Test mit Ratspolitikerin Annette Standop Viele Hindernisse für Rollstuhlfahrer in Bonn

Bonn · Ausgebremst und ausgesperrt: Für viele Rollstuhlfahrer ist die Bonner City voller Stolperfallen. Der GA machte die Probe aufs Exempel mit der Ratspolitikerin Annette Standop. Sie sitzt seit ihrer Kindheit im Rollstuhl.

Der Weg ins Alte Rathaus ist für Annette Standop voller Stolperfallen. Während ihre Kollegen aus der grünen Ratsfraktion vom Marktplatz aus nur schnell die Treppe hinauf ins Büro huschen, erreicht die 50-Jährige das Gebäude ausschließlich über den rückwärtigen Parkplatz. Dort wird sie erneut ausgebremst. „Ich komme zwar bis zu einem Seiteneingang, aber ohne Hilfe geht’s dennoch nicht weiter, denn die Tür öffnet sich ausschließlich nach außen. Also muss sie mir jemand aufhalten.“

Es gibt viele Stellen in der City, wo Menschen mit körperlichen Einschränkungen ausgebremst oder ausgesperrt werden. Mal sind es ein, zwei Stufen, die den Zugang zu einem Geschäft blockieren. Mal sind es Aufzüge, die so klein konzipiert sind, dass sie mit einem elektrischen Rollstuhl nicht benutzt werden können. Ein großes Problem ist zudem der unterschiedliche Bodenbelag in der Innenstadt. Was manche für eine optisch gelungene Planung halten ist für Menschen mit Handicap oder Senioren mit Rollator oft ein ungeheures Hindernis.

Gleich vor dem Rathaus geht für Annette Standop, die seit ihrer Kindheit auf den Rollstuhl angewiesen ist, der Hindernislauf los. „Meistens starre ich nur nach unten, um zu sehen, wo ich am besten fahren kann“, erklärt die 50-Jährige. Das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes umfährt sie großzügig und bahnt sich ihren Weg entlang der Geschäfte. „Natürlich sind diese Steine hier am Rand nicht so schön. Aber sie haben eine glatte Oberfläche und der Rollstuhl fährt viel leichter darüber“, sagt Annette Standop. Obwohl sie in der Fußgängerzone unterwegs ist, geht es nicht gefahrenfrei weiter. Direkt vor den Geschäften parken vormittags häufig Lieferfahrzeuge. „Das ist für mich nicht ungefährlich. Ich bin ja nicht gerade im Sichtfeld der Fahrer, wenn sie ihre Laster rückwärts bewegen.“

Barrierefreier Ausbau soll vorankommen

Die Sternstraße meidet die Sozialpolitische Sprecherin der grünen Ratsfraktion so oft es geht. Zwar ist der rote Belag schön anzusehen, aber „der Mittelteil ist mit Kopfsteinpflaster umrandet. Es ist sehr unangenehm mit dem Rollstuhl darüber zu fahren.“ Ein besonderes Ärgernis ist für sie der Friedensplatz. Erst vor Kurzem saniert sei er ein besonders schlechtes Beispiel für Barrierefreiheit: „Nur holpriges Kopfsteinpflaster, dazu unebene Flächen und überall Löcher“, lautet ihr Fazit. Doch es gibt auch positive Beispiele. „Der Durchgang von der Budapester Straße zum Bottlerplatz ist wirklich gelungen“, sagt die 50-Jährige.

Problematisch wird es jedoch an so mancher Kreuzung. Um Sehbehinderte darauf hinzuweisen, dass sie vom Gehweg auf die Straße wechseln, wird der Bordstein meist nicht komplett abgesenkt. „Die etwa zwei Zentimeter hohe Kante ist aber schlecht für Rollstuhlfahrer. Ich würde mir wünschen, dass man am Straßenrand ebenerdig Markierungen anbringt, um Sehbehinderte zu warnen“, sagt Standop. Zudem, so beklagt sie, seien die Ampelschaltungen in der Regel viel zu kurz. „Das ist nicht nur für Behinderte ein Problem. Viele Senioren schaffen es ebenfalls kaum, in den kurzen Grünphasen über die Straße zu kommen.“

Auch im öffentlichen Nahverkehr könne man mehr für die Sicherheit von Rollstuhlfahrern tun. Die Kommunalpolitikerin freut sich zwar darüber, dass der barrierefreie Ausbau der Haltestellen vorankommt, aber: „Es gibt in Bus und Bahn keine zusätzliche Möglichkeit, sich zu sichern. Nicht immer reicht die Rollstuhlbremse aus, und viele haben einfach nicht die Kraft, um sich festzuhalten“, beklagt sie.

„Barrierefreiheit ist ein langer und steiler Weg. Aber er ist machbar“, blickt sie dennoch zuversichtlich nach vorne. Denn schließlich würde Barrierefreiheit nicht nur das Leben von Behinderten erleichtern. „Nein, das Leben aller Menschen wird durch Barrierefreiheit einfacher.“ Ihrer Meinung nach ist Bonn gut aufgestellt. „Aber man kann noch mehr machen. Irgendwann leben wir alle mit Einschränkungen. Spätestens im Alter wird das jeder erfahren.“

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