Straßenkarneval in Bonn Tierärzte verweigern Betreuung der Pferde

Bonn · Die prophylaktische Beruhigungsspritze für Pferde sorgt für Diskussion. Der Verein „Rheinvegan“, das Netzwerk für Tiere und die Tierrechtsinitiative Köln sind der Ansicht, dass ihr Einsatz im Straßenkarneval zu viel Stress für die Tiere sei. Mediziner fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt.

 Beim Bonner Rosenmantagszug 2009 scheut ein Pferd und wirft seinen Reiter ab.

Beim Bonner Rosenmantagszug 2009 scheut ein Pferd und wirft seinen Reiter ab.

Foto: Ingo Firley

Zwei Tierärzte wollen sich bei Karnevalszügen nicht mehr um die Pferde von Bonner Garden kümmern. Hintergrund sind Bestrebungen von Tierschützern, die Rösser aus dem Straßenkarneval verbannen wollen und unterstellen, dass sie medikamentös ruhig gestellt werden. Mithin dürfte es in dieser Session keine prophylaktische Behandlung der Pferde geben. Das Sedieren von Pferden an Rosenmontag ist nach GA-Informationen seit Jahren gängige Praxis. Sie nun nicht mehr zu sedieren, könnte für die Narren an den Zugwegen aber durchaus Gefahren bergen, sagen Experten.

Ein Tierarzt sieht sogar den Ruf seiner Praxis gefährdet. „Die Tierschützer sind über Kunden an mich herangetreten“, sagt er dem GA. Anlass für seine Entscheidung, den Bonner Stadtsoldaten nach vielen Jahren nicht mehr zur Seite zu stehen, seien auch die Diskussionen im Internet. „Tierschützer wollen alles haarklein dokumentieren und Fotos machen“, hat er gehört und will sich Rosenmontag so nicht über die Schulter schauen lassen. Er wolle nun auf Nummer sicher gehen, wie in den nächsten Jahren verfahren werde. Das gelte auch für seine Mitarbeiterin, die bislang im Beueler Zug mithalf.

Wie berichtet, hatten der Verein „Rheinvegan“, das Netzwerk für Tiere und die Tierrechtsinitiative Köln einen Antrag gestellt, der im Bonner Bürgerausschuss, aber auch in Gremien anderer Karnevalshochburgen behandelt wurde. Sie argumentieren: Lärm, Menschenmassen und herumfliegende Kamelle sind Stress für Pferde. Oftmals würden sie sediert – bekommen also eine Beruhigungsspritze. Deshalb hätten die Tiere in Karnevalszügen nichts zu suchen.

Pferde sind Verkehrsteilnehmer

Von den Bonner Corps engagierte Tierärzte sollen dafür sorgen, dass es den Pferden unterwegs gut geht und niemand gefährdet wird. Dieser Aufgabe sehe sich der erfahrene Tierarzt der Stadtsoldaten generell auch gewachsen, so Herbert Raab, Kavallerist und Ehrenkommandant des Corps. Für ihn habe man für dieses Jahr Ersatz gefunden. „Pferde sind Verkehrsteilnehmer“, sagt Raab. Er tritt für die Reittradition des Corps ein und versichert: „Grundsätzlich wird bei uns nicht gespritzt.“

Wenn allerdings ein Jeck am Straßenrand eine Bierflasche werfe und damit die Tiere verschreckt, gebe es nur zwei Möglichkeiten: das Pferd aus dem Zug nehmen oder es mit Medikamenten beruhigen. „Das Tier leidet nicht unter der Ruhigstellung“, sagt der zurückgetretene Tierarzt. Laut Raab werde etwa auch sediert, wenn unruhige Pferde beschlagen werden – was alle sechs Wochen nötig sei. Früher habe man die Nasenbremse verwendet. Dabei wurde eine Schlaufe um die Nüstern fest angezogen. Das habe solche Schmerzen verursacht, dass sich die Pferde darauf konzentrierten und den Hufschmied vergaßen.

Ob Pferde am Rosenmontag sediert sind, will die Stadt nicht kontrollieren. Es wäre Amtstierärztin Uda Erbe zufolge auch kontraproduktiv, „da die erforderliche Blutabnahme zusätzlichen Stress für die Tiere bedeuten würde“.

„Pferde, die Spaß an etwas haben, können alles lernen“, sagt Reitlehrerin Nicole Enneking. Auch dass viele Menschen und Musik um sie herum sind. Auch Polizeipferde seien trainiert und hätten dann Freude an ihrer Aufgabe. Wenn ein Tier die Belastung nervlich nicht durchstehe, dann sei Sedierung absolut unangebracht. In diesem Moment würde niemand an das Tier denken, sondern nur ans eigene Vergnügen.

Die Stadtsoldaten werden – wie die Kölner auch – vor dem Zug erst einmal eine Stunde lang durch die Stadt reiten, um die Pferde an die Umgebung zu gewöhnen. Zwei standhafte Ostfriesen, die seit Jahren die Kanone ziehen, stünden laut Raab diesmal nicht mehr zur Verfügung. Neue Pferde seien dafür noch nicht trainiert. Nun zieht ein kleiner Traktor den Wagen. „Im Prinzip ist noch nie etwas passiert“, sagt der Ehrenkommandant und hofft, dass Pferde auch künftig in den Zügen dabei sein dürfen. Zumal sein Corps auch viele Tausende Euro dafür ausgebe, damit die Narren ihre Freude an der Kavallerie hätten. Die Stadtsoldaten, ihre Beueler Kollegen und die Ehrengarde wollen sich nun noch einmal treffen, um über die Bestimmungen in diesem Jahr zu reden. Nach der Session suchen sie das Gespräch mit Politikern und dem Oberbürgermeister.

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