Stärkste Kraft bei Europawahl in Bonn Triumphieren Grüne jetzt auch bei Kommunalwahl?

Bonn · Die Grünen erreichen in der Südstadt einen Spitzenwert von 41,4 Prozent und sind in Bonn großer Sieger der Europawahl. Nun stellt sich die Frage: Wird die Partei auch bei der Kommunalwahl 2020 stärkste Kraft in Bonn?

Ob ihre nächtliche Siegesfeier so lang war, oder ob sie in die Kürze nur die vielzitierte Würze legen wollten – auf ihrer Facebook-Seite beließen es die Bonner Grünen am Montagmorgen bei zwei Wörtern: Danke Bonn! Mit dem Rekordergebnis von knapp 32 Prozent haben sie bei der Wahl zum EU-Parlament in Bonn alle anderen Parteien weit hinter sich gelassen: Die CDU mit ihren 23 Prozent ebenso wie die SPD, die mit 15,4 Prozent nicht einmal die Hälfte der Grünen-Stimmen erreichte.

Wer die Europawahl bereits als Stimmungsbarometer für den nächsten Urnengang ansieht, hat nun reichlich Stoff für Spekulationen. Denn im September 2020, in kaum mehr als 15 Monaten also, ist Kommunalwahl. Die Ausgangssituation könnte seit Sonntag unterschiedlicher nicht sein.

Grüne: Hochburgen, so weit das Auge reicht. Erwartungsgemäß stark waren die Grünen in den Vierteln ihrer Stammklientel wie der Inneren Nordstadt (42 Prozent) oder der Äußeren Nordstadt (37,8 Prozent). Weit über ihrem Gesamtergebnis für die Stadt liegen sie aber auch in Kommunalwahlbezirken, die einstmals traditionell als bürgerlich und eher konservativ galten: Baumschulviertel/Südstadt (41,4), Kessenich (40,1), Endenich II (38,9), Innenstadt (37,5), Poppelsdorf (37,2), Schwarzrheindorf/Vilich/Combahnviertel (36,6) oder auch Endenich I (36,3). Die Reihe ließe sich fortsetzen. Vergleichsweise „schlecht“ schnitten die Grünen hingegen in Tannenbusch, Buschdorf, Brüser Berg und Lengsdorf sowie in Teilen Bad Godesbergs ab, doch auch in diesen Stadtteilen liegt ihr Tiefstwert bei über 21 Prozent.

„Wir waren mit unseren Themen Klimaschutz und Umweltschutz und der Förderung einer offenen, vielfältigen Gesellschaft erfolgreich. Jetzt ist es unser Wählerauftrag, diese Themen weiter voranzutreiben – und zwar auch in Bonn“, sagt Katrin Uhlig, eine der beiden Kreisverbandssprecherinnen, am Morgen nach der Wahl.

Alexandra Geese zieht ins Europaparlament

Und Brigitta Poppe-Reiners, Fraktionssprecherin im Rat, ergänzt: „Wir begreifen das als Auftrag, auch innerhalb der Jamaika-Koalition den drängenden ökologischen Themen wie der Verkehrswende und dem Umweltschutz noch mehr Priorität zu geben.“

Bekanntlich droht zwei Bonner Straßen ein Fahrverbot für bestimmte Autos,zugleich ist ein Maßnahmenbündel zur Luftverbesserung in Vorbereitung – all das berührt naturgemäß klassische grüne Themen. Mit Alexandra Geese ist am Sonntag eine Bonner Grüne ins Europaparlament eingezogen.

Auf Spekulationen, ob ihrer Partei ein ähnlicher Coup womöglich auch bei der Kommunalwahl gelingen könne, will sich Uhlig nicht einlassen. „Derzeit kein Thema“ sei die Kür eines Oberbürgermeisterkandidaten. Katrin Uhlig: „Jetzt war Europawahl, zu gegebener Zeit konzentrieren wir uns mit viel Engagement auf die Kommunalwahl.“ Dass die Partei ins Rennen um den OB-Sessel geht, darf als sicher gelten. 2015 war ihr Kandidat Tom Schmidt mit 22,1 Prozent knapp hinter dem SPD-Bewerber auf Platz drei gelandet.

Dieses Video gehört zu einer Kooperation von GA und WDR.

Tannenbusch bleibt letzte Bastion der Bonner SPD

SPD: Der Kommunalwahlbezirk Tannenbusch bleibt die letzte Bastion der Bonner SPD – soweit man bei 21,4 Prozent davon sprechen kann. Nur dort schaffte es die SPD, stärkste Partei zu bleiben. Geradezu verheerend wirken die Zahlen in anderen Stadtteilen. In einem Drittel der Kommunalwahlbezirke bleibt die SPD unter 15 Prozent. Das historisch niedrige Gesamtergebnis von 15,4 Prozent entspricht einem Minus von 12,9 Punkten gegenüber 2014 und liegt um acht Punkte unter dem Wert der letzten Kommunalwahl. Als „ziemlich ernüchtert“ beschrieb Bonns SPD-Chef Gabriel Kunze am Wahlabend die Stimmung in seinen Reihen.

CDU: Lange Gesichter gab es am Wahlabend auch bei den Christdemokraten: In der einstigen Hochburg Bonn liegen ihre besten Ergebnisse bei knapp unter 30 Prozent. Kreisverbandschef Christos Katzidis bringt es angesichts der Zahlen auf den Punkt: „Dass wir so schlecht abschneiden würden, das habe ich nicht gedacht“, sagt er. Nun müsse das „C“ in der Partei wieder stärker in den Fokus rücken – auch beim Klima- und Umweltschutz.

FDP und Linke sind weitgehend stabil

AfD, FDP und Linke: Aus Sicht der Alternative für Deutschland bleibt Bonn vorerst ein schwieriges Pflaster. Zwar erzielte sie mit den 6 Prozent am Sonntag mehr als doppelt so viele Stimmen wie – frisch gegründet – bei der Kommunalwahl 2014. Dennoch bleiben ihre Erfolge in der Bundesstadt überschaubar: Lediglich in Bad Godesberg-Mitte, Röttgen/Ückesdorf und Pützchen/Bechlinghoven/Holtorf kommt die AfD über sieben Prozent.

FDP und Linke sind weitgehend stabil. Die Liberalen halten in Bonn mit 7,0 Prozent nahezu ihr Ergebnis von 2014 (7,1), die Linken geben einen Prozentpunkt von 5,9 auf 4,9 Prozent ab. Auch bei der letzten Kommunalwahl erreichten beide Parteien nur unwesentlich mehr.

Andere Parteien: Nennenswert sind hier die Satirepartei „Die Partei“ (3,1), Volt (1,8) und die Tierschutzpartei (1,1). Die Piratenpartei, einst als hoffnungsvoller Neuling am politischen Horizont heraufgezogen, kommt diesmal nicht über 0,75 Prozent hinaus.

Wahlbeteiligung: Die gesamtstädtischen 69,5 Prozent (2014: 58,3 Prozent) können sich gegenüber dem guten Deutschlandwert von 61,4 Prozent noch einmal zusätzlich sehen lassen. Besonders eifrig waren die Wähler im Kommunalwahlbezirk Baumschulviertel/Südstadt, wo die Wahlbeteiligung stolze 84 Prozent betrug. Unter dem Bundesschnitt blieb das Interesse in den Wahlbezirken in Tannenbusch (45 Prozent), Buschdorf, Auerberg und Graurheindorf.

Alle Wahlergebnisse für Bonn und die Region gibt es auf www.ga.de/europawahl

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