstag bestelltes Trikot wieder zurückgeschickt, weil ich nicht jedes Mal an das Ausscheiden erinnert werden will“, erzählte GA-Leser Rafael Schröder. Auch auf der Fanmeile am Beueler Rheinufer, wo das Kameha Grand Hotel eine riesige LED-Wand fürs Public Viewing aufgebaut hatte, war die WM-Euphorie schlagartig vorbei. Klaus und Bianca Wallrath hatten ihre Deutschland-Kappen nur noch als Sonnenschutz aufgesetzt. „Dafür ist es jetzt viel entspannter, Fußball zu gucken“, sagte Bianca Wallrath. Schließlich waren die Ränge fast leer. Nur ein harter Kern von 20 Kolumbien-Fans machte Stimmung.

Trotz des Besucherrückgangs: Im Kameha Grand Hotel werden weiter alle Spiele der Weltmeisterschaft präsentiert. „Wir ziehen das durch“, sagte Marketingleiter Julian Teske. Zehn Monate Vorbereitungszeit und zusätzliches Personal waren nötig, um unter anderem die Deutschlandspiele vorzubereiten, bei denen im Vorfeld mit rund 3000 Besuchern gerechnet wurde.

10.000 Euro pro Deutschlandspiel

Im Beueler Brückenforum ist die Saison dagegen vorüber. „Mit dem Public Viewing bei uns war ich sehr zufrieden“, sagte Geschäftsführer Jürgen Harder. Knapp 10.000 Euro seien pro Deutschlandspiel im Brückenforum umgesetzt worden, ein Besucher gebe durchschnittlich zehn Euro pro Abend aus. Insgesamt eine beträchtliche Summe, auf die er nun wegen ausbleibender Spiele verzichten muss. „Das ist schon ein wirtschaftlicher Schaden“, so Harder. Die Termine für mögliche K.O.-Spiele der Nationalmannschaft bis zum Finale hatte Harder schon im Vorfeld blockiert – die müssen jetzt anderweitig besetzt werden. In der Harmonie in Endenich wird es erst ab dem Halbfinale wieder zu einem großen Public Viewing im 200 Personen fassenden Saal kommen. „Das sind dann wieder interessante Paarungen“, sagte Betreiber Bert Jakwerth dem GA.

Die Bierbranche rechnet nach einer Unternehmensschätzung damit, dass ihr 40 Millionen Euro an möglichem Mehrumsatz entgehen. Bei einem Weiterkommen des deutschen Teams hätte es in der zweiten WM-Hälfte erfahrungsgemäß ein zusätzliches Absatzpotenzial von etwa 400.000 Hektoliter gegeben, sagte der Sprecher der Privatbrauerei Veltins, Ulrich Biene. „Die Emotionalität ist raus.“ Damit falle der „Abverkaufs-Turbo“ für Bier durch die Fußball-WM in den nächsten Wochen aus. Im Mai hatte die Braubranche auch durch Effekte im Vorfeld der WM noch hohe Bierabsätze erzielt.

Ernüchterung auch bei den Wirten: „Wir hatten auf Sonne plus Fußball gesetzt. Die Rechnung ohne den Fußball geht so aber nicht mehr auf“, sagte Thorsten Hellwig, NRW-Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). „Natürlich liegt das Risiko immer beim Gastronomen, aber die Verärgerung und der Frust sind schon ziemlich groß.“ Manche Gastronomen hätten nach dem guten Abschneiden Deutschlands bei den Vorgänger-Turnieren beträchtliche Summen investiert.

Werbekampagne wurde umgemünzt

„Die reinen Fußballfans, die nur wegen der Übertragung in Kneipen oder Biergärten kommen und dort konsumieren, kommen nun nicht mehr“, sagte Hellwig. „Fußball wird nun eher nebenbei geguckt, die Übertragung der WM ist nicht mehr länger Ausgehgrund.“ Weniger Gäste bedeuteten weniger Umsatz. „Die Gastronomen bleiben auf den Kosten sitzen, und der Frust über unsere Nationalmannschaft kommt noch obendrauf.“

Das Aus setzt auch dem Handel zu: Einige Geschäfte in der Bonner Innenstadt begannen schon am Donnerstag damit, die Dekoration zu ändern. Die Warenhauskette Kaufhof hat am Tag nach dem Aus für das deutsche Team die Preise für die gesamte offizielle DFB-Kollektion unter dem Motto „Schade Deutschland“ um 40 Prozent reduziert. „Als Trostpflaster“, sagte Unternehmenssprecherin Sophie Lasos.

In den kommenden Tagen werde sich auch das Aussehen der Filialen stark verändern. Die WM-Dekoration auf den Ausstellungsflächen solle nahezu komplett verschwinden – abhängig davon, wie schnell das Personal die Schaufenster umgestalten kann. Auch die Werbebranche zwingt das Ausscheiden zu einer schnellen Reaktion. „Unser Fokus liegt nun auf dem Spot Stock Up – begeisterte Fußball-Fans kaufen Coca-Cola – sowie auf dem Presenter Spot vor den Spielen“, erklärt Stefanie Effner vom Getränke-Großkonzern Coca-Cola. Getränkedosen, auf denen die Konterfeis der Nationalspieler abgedruckt sind, werde es jedoch weiterhin im Handel geben.

Das Bonner Citymarketing hat sogar seine komplette Werbekampagne „So jubelt Bonn“ umgemünzt: Team Deutschland geht baden. Unser Fußballfieber geht weiter. „Natürlich verteilen wir auch wieder unsere Flyer, wo alle Händler aufgeführt sind mit ihren Rabatten, Geschenken und vielen kleinen und großen Aktionen rund um das Thema Fußball“, sagte die Geschäftsführerin des Citymarketings, Maike Reinhardt.

Reduziert wird auch das Programm des einen oder anderen Public Viewings, zum Beispiel in Dortmund. Das dortige Deutsche Fußballmuseum wollte alle Spiele mit deutscher Beteiligung und das Finale zeigen. „Jetzt übertragen wir nur noch das Endspiel“, sagte ein Museumssprecher. Nach wie vor verspricht nicht nur das Beueler, sondern auch das Düsseldorfer Rheinufer Atmosphäre: Dort werden alle Spiele übertragen.

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