Wohnungsnot in Bonn Viele Gebäudeflächen stehen leer

Bonn · Der Baudruck auf die Städte ist gewaltig, es herrscht Notstand an der Wohnungsfront. Dabei steht der dramatischen Wohnungsnot ein Überangebot an leerstehenden Gebäudeflächen in mitunter exzellenter Lage gegenüber.

Der Druck auf die Städte sei gewaltig, sagt die Bonner Architektin Ines Knye, vor allem vor dem Hintergrund eines akuten Notstands an der Wohnungsfront: Studenten auf der Suche, Flüchtlinge, die untergebracht werden müssen, Menschen, die sich die galoppierenden Mieten nicht mehr leisten können.

„Das Prinzip Neubau funktioniert nicht immer“, ergänzt Peter Berner, Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) NRW, das Innenwachstum der Städte und die Nachverdichtung einzelner Quartiere stoßen an ihre Grenzen. Ein Bonner Phänomen ist, dass der dramatischen Wohnungsnot ein Überangebot an leerstehenden Gebäudeflächen in mitunter exzellenter Lage gegenübersteht.

Seit zehn Jahren steht etwa das Landesbehördenhaus an der B 9, eine Immobilie des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) großteils leer. Fast 50.000 Quadratmeter. Bei konservativer Mietpreisgestaltung seien dem Landesbetrieb seit 2006 rund 33 Millionen Euro Einnahmen durch die Lappen gegangen, schätzt Knye vom Vorstand des BDA Bonn-Rhein-Sieg.

200.000 ungenutzte Quadratmeter

Ihre Vorstandskollegen Ralph Schweitzer und Nikolaus Decker rechnen grob mit 200.000 ungenutzten Quadratmetern allein bei Bonner Liegenschaften des BLB. „Das könnten 3000 Wohnungen sein“, sagte Schweitzer.

„Städte im Stress“, so lässt sich nicht nur die aktuelle Situation in Bonn beschreiben. So nennt sich auch eine bis Mitte November NRW-weit laufende Veranstaltungsreihe des BDA. Untertitel: „Wege aus der Wohnungsnot“.

Die Reihe startete am Montagabend in der Fabrik 45 mit einer anregenden Runde, der der BDA das griffige Motto „Der Luxus des Ungenutzten“ gegeben hatte. Teil des Abends war die Präsentation der Ergebnisse eines BDA-internen Workshops zum Landesbehördenhaus.

Laut Schweitzer nicht der einzige spektakuläre Leerstand in Bonn: So stehe die Pädagogische Hochschule leer, ebenso die Soennecken-Villa und das Bürogebäude von Straßen-NRW, das VHS-Gebäude und die Rathauszeile Bad Godesberg. Die Ermekeilkaserne und die Poliklinik werden derzeit von Flüchtlingen bewohnt.

Ehemaliges PP: Vertikale Stadt oder Mini-Stadtteil

Das Landesbehördenhaus erscheint im Konzept des BDA als „vertikale Stadt oder Mini-Stadtteil in sich“ (Knye), wo günstige Büroräume, etwa für Start-up-Unternehmen ebenso Platz finden wie Leseräume für Studenten inklusive Bibliothek. Es könnte dort Künstlerateliers und Fotostudios (in den Gefängniszellen des ehemaligen Polizeipräsidiums) geben.

Um einen Hof herum gruppieren die Planer Wohnraum etwa für ein Backpackerhotel, für Flüchtlinge oder Studenten. Knye schweben Variowohnungen vor, deren Förderrichtlinien gerade aktualisiert wurden. Komplettiert wird das Ensemble durch einen Club im Keller, eine Marktfläche, Räume für Gastronomie, ein „Pocket-Garden“ und eine Spielwiese für Freunde des „Urban Gardening“ auf dem Dach.

Dass das nicht alles pure Utopie bleiben muss, führten zwei Architekten anhand von Umbauten vor. Der Düsseldorfer Harald Wennemar präsentierte seine gelungene Umwandlung des riesigen Komplexes der Thyssen-Hauptverwaltung in Düsseldorf in ein attraktives Wohnquartier („Living Circle“), Decker zeigte seine Pläne für die Hohe Pforte in Köln: Da wird eine ehemalige Textilmanufaktur inklusive 70er-Jahre-Fassade in einen Wohnkomplex in bester Kölner Lage verwandelt.

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