Karneval in Tannenbusch "Tannebüscher Jecke" leben Inklusion

BONN · "Jede Jeck es anders" steht auf der großen Fototapete im Haus des Karnevals an der Hohe Straße, und auf die "Tannebüscher Jecke" trifft das doppelt zu. Die noch junge Bürger- und Karnevalsgesellschaft hat sich Inklusion als Motto auf die Fahne geschrieben.

 Bei den "Tannebüscher Jecken" darf jeder mitmachen: Sven (vorne, als Koch verkleidet) ist festes Mitglied der Karnevalsgesellschaft, obwohl er geistig behindert ist.

Bei den "Tannebüscher Jecken" darf jeder mitmachen: Sven (vorne, als Koch verkleidet) ist festes Mitglied der Karnevalsgesellschaft, obwohl er geistig behindert ist.

Foto: Horst Müller

"Oh la la, willst Du eine Pizza?", dröhnt es aus der Musikbox und die "Knatschverdötschten" marschieren los. Angeführt wird die Truppe von Sven. Der 30-Jährige kam mit einem Gendefekt zur Welt und ist geistig behindert. "Macht doch nichts", sagt Ulrike Klein, der "Schwaadlappe", also die Sprecherin, der Truppe. "Bei uns ist jeder willkommen." Als Koch verkleidet führt Sven die Polonaise an, schwenkt einen Pizzakarton. Bei jedem Schritt ist ihm anzusehen, wie viel Freude ihm das macht. "Vor den Auftritten bin ich schon sehr aufgeregt", gesteht er. "Aber es macht so viel Spaß."

Doch nicht allein bei Sitzungen zeigt Sven sein jeckes Talent. Bei den Karnevalszügen in Tannenbusch, in Dransdorf und in Beuel zieht er stets mit einer großen Trommel mit. In dieser Session allerdings erstmals ganz stilecht. "Wir haben Svens 30. Geburtstag mit einem großen Fest gefeiert. Die 'Tannebüscher Jecke' haben ihm einen Trommelwagen geschenkt", freut sich auch Jens Mutter Anne-Rose Böckling. "Jetzt muss ich nicht mehr mit einem umgebauten Kinderwagen durch die Straßen ziehen", lacht der 30-Jährige, der es kaum abwarten kann, bis es endlich wieder losgeht.

Dass Sven bei den "Knatschverdötschten" mitmachen kann, war allerdings Zufall. Seine Mutter und Ulrike Klein arbeiten beide in der Abendrealschule. In einer Pause erzählte Böckling von ihrem Sohn, seinem Musiktalent und seiner Freude am Karneval. "Da war mir klar, dass Sven bei unserer Truppe mitmachen soll", erzählt Ulrike Klein.

Sven ist nicht der Einzige mit einem Handicap in den Reihen der Bürger- und Karnevalsgesellschaft. Seit einer Polioerkrankung als Kind kann Beate Thümes ihren rechten Arm nur sehr schwer bewegen. Als Bärbelchen macht die 64-Jährige trotzdem mit und steht bei Auftritten mit auf der Bühne. "Wir haben uns einfach angewöhnt, nicht mehr mit rechts, sondern nur noch mit links zu winken. Schon war das Problem gelöst", sagt Ulrike Klein. "Es ist doch ganz normal, dass man auf andere zugeht und Rücksicht nimmt."

Bei den Tannebüschern geht es zudem ganz international zu. Im Bananenkostüme à la Josephine Baker tritt Ibo auf die Bühne. Nur an seinen haarigen, stacheligen Beinen ist zu erkennen, dass es keine Frau ist, die gerade tanzt. Ibo Coen ist vor dreizehn Jahren aus Zypern ins Rheinland gekommen. "Hier habe ich sofort Anschluss gefunden und wurde toll aufgenommen - auch wenn ich nicht gleich alles auf Anhieb verstehe."

Währenddessen kann Sven nicht genug kriegen. Er setzt noch einmal seine Kochmütze auf und zieht als winkender Pizzabäcker durch den Saal. Und welche Pizza isst Sven am liebsten? "Eine Margarita mit sehr viel Schinken", sagt er, ohne lange nachzudenken, und marschiert glücklich weiter.

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