Musikszene in Bonn Verein bonn.pop will mehr Clubs und Bühnen

Bonn · Natascia Cuschie macht sich für die lokale Musikszene in Bonn stark. Die Vorsitzende des Vereins bonn.pop kritisiert das Club-Sterben und die fehlende Einbindung beim Beethovenjahr 2020 als verpasste Chancen.

Nach drei Jahren, so heißt es, ist eine Veranstaltung im Rheinland Tradition und ein Verein dementsprechend etabliert. Kann und vor allem will bonn.pop das auch von sich behaupten?

Natascia Cuschie: Ja und nein. Grundsätzlich hat Tradition an sich überhaupt nichts Negatives, sondern ist ganz im Gegenteil etwas sehr Schönes und Bewahrenswertes, ob es sich nun um Brauchtum handelt oder einfach um etablierte Strukturen. Problematisch wird es immer dann, wenn sich so etwas festfährt und starr wird. Gerade in der Kulturszene ist Flexibilität unabdingbar, und mit bonn.pop wollen wir genau dies ja auch stärken. Zum Glück haben wir bei uns viele kreative Köpfe, die sich schon lange intensiv mit Kunst und Musik auseinandersetzen und das auch weiterhin tun wollen. In diesem Sinne wollen wir also durchaus eine Tradition fortsetzen.

Was haben Sie seit der Gründung von bonn.pop erreicht?

Cuschie: Zunächst einmal haben wir es geschafft, als Kulturschaffende enger zusammenzuwachsen. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Sparten und haben erst durch bonn.pop den Kontakt zum Beispiel zwischen den großen Konzertveranstaltern und der Subkultur-Szene herstellen können. Auf diese Weise ist das Verständnis füreinander gewachsen. Davon profitieren alle, weil wir uns jetzt oft gegenseitig helfen können, etwa wenn kurzfristig eine Ersatz-Location gesucht wird oder kleinere Clubs Fragen zur Gema haben. Außerdem sind wir insgesamt sichtbarer geworden.

Haben Rock- und Popmusik, Punk, Techno und die Subkultur inzwischen tatsächlich eine gemeinsame Stimme, mit der sie unter anderem der Politik in den Ohren liegen können?

Cuschie: Ja, das würde ich schon sagen. Natürlich ist immer noch Luft nach oben, aber man nimmt uns mittlerweile ganz anders wahr als früher. Zwar haben wir bislang noch keine politische Macht, sitzen in keinem Ausschuss, sind aber schon öfters zum Runden Tisch von Sport und Kultur eingeladen worden und konnten uns in Entscheidungsprozesse einbringen. Ich hoffe, dass dies unter der neuen Sport- und Kulturdezernentin verstärkt fortgeführt wird.

Die städtischen Finanzen sind immer noch am Boden, Förderanträge sind kaum möglich. Müsste Bonn mehr Gelder für Euren Bereich zur Verfügung stellen?

Cuschie: Geld hilft immer, ist aber nicht alles. Uns ist natürlich allen klar, dass ein Großteil des Etats in den festen Institutionen feststeckt, ohne die es in Bonn einfach nicht gehen würde. Für die freie Szene bleibt daher nicht viel. Uns würde es aber schon viel bedeuten, wenn wir an anderer Stelle stärker unterstützt würden und Möglichkeiten geschaffen würden, um uns auszudrücken.

Zum Beispiel?

Cuschie: Es gibt immer noch Pro-bleme mit Open-Air-Formaten, und auch das Erschließen ungewöhnlicher, alternativer Spielstätten ist nicht so einfach.

Was für Hallen würde sich bonn.pop denn wünschen?

Cuschie: Zum Anfang erst einmal zwei bis drei zusätzliche Clubs, die junge Leute ansprechen und entsprechenden Bands Raum bieten. In Bonn gibt es zwar einige kleine Bühnen, auf denen zum Beispiel die Teilnehmer des Toys2Masters-Wettbewerbs auftreten können, aber abgesehen von der Harmonie, die einfach einen anderen musikalischen Schwerpunkt hat, mangelt es an einem professionellen Mittelbau.

Und größere Hallen?

Cuschie: An denen fehlt es erst recht, abgesehen vom Brückenforum können wir nicht viel vorweisen. Der Alte Schlachthof hätte diese Lücke füllen können und wäre ein Leuchtturm-Projekt gewesen, das ähnlich wie das Palladium oder das E-Werk in Köln spannende Bands hätte präsentieren können.

War das früher anders?

Cuschie: Seien wir mal ehrlich: Bonn war nie der Nabel der Welt. Aber in den 80er und 90er Jahren gab es eine Aufbruchstimmung, auch in der Rock- und Pop-Szene. Da konnte man zu zwei bis drei Veranstaltungen an einem Abend gehen und hinterher noch in die Disco. Dieses vielfältige Angebot existiert heutzutage leider nicht mehr, zumindest nicht auf den ersten Blick.

Im Gegensatz zu Köln...

Cuschie: Ach, in Köln ist das nicht viel anders, zumindest unter der Woche. Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören, wenn Menschen behaupten, in Bonn sei nichts los, und Köln sei so toll. Auch bei uns kann man einiges erleben, wenn man mal ein bisschen neugierig ist. Es stimmt zwar, dass den Bonner Veranstaltern mitunter die Sichtbarkeit fehlt, aber es gibt in Bonn ebenfalls starke kleine Konzerte, etwa im Kult 41 oder im Namenlos. Dazu kommen die Stadtgartenkonzerte am Alten Zoll, der KunstRasen oder ab Herbst auch wieder die Harmonie. Köln hat hinsichtlich der Masse sicherlich mehr zu bieten und eben auch die großen Hallen, aber wir müssen uns nicht verstecken.

Dennoch scheint es ja schwieriger zu sein als früher, Konzerte zu veranstalten oder andere alternative Formate zu entwickeln.

Cuschie: Ja, und zwar sowohl in Köln als auch in Bonn. Beide Städte haben vergleichbare Probleme. Es entstehen kaum neue Clubs, wenn überhaupt, werden bestehende übernommen, und selbst dann gibt es zunehmend Beschwerden etwa wegen der Lautstärke. Da wünscht man sich glatt einen Gebietsschutz für solche Bühnen. Open-Air ist es noch schlimmer. Ich finde es schade, wenn man bei einem Auftritt der Fantastischen Vier nichts versteht, weil der Nebenmann gerade so laut redet. Da stimmt doch was nicht.

Und bonn.pop kann dabei helfen?

Cuschie: Nun, wir können auf jeden Fall sowohl unsere Mitglieder als auch die Öffentlichkeit sensibilisieren und zusammen mit der Politik versuchen, Lösungen zu finden.

Wie stehen Sie beziehungsweise bonn.pop zum Beethovenjahr?

Cuschie: Ich bin ein großer Fan der Musik Beethovens. Was mir aber für die Planung von 2020 fehlt, ist die Inspiration für den großen Wurf. Irgendetwas, bei dem alle eingebunden wären, nicht nur die Vertreter der Klassik. Ich würde mir so etwas wünschen wie das Deutschlandfest, bei dem die ganze Innenstadt zum Flanieren und Entdecken einlädt und überall Events stattfinden. Ein großes Straßenfest, so wie ich es aus Montreux kenne, ein großer geiler Melting Pot, der jeden satt macht.

Es gibt angeblich Überlegungen, einen Megastar wie Lady Gaga nach Bonn zu holen. Halten Sie das für realisierbar?

Cuschie: Ich würde mir schon einen derart großen Aufhänger wünschen, um auch jüngeres Publikum anzusprechen, aber ehrlich gesagt kann ich mir kaum vorstellen, dass so ein Konzert möglich wäre. Es fehlt einfach die Infrastruktur. Wir haben durchaus Veranstalter, die das stemmen könnten, aber nur mit entsprechendem Vorlauf und einer klaren Förderzusage. Hoffentlich wird es noch ein Event mit derartiger Strahlkraft geben; falls nicht, wäre es eine verpasste Chance für Bonn.

Was würden Sie sich von Bonn und den Bonnern wünschen?

Cuschie: Vor allem Mut, mal etwas Neues auszuprobieren. In Bonn kann man jede Menge guter Musik erleben, wenn man sich nur traut. Gleichzeitig sind aber auch die Veranstalter gefragt, die eben nicht nur Cover-Bands auftreten lassen sollten, weil die eine sichere Bank sind, sondern auch junge, unbekannte Formationen. Als bonn.pop versuchen wir, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit so etwas möglich ist.

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