Falck-Konzern blockiert Ausschreibung Vergabe-Krise beim Rettungsdienst in Bonn

Bonn · Die Dänen kommen, und Bonn wehrt sich: Die Expansion des Falck-Konzerns im deutschen Rettungsdienst hat einen juristischen Konflikt mit der Bundesstadt ausgelöst, der in dieser Woche heftig eskaliert ist – mit unabsehbaren Folgen für Notfallpatienten.

Denn die Verträge mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), den Maltesern, den Johannitern und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) laufen zum Jahresende aus, und die Neuvergabe ist durch den Streit mit Falck blockiert. Bisher stellen die vier Hilfsorganisationen den Großteil der Rettungsteams in Bonn.

Das soll nach dem Willen des Stadtrates auch unbedingt so bleiben. Deshalb schrieb die Stadt die vier Lose für die Feuerwachen Bonn, Beuel, Godesberg und Hardtberg (jeweils Rettungsdienst und Krankentransporte) zum 1. Januar 2018 nicht europaweit aus, sondern pochte auf die sogenannte Bereichsausnahme.

Die steht seit vorigem Jahr im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und erlaubt, bestimmte Aufträge ohne Ausschreibung direkt zu vergeben. Problem: Es ist umstritten, ob die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst gilt: Falck hat einen Streitfall mit Solingen bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) getrieben, der noch nicht entschieden hat. Die 1906 in Dänemark gegründete Aktiengesellschaft ist nach eigenen Angaben seit 2010 mit Tochterfirmen in Deutschland aktiv und hat rund 2500 Mitarbeiter an 65 Standorten in acht Bundesländern.

Linkspartei enthielt sich

Falck will auch in Bonn mitmischen und schaltete deshalb die Vergabekammer Rheinland in Köln ein. Die legte das Verfahren im August auf Eis, bis der Europäische Gerichtshof entschieden hat – was ein bis zwei Jahre dauern kann. Den Antrag der Stadt, das Zuschlagsverbot für die Hilfsorganisationen aufzuheben, schmetterten die Wettbewerbswächter im September ab.

Die Vergabekammer wies darauf hin, dass Bonn den Rettungsdienst für eine Übergangszeit bis zum EuGH-Beschluss ausschreiben könnte, so wie es andere Kommunen getan haben. Eine solche Interimsvergabe muss aber auch Falck offen stehen. In Köln, wo man es zunächst ebenfalls mit Bereichsausnahme versucht hatte, ist der Konzern deshalb seit Oktober in den Rettungsdienst eingebunden.

Exakt diesen Weg schlugen Feuerwehr und Stadtverwaltung dem Rat am 2. Oktober vor. Doch in nichtöffentlicher Sitzung setzten die Fraktionen gegen die ausdrückliche Warnung der Fachleute eine erneute Vergabe als Bereichsausnahme durch (geschätzter Gesamtwert für zwei Jahre: 13,2 Millionen Euro). Nur die Linkspartei enthielt sich.

Danach warnte Stadtdirektor Wolfgang Fuchs in einem vertraulichen Brief an die Ratspolitiker, weitere Verzögerungen würden „mit hoher Wahrscheinlichkeit zu äußerst kritischen Umständen führen.“ Und: „Die Organisation des Rettungsdienstes über den Jahreswechsel hinaus würde gefährdet.“ Er bedauere den Ratsbeschluss, denn das Verfahren werde „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder keinen Erfolg haben“.

Verfahren soll schnell entschieden werden

Und genauso kam es: Falck stellte wieder einen Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer, wo die Stadt am 26. Oktober zum zweiten Mal scheiterte. Unter größtem Zeitdruck startete die Verwaltung nun ein wettbewerbliches Interimsverfahren, an der auch der Privatkonzern teilnehmen konnte. Doch Falck zog am Montag erneut vor die Vergabekammer. „Die Stadt Bonn will die Bereichsausnahme durch die Hintertür durchsetzen“, begründet Falck-Anwalt Christian Braun.

Die Rahmenbedingungen seien so gewählt, dass ein Dienstleister, der neu am Ort sei, sie in der Kürze der Zeit nicht erfüllen könne. Falck rügt zudem die fehlende EU-weite Bekanntmachung, eine rechtswidrige Fristsetzung und – mit Blick auf die Hilfsorganisationen – „wettbewerbswidrige Absprachen sowie Interessenkonflikte“. Braun weist Kritik zurück, dass Falck seine Rettungsassistenten und Notfallsanitäter schlechter bezahle als die Hilfsorganisationen: Der Personalmarkt sei derart leer gefegt, dass die Leute sich ihren Arbeitgeber aussuchen könnten.

Die Stadt Bonn kündigt an, die Falck-Vorwürfe vor der Kammer entkräften zu wollen. Man stehe „im intensiven Austausch mit allen Beteiligten, um den Rettungsdienst auch über den 31. Dezember hinaus umfänglich sicherzustellen“, hieß es am Freitag aus dem Presseamt.

Bis die Vergabekammer einen Beschluss fasst, stockt alles. Wann das passiert – unklar. „Das Verfahren soll schnellstmöglich entschieden werden, wobei die Rechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind“, so Vanessa Nolte, Sprecherin der Bezirksregierung Köln. Die Stadt will nun die Verträge mit den Hilfsorganisationen zumindest bis März 2018 verlängern, wie aus nichtöffentlichen Papieren hervorgeht.

„Das DRK wird auf jeden Fall versuchen, den Rettungsdienst auch über den 31. Dezember hinaus zu sichern“, sagt der Kreisvorsitzende Georg Fenninger. „Wir können es uns alle nicht leisten, Probleme entstehen zu lassen.“ Der CDU-Politiker betont, dass die Hilfsorganisationen, anders als Falck, nicht gewinnorientiert seien. Malteser, Johanniter und ASB halten sich wegen des laufenden Verfahrens bedeckt. Eine davon soll sich an der letzten Ausschreibung schon gar nicht mehr beteiligt haben.

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